Hat noch viel vor: Armin Elbl Foto: Roberto Bulgrin/bulgrin - Roberto Bulgrin/bulgrin

Der Streit mit Plochingen um die Finanzierung des Gymnasiums, der Bahnhofsplatz und die Versorgung mit Wohnraum beschäftigen den Wernauer Bürgermeister.

WernauSeit mehr als zehn Jahren ist Armin Elbl Bürgermeister in Wernau. 2015 wurde er in seine zweite Amtsperiode gewählt. Davon ist jetzt die Hälfte vorbei. Die Eßlinger Zeitung blickte mit ihm kurz zurück, aber vor allem voraus.

Herr Elbl, worin bestehen die größten Herausforderungen in den nächsten zehn Jahren?
Ich denke, das ist die Versorgung mit Wohnungen. Wir haben jetzt für das neue Wohngebiet Adlerstraße Ost III einen großen Architekten- und Investorenwettbewerb auf den Weg gebracht. Ich gehe davon aus, dass das in den nächsten vier Jahren umgesetzt wird. Wir werden in dieser Zeit außerdem die dafür Weichen stellen, wie es danach weitergeht. Es gibt ja noch einen weiteren Bauabschnitt, den wir bis 2030 bebauen wollen. Ein weiteres großes Thema wird aber auch die Umsetzung der Sportentwicklungsplanung mit unseren Sportvereinen sein.

Die jetzige Legislaturperiode ist jetzt um die Hälfte rum. Bleiben noch vier Jahre bis zur nächsten Bürgermeisterwahl. Was kommt in dieser Zeit auf Wernau zu?
Die Infrastruktur muss ständig nachgebessert und in Schuss gehalten werden. Wir sind jetzt gerade an unserem letzten Schulgebäude, der Grundschule Teckschule in der Schulstraße, die generalüberholt wird. Weiterhin haben wir in den letzten sechs Jahren jedes Jahr einen Kindergarten gebaut, um dem Bedarf der Wernauer Familien gerecht werden zu können. Das wird weitergehen, im Haushalt für 2020 ist schon der nächste Kindergartenbau eingeplant. Die Kita Prima Klima soll erweitert werden.

Sie stehen am Anfang eines weiteren Prozesses: Sie wollen die Mobilität in der Stadt verbessern.
Von „VERA - vernetzt und aktiv im Alter“ wurde jetzt ein Bürgerbeteiligungsprozess in die Wege geleitet. (VERA ist eine Initiative der Paul Wilhelm von Keppler-Stiftung, die mit Unterstützung der Fernsehlotterie Anfang letzten Jahres ins Leben gerufen wurde und sich noch bis Ende 2020 um ein aktives Angebot für die Generation 60 plus und ein gutes Miteinander in der Bevölkerung einsetzt; Anmerkung der Redaktion). Die Stadtverwaltung war hier nur beratend tätig, aber nicht in der Diskussion beteiligt. In der vergangenen Woche habe ich das ganze Paket an Vorschlägen überreicht bekommen und nun müssen wir bewerten, was man daraus machen kann. Fest steht, dass unter der Leitung von VERA ab Januar fünf Arbeitsgruppen starten, die an verschiedenen Themen weiterarbeiten und sich für eine zügige Umsetzung einsetzen. Bei einigen Themen, in die auch der Landkreis oder das Land involviert werden müssten, muss natürlich auch der Gemeinderat mitdiskutieren.

Was ist Ihrer Meinung nach das Dringlichste auf der VERA-Liste?
Ein ganz großer Wunsch in der Bevölkerung ist der 15-Minuten-Takt bei der S-Bahn. Im Moment endet dieser in Plochingen und wir haben nur eine halbstündige Verbindung nach Kirchheim einerseits und Esslingen und Stuttgart andererseits. Irgendwann wird das sicherlich auch umgesetzt, aber es wäre ganz schön, wenn das nicht erst im Jahr 2030 oder 2040 ist. Wenn die S-Bahn dann im 15-Minuten-Takt fährt, müssen wir auch über eine Anpassung im Stadtbusverkehr nachdenken.

Da hatte es ja in der Vergangenheit wegen einiger Baustellen ein paar Probleme gegeben, was die Pünktlichkeit betrifft.
Der Bus fährt eben auch auf der Straße und der Straßenverkehr nimmt zu. Wir haben in der Ortsdurchfahrt immer wieder Staus, insbesondere bei Sperrungen auf der Autobahn oder den Bundesstraßen und da steht der Bus wie alle anderen Fahrzeuge auch im Stau. So oder so fährt er aber alle halbe Stunde und stellt somit auch ein verlässliches innerörtliches Verkehrsmittel dar.

Und es gibt ja auch noch andere Verkehrsteilnehmer...
Ja es gibt auch noch die Fußgänger und die Radfahrer. Die Fußgänger wollen auch nicht so lange an einer Ampel stehen. Das ist somit ein Widerstreit. Wem gibt man wie viel Grünphase an den innerörtlichen Ampeln? Zu den Radfahrern gibt es eine extra Arbeitsgruppe bei VERA, die überlegt, was man da noch verbessern kann. Auch hier gibt es Konflikte bei den unterschiedlichen Interessen, aber Fahrradfahrer und Fußgänger kommen ganz gut zurecht miteinander, wenn sie ein wenig Rücksicht aufeinander nehmen. Mit dem Neckartalradweg, guten Radweganbindungen an die Nachbarkommunen, Leihfahrrädern am Bahnhof und dem Bau von Fahrradstellplätzen am Quadrium sind wir jedoch auch in diesem Bereich recht gut aufgestellt.

Großes Thema in Wernau ist der Bahnhofsplatz – die Empfangshalle der Stadt gewissermaßen. Gehört das auch zu Ihren wichtigen Projekten?
Wir haben die Fläche vor einigen Jahren von der Bahn gekauft und umfangreiche Überlegungen angestellt, sogar einen städtebaulichen Wettbewerb und eine Bürgerbeteiligung durchgeführt. Wir hatten auch ein schlüssiges Konzept mit einem neuen Gebäude, das als Warteunterstand gedient hätte. Gastronomie oder Bäckerei sollten dort hineinkommen, eine WC-Anlage, etc. Das war ein Millionenprojekt, also ein bis zwei Millionen Euro allein für das Gebäude. Zusätzlich hätten wir den Platz noch komplett neu gestalten müssen. Mit Ladestationen, Carsharing, Fahrradboxen und einer Verbesserung der Aufenthaltsqualität. Es gab aber zwei Handikaps. Zum einen: Wir haben die Vermietung zwei Mal für mögliche Betreiber ausgeschrieben, hatten auch mehrere Bewerbungen, aber alle haben nach Rücksprache mit ihren Berufsverbänden am Ende einen Rückzieher gemacht. Zum anderen war 2016 unser Gemeinderat überhaupt nicht bereit, für freiwillige Maßnahmen so viel Geld bereit zu stellen. Deshalb ist in einer konzertierten Aktion der damals beiden größten Fraktionen im Gemeinderat dieses Projekt gecancelt worden.

Aber jetzt wird wieder über den Platz gesprochen...
Er ist in den letzten Jahren immer wieder ein Thema gewesen. Die fehlende Toilette ist zum Beispiel ein Thema, das uns immer wieder berührt hat. Vor vier Jahren, vor zwei Jahren und jetzt wieder. Trotz der Aktion „Nette Toilette“ in der Bücherei und der Gastronomie am Bahnhof.

Irgendwie steht sie symbolisch für den unfertigen Bahnhofsplatz?
So ein Stück weit schon. Man muss eigentlich schon sagen, an einem Standort, an dem nur noch die S-Bahn hält, ist es besonders schwierig, weil die S-Bahn keine Toiletten hat. Wenn die Leute von Stuttgart oder gar von Herrenberg kommen und dann bis Wernau fahren, dann ist das eine lange Zeit. Sie sind unter Umständen mehr als eine Stunde unterwegs.

Aber es gibt zum Glück noch eine Alternative?
Wir haben zum Glück „nette Toiletten“. Dahinter stecken Vereinbarungen mit einem Gastronomen, dem Bistro Bajazzo, und der Stadtbücherei. Während der Öffnungszeiten dürfen die Leute da einfach auf die Toilette gehen. Dadurch muss man sich auch nicht komisch fühlen. Man kann einfach reingehen und sagen: ‚Ich würde gerne mal ihre Toilette benutzen‘.

Und jetzt?
Ich habe in der letzten Gemeinderatssitzung den Vorschlag gemacht, den Siegerentwurf von damals noch mal aus der Schublade zu holen. Mit dem Gebäude wird es zwar schwierig, weil wir kein Gebäude bauen können, ohne dass eine tragfähige Nutzung in Aussicht steht. Da wäre ja das Geld zum Fenster rausgeworfen. Also habe ich vorgeschlagen, lasst uns den Entwurf noch mal mit dem damaligen Planer diskutieren und versuchen, eine vereinfachte Lösung zu suchen. In einer Form, sodass wir uns für den Hauptplatz nicht alles verbauen, denn eigentlich wollen wir hier schon irgendwann eine vernünftige Nutzung haben. Deswegen suchen wir jetzt eine einfache Lösung mit einem vernünftigen Ambiente plus einer Toilettenanlage und Fahrradboxen.

Wann wird das werden? Wird sich da im Verlauf des nächsten Jahres eine Entscheidung anbahnen?
Das denke ich schon. Wir werden jetzt erst mal mit dem Planer ein Gespräch führen.

