Die Stelenanlagen (rechts) sind immer wieder erweitert worden. Die Stadt will sich in diesem Herbst mit weiteren modernen Bestattungsformen beschäftigen. Foto: Dannath - Dannath

Auch in Wendlingen hat sich die Bestattungskultur verändert. Ein Strategietag im Herbst soll sich der Friedhofsentwicklung widmen.

WendlingenDie Bestattungskultur in Deutschland ist im Wandel. Neben klassischen Reihengräbern findet man heute auf den Friedhöfen immer mehr umgenutzte Flächen. Dieser Trend macht sich auch in Wendlingen bemerkbar: Während 1990 von 114 Bestattungen im Stadtgebiet noch rund 80 Prozent Erdbestattungen waren, sank diese Quote bis 2004 bei einer gleichbleibenden Zahl an Todesfällen auf 51 Prozent.

Die Stadt beschloss bereits im Herbst 2005 die Errichtung von Urnenstelen mit insgesamt 85 Urnenkammern sowie die Einrichtung eine Grabfeldes für anonyme Urnenbestattungen auf den Friedhöfen in Wendlingen und Unterboihingen. Obwohl die Stadt davon ausging, dass die Stelenanlagen, in denen eine reguläre Ruhezeit von 20 Jahren gilt, den Bedarf für sechs bis acht Jahren decken würden, waren diese bereits nach vier Jahren nahezu vollständig belegt. Bis 2010 waren die Erdbestattungen auf 35 Prozent zurückgegangen, was dafür sorgte, dass die Stelenanlagen zuletzt immer wieder erweitert wurden, derzeit stehen 62 Stelen zur Verfügung. 2018 sank die Quote für Erdbestattungen weiter – von insgesamt 136 Bestattungen in Wendlingen entschieden sich die Angehörigen von nur 28 Verstorbenen dafür, das sind knapp 28 Prozent.

Gleichzeitig stieg die Nachfrage nach weiteren Bestattungsformen sowohl von Seiten der Einwohnerschaft als auch im Gemeinderatsgremium. Viele umliegende Kommunen hatten den Trend mit der Errichtung von Rasen- oder Baumgräbern oder anderen Bestattungsformen aufgegriffen, was auch die Begehrlichkeiten in Wendlingen weiter anfeuerte. Die Stadtverwaltung nahm das zum Anlass, die Wünsche der Einwohnerschaft genauer zu erurieren, um eine neue, langfristig angelegte Strategie für die Friedhöfe in Wendlingen und Unterboihingen zu entwickeln. Im Februar dieses Jahres startete sie eine Umfrage, deren Ergebnisse nun im Gemeinderat vorgestellt wurden. Der Wunsch nach Veränderungen ist groß: 410 Einwohner beteiligten sich bis Ende April an der Befragung. „Das hat mich eigentlich am meisten überrascht“, sagt Bianka Vetter, die als Abteilungsleiterin Liegenschaftsverwaltung und Bestattungswesen von Seiten der Stadt für die Befragung zuständig war. Sie hatte eigentlich mit 100 bis 150 Teilnehmern gerechnet. „Doch das zeigt, dass der Wunsch nach Veränderungen bei den städtischen Friedhöfen sehr groß ist.“

Naturgemäß hielt sich die Jugend bei der Umfrage eher zurück – der überwiegende Teil der Teilnehmer, in Zahlen 73 Prozent, ist über 60 Jahre alt. Mit 22 Prozent belegen Menschen zwischen 40 und 60 Jahren den zweiten Platz, unter 40 Jahre alt sind lediglich 4 Prozent der Teilnehmer. Eine traditionelle Erdbestattung wünschen sich nur noch etwas über 18 Prozent der Umfrageteilnehmer, knapp 82 Prozent können sich eher mit einer Feuerbestattung anfreunden. Bei den Bestattungsformen scheuen sich die meisten vor der aufwendigen Grabpflege: Knapp 74 Prozent der Teilnehmer visieren eine pflegefreie Bestattungsform an. Immerhin knapp 20 Prozent wünschen sich, dass ihr Grab durch Angehörige gepflegt wird.

Bei der Art der Bestattung liegt das Urnenbaumgrab in der Gunst der Befragten vorn. 120 Mal wurde diese Bestattungsart genannt, gefolgt von einem Urnenwiesengrab (93), einem Urnengemeinschaftsgrab (73), einem Urneneinzelgrab (51) und einem Plätzchen in der Urnenstele (44). Eine klassische Erdbestattung haben nur noch 47 der Umfrageteilnehmer auf dem Wunschzettel.

„Die Umfrage zeigt deutlich, dass es viele Wünsche gibt, die letztlich zu weniger Grabflächen führen“, bilanzierte der Wendlinger Bürgermeister Steffen Weigel die Umfrageergebnisse. Um dem gerecht zu werden, plant die Stadt mit dem neu gewählten Gemeinderat, Vertretern aller Gewerke, den ortsansässigen Religionsgemeinschaften und weiteren Nutzern einen gemeinsamen Strategietag im Herbst, um das weitere Vorgehen zur Friedhofsentwicklung festzulegen. „Es ist tatsächlich an der Zeit, diesen Bereich anzugehen“, bekräftigte Stadtrat Hermann Sommer (Grüne) mit dem Verweis, dass seine Partei schon seit Jahren auf die Defizite in Sachen Bestattungskultur in der Stadt aufmerksam gemacht habe.