Christian Ehring hadert in seinem Soloprogramm mit der Vaterrolle. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Mit „Masern-Parties“ und ratlosen Eltern geht der Kabarettist Christian Ehring in seinem Soloprogramm „Keine weiteren Fragen“ hart ins Gericht. Der Wahl-Düsseldorfer setzte mit seinem Auftritt einen bemerkenswerten Schlusspunkt unter das 36. Zeltspektakel in Wendlingen. Die ehrenamtlichen Veranstalter waren mit dem Publikumszuspruch bei dem viertägigen Festival voll zufrieden.

Wendlingen Beim Willkommenstreff der evangelischen Kirche macht sich der Flüchtling David aus Eritrea über Eltern lustig, die ihre Kinder nicht impfen lassen. Denn die Begründung einer Waldorf-Mutti, dass die Kleinen die Infektionen selbst mitmachen müssten, um dagegen immun zu werden, ärgert den klugen Journalisten aus Afrika. Auf die Einladung zu einer „Masern-Party“, bei der sich die Kids anstecken sollen, hakt er ironisch nach, ob das auch für Ebola, Pest oder Cholera gelte. Alles andere als politisch korrekt ist der Humor des Kabarettisten Christian Ehring, der zum Abschluss der Zeltspektakels in Wendlingen das Publikum mit seinen pechschwarzen Pointen zum Lachen brachte.

Als Meister des bissigen tagespolitischen Kabaretts ist der Gewinner des Deutschen Fernsehpreises nicht nur aus seinem eigenen Format „Extra 3“, sondern auch aus der „Heute-Show“ bekannt. Wegen seiner scharfen Satire, die auch auf das Allmachtsstreben des türkischen Präseidenten Erdogan zielte, wurde sogar der deutsche Botschafter einbestellt. Im Zirkuszelt der ehrenamtlichen Kulturveranstalter im Wendlinger Speck zog Ehring das Publikum nun mehr als zwei Stunden lang alleine in den Bann. Allerdings hatte die ebenso brillant wie spitz formulierte Comedy im zweiten Teil Längen. Allzu wortverliebt tappt der 46-Jährige da seine Zeitgeist-Fantasien über die „Land-Lust“ frustrierter Hausfrauen oder die Yoga-Fantasien einer Generation aus, die angesichts der politischen Wirklichkeit immer ratloser wird. Pointen über die gerade beendete Bayern-Wahl streute er eher sparsam ein.

Der Papa beißt auf Granit

In seinem Soloprogramm „Keine weiteren Fragen“ spinnt der Vater zweier Töchter einen turbulenten Plot rund um einen fiktiven Sohn, der nach dem Abitur sein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Slum in Argentinien ableisten soll. Da der Filius reichlich uninspiriert ist, könnte er nach Ansicht seines Vaters allenfalls „einen Bachelