Bariton Michael Mayes (link) und der Tenor Matthias Klink im Interview. Foto: Lichtgut/Julian Rettig - Lichtgut/Julian Rettig

In der Oper „Nixon in China“ trifft der frühere US-Präsident auf Mao – doch es geht um viel mehr, wie die zwei Hauptdarsteller, Bariton Michael Mayes und Tenor Matthias Klink, im Interview vor der Premiere erklären.

StuttgartPolitik in der Oper – geht das? Der amerikanische Komponist John Adams hat es ausprobiert. An diesem Sonntag singt der Tenor Matthias Klink Mao, und der Bariton Michael Mayes verkörpert Richard Nixon, der 1972 nach China reiste. Ein Gespräch über Oper, Politik und den immer wiederkehrenden US-Präsidenten.

Herr Mayes, Herr Klink, Sie spielen Richard Nixon und Mao. Sieht man das auch?
Klink: Die Inszenierung von Marco Storman ist nicht an den historischen Kontext gebunden. Es ist eher so, dass die Figuren etwas repräsentieren. Und sie inszenieren sich genau so für die Medien, wie es unlängst Donald Trump und Kim Jong-un in Nordkorea getan haben. Daran denkt man natürlich, wenn man diese Oper sieht. Mayes: Am Anfang hat das Stück viel Kritik bekommen, weil es einen lebenden Präsidenten auf die Bühne brachte. Wenn man’s aber so macht wie hier, entzieht man der Kritik den Boden. Das Stück könnte überall spielen. Und es geht schlicht um das Treffen zweier extrem unterschiedlicher Menschen, die überhaupt nicht zusammenkommen.

Was denken Sie über den Präsidenten Nixon?
Mayes: Ich habe seine Biografie gelesen, habe sogar ein Hörbuch gekauft, auf dem er selbst spricht, weil ich hören wollte, wie seine Stimme klingt. Er ist so unglaublich arrogant! Aber hier muss ich mich zum Glück nicht benehmen wie Nixon. Ich komme aus Texas, aus einem 1300-Einwohner-Nest mit dem Namen Cut and Shoot, und trage auch da meinen Bart und sehe aus wie Gary Cooper in den Western. Ich repräsentiere alle amerikanischen Präsidenten. Also sogar Donald Trump.

Herr Klink, haben Sie sich mit Mao beschäftigt?
Klink: Natürlich. Der ist in der Oper eine sehr merkwürdige Figur. Er will gar nicht über Politik reden und lässt Nixon permanent auflaufen. Dauernd spricht er über Philosophie, über Marx, er hielt sich ja selbst für einen großen Denker. Bei John Adams klingt das oft sehr zynisch. Ich habe herausgefunden, dass Mao schon in den 60er Jahren oder sogar früher versucht hat, mit den Amerikanern Kontakt aufzunehmen. Die haben ihn aber ignoriert, weil sie auf Chiang Kai-sheks Seite waren. Deshalb hat sich Mao stattdessen zu Stalin orientiert. Aber die beiden mochten sich nicht.

Hört man, dass das Stück dreißig Jahre alt ist?
Mayes: Ja, es klingt sehr nach den 80er-Jahren, und das liegt auch an den programmierten Synthesizerklängen. In jüngeren amerikanischen Opern ist viel mehr Emotion, dafür weniger intellektueller Anspruch. Aber verstehen Sie mich jetzt bitte nicht falsch: Natürlich gibt es auch in „Nixon in China“ ganz große Gefühle, vor allem im dritten Akt. Klink: Da lässt der Regisseur die Statistentruppe Schreckliches tun. Damals, hat Marco Storman herausgefunden, hat man den zum Tode Verurteilten ein Schild mit ihren Namen umgebunden, und vor ihrer Erschießung mussten sie diesen Namen auskreuzen. Das zitieren wir hier. Außerdem spielen wir im dritten Akt auf dem Orchestergraben. Die Bühne reicht also ganz nah an die Zuschauer heran, die Orchesterklänge werden eingespielt . . . Mayes: . . . wie bei Karaoke . . . Klink: Ja, und die Konzentration auf die Figuren wird dadurch noch einmal verstärkt und verdichtet. Mayes: Das ist ganz intensiv und intim. Ich liebe es, ganz nah beim Publikum zu sein. Und auf dem Proszenium haben wir mit unseren Opernstimmen eine wahnsinnige Kraft. Die Körperlichkeit des Singens, denke ich mir, muss dann eigentlich auch durch die Zuhörer hindurchgehen. Als Sänger ist man in so einer Situation allerdings auch sehr verletzlich. Und das Publikum kann sich nicht sicher sein: Ist es etwa nur in einer Probe? Ist das Nixon oder Michael Mayes?

Womit geht der Zuschauer aus der Oper? Gibt es eine Botschaft?
Klink: Es geht um das immer Wiederkehrende unseres Seins. Der große Bogen ist das Gefühl: Es fängt alles am Anfang an, und es geht weiter und weiter . . . Mayes: Die Antwort auf diese Frage ist für mich sehr schwierig. Sehe ich das Stück als Nixon, als Amerikaner oder, allgemeiner, als Teil einer sehr jungen Kultur, die ihre Kraft gerade dort spürt, wo sie einer fremden, alten Kultur begegnet, die sich mit einem tausendjährigen Plan beschäftigt, während es in den USA gerade mal einen Achtjahresplan gibt? In der Oper will Nixon kommunizieren, aber er schafft es nicht. Er tritt auf, als wollte er sagen: Hey guys, I’m fantastic! Ich bin fantastisch! Am Ende aber bricht er zusammen, dann ist er nicht mehr der Repräsentant einer Weltmacht, sondern nur noch ein Mensch, der kämpft. Ich persönlich hoffe sehr, dass die USA begreifen: Sie sind nicht die Allerbesten, sondern Teil eines Ganzen, einer Gemeinschaft. Ich bin erst das dritte Mal in Europa, und das ist für mich total stressig, weil ich Angst habe, mit jemandem in Streit zu geraten, nur weil ich Amerikaner bin.

Das Interview führte Susanne Benda.

Zu den Personen und dem Spielplan

Matthias Klink (Tenor) studierte Gesang in Stuttgart und Bloomington/USA. Er ist Ensemblemitglied Staatsoper Stuttgart, 2018 wurde er zum Kammersänger ernannt. Wichtige Partien: Aschenbach in „Tod in Venedig“, Herodes in „Salome“.

Michael Mayes (Bariton) wurde in Cut and Shoot (Texas) geboren. Gesangsstudium an der University of Texas. Mayes’ Repertoire-Schwerpunkte sind die zeitgenössische amerikanische Oper und das italienische Repertoire.

„Nixon in China“ (1987), ist die erste Oper des US-amerikanischen Komponisten John Adams (geboren 1947). An diesem Sonntag um 18 Uhr hat das Stück an der Staatsoper Stuttgart Premiere. Regie führt Marco Storman, Dirigent ist André de Ridder. Weitere Vorstellungen: 12. und 20. April, 3., 9. und 11. Mai.