Sie träumen den Traum vom freien und feinen Leben: Antonio Lallo als Lennie (links) und Christian A. Koch als George. Foto: Patrick Pfeiffer - Patrick Pfeiffer

Jürgen Esser inszeniert John Steinbecks "Von Mäusen und Menschen" neu. Premiere feiert der Klassiker am Samstag, 9. Februar.

EsslingenEin Duo wie Asterix und Obelix, nur eben nicht im gallischen Dorf, sondern im kalifornischen Wanderarbeiter-Prekariat: George ist der Kleine, Flinke, Schlaue, sein Kumpel Lennie ein Trumm von Mann, unbändig stark, aber „nicht helle im Kopf“, sondern geistig zurückgeblieben auf dem Stand eines Kindes. Gemeinsam ziehen sie von Farm zu Farm, um sich ein paar Dollar zu verdienen. Und die will George nicht in Puff und Pinte auf den Kopf hauen wie die anderen Erntemalocher. Auch sie träumen zwar den American Dream vom eigenen Grund und Boden, vom Aufstieg zum feinen Leben auf der eigenen Farm. Aber George meint’s ernst – glaubt zumindest der gutgläubige Lennie, und meistens auch George selbst. In John Steinbecks Roman „Von Mäusen und Menschen“ platzt der Traum auf die denkbar tragischste Weise .

Der Autor wusste, von was er schrieb: Als Student Anfang der 1920er-Jahre hatte Steinbeck selbst sein Geld mit Gelegenheitsjobs auf Farmen verdient, später stellte er in einer Reportage das Elend der Wanderarbeiter in der Großen Depression der 30er-Jahre dar. Solche Authentizität beschied dem 1937 in den USA erschienenen Roman sofortigen Erfolg. Steinbeck arbeitete ihn daraufhin noch im selben Jahr zu einer Theaterfassung um, die Jürgen Esser jetzt an der Esslinger Landesbühne inszeniert hat.

Die Vorlage im Stil des amerikanischen Sozialrealismus mit seinen ausschweifend minuziösen Regieangaben hat Esser stark gekürzt und konzentriert auf „Situationstheater“, wie er sagt. „Wir versuchen, manches über das Spiel der Figuren zu zeigen, was bei Steinbeck in Worten ausformuliert ist.“ Der Fokus liegt für den Regisseur auf dem „feinen und einfühlsamen Verständnis, das der Autor für die Männer mit all ihren Brutalitäten entwickelt“. Es ist fürwahr eine raue Welt einsamer Überlebenskämpfer, geprägt von Gewalt und Ausbeutung, die Steinbeck schildert. Die aufrichtige Freundschaft Georges und Lennies hebt sich davon ab. Gerade deshalb wird sie misstrauisch beäugt, erscheint den anderen als Zweckbündnis eines Schlaumeiers mit einem berserkerhaft schuftenden Dummkopf, den er schamlos ausnehmen kann. Tatsächlich aber verbindet die beiden innigste Vertrautheit – und redliche Fürsorge des klugen George für den kindlich-naiven Lennie, der eigentlich keiner Fliege etwas zuleide tun kann. Aber wenn er etwas gern hat, endet es tödlich: Die zarten Streicheleinheiten des Muskelprotzes sind wie Schraubzwingen für alle anderen Sterblichen – ob Tier oder Mensch. Und das löst denn auch die Katastrophe aus. Doch sie spiegelt im individuellen Unglück das kollektive Desaster: die Entsolidarisierung, Vereinzelung, Entrechtung und Unterdrückung dieser Menschen, die nie auf ihre Kosten kommen und deren Illusionen die krude Wirklichkeit noch schlimmer machen.

Man muss das weder auf 30er-Jahre trimmen noch gezielt aktualisieren, findet Esser. Seine Inszenierung in Elisabeth Pedross’ Bühnenbild – einer Art Flickwerk-Baracke – sei „keine Konzeptkunst, sondern fast naturalistisch“. Bezüge zu den Ausgegrenzten und Prekarisierten von heute brauche man da nicht eigens herzustellen. Das können die Zuschauer selbst, sagt der Regisseur.

Die Premiere beginnt an diesem Samstag, 9. Februar, um 19.30 Uhr im Esslinger Schauspielhaus. Weitere Vorstellungen folgen am 13. und 19. Februar, 1., 16. und 28. März, 12. und 26. April, 25. Mai und 10. Juli.