Ein anderes, heißes Thema. Die Nachbarstadt saniert für viele Millionen Euro ihr Gymnasium und würde gerne die Nachbarkommunen an den Kosten beteiligen. Sie sind hocherfreut?
Ja, so kann man es ungefähr sagen (lacht). Wir Kommunen am Neckarknie haben uns ja schon 2013 miteinander auf den Weg gemacht und haben uns auf Initiative der Stadt Plochingen von der Universität Tübingen eine Schulentwicklungsplanung erstellen lassen. Da sind verschiedene Vorschläge für alle Schulstandorte herausgekommen. Wir in Wernau haben den Vorschlag mittlerweile Eins zu Eins umgesetzt, die Gemeinde Reichenbach ist im Moment noch dabei, die Stadt Plochingen hat die Empfehlungen aus dem Gutachten bislang nicht umgesetzt. Sie geht nach wie vor in eine ganz andere Richtung. Die Stadt Plochingen hat hierfür nun ein Sanierungspaket geschnürt, das fast 60 Millionen Euro umfasst. Das ist ihr gutes Recht als Schulträgerin, allerdings muss sie dann auch die Kosten dafür alleine tragen. Denn auch die Stadt Wernau hat ihr Schulzentrum ohne Kostenbeteiligung anderer Gemeinden vor wenigen Jahren um 14 Millionen Euro generalsaniert.

Wo ist der Knackpunkt?
Ich wehre mich heftig dagegen, dass immer gesagt wird, die Kommunen schicken ihre Kinder nach Plochingen. Das stimmt so nicht. Da wird nicht die Gemeinde oder Stadt gefragt, sondern die Eltern sagen, wohin sie ihre Kinder auf die weiterführende Schule schicken. Es herrscht freie Schulwahl. Das führt dazu, dass Wernauer Schüler fast im ganzen Landkreis zur Schule gehen. Nach Kirchheim, nach Nürtingen, nach Wendlingen, nach Esslingen und nach Plochingen und sogar nach Stuttgart. Insofern kann man nicht sagen, dass wir unsere Schüler nach Plochingen schicken.

Ist das das wichtigste Argument für Wernau gegen eine Beteiligung?
Das größte Problem ist, dass die Sanierungsbedürftigkeit des Gymnasiums seit vielen Jahren gesehen wurde, aber offensichtlich in den letzten Jahrzehnten nichts Grundlegendes geschehen ist. Dadurch ist der Sanierungsstau immer größer geworden. Das Gesamtpaket ist jetzt so groß, dass es für eine Stadt wie Plochingen nicht mehr zu bewältigen ist. Es gibt aber im Schulgesetz keine Regelung, nach der sich die Umlandgemeinden beteiligen müssen. Für uns wäre das eine freiwillige Leistung. Sieben Millionen wurden von Plochingen aufgerufen, mit denen sich allein die Stadt Wernau beteiligen soll – bei dieser Dimension können Sie sich vorstellen, dass die Begeisterung weder bei mir noch bei den Gemeinderäten groß ist. Wir müssten Schulden aufnehmen, um das Geld nach Plochingen zu überweisen. Zumal es auch in den anderen Städten und Gemeinden eine Vielzahl überörtlicher Einrichtungen gibt. Wir halten zum Beispiel Bäder für das Umland zur Verfügung. Die Stadt Plochingen hat ihr Hallenbad zugemacht. Die Stadt Kirchheim auch. Die Bürgerinnen und Bürger dieser beiden Städte kommen jetzt zu uns. In unserem Hallenbad und in unserem Freibad haben wir auch mehr als 50 Prozent auswärtige Besucher. Und unsere Bäder kosten uns jedes Jahr zirka 1,2 Millionen Euro. Dazu kommen Investitionen, die wir regelmäßig leisten müssen. Insofern können wir nicht nachvollziehen, dass ein einzelner Punkt herausgegriffen werden soll, bei dem eine Kostenbeteiligung von den Nachbarkommunen eingefordert wird. Ich sehe hier ganz klar die Verantwortlichkeit des Landes, für den Fortbestand solcher Schulen mit überörtlicher Bedeutung Sorge zu tragen, wenn die Schulträgerin hiermit überfordert ist.

Da wir beim Geld sind: Ein Schulthema haben Sie ja auch?
Das Schulthema ist auch bei uns ganz groß, nach wie vor. Die Generalsanierung der Teckschule wird uns fünf bis sechs Millionen Euro kosten. Unser Schulzentrum auf dem Katzenstein mit seiner Grundschule soll in den nächsten Jahren zu einer Ganztagesgrundschule weiterentwickelt werden und die sehr erfolgreiche Realschule hat zusätzlichen Raumbedarf. Außerdem soll für das Jugendhaus Kiwi ein neuer Standort auf dem Katzenstein geschaffen werden. Wenn man das alles miteinander anpackt, gibt das auch noch mal ein Paket von fünf bis sechs Millionen Euro.

Das Interview führte Johannes M. Fischer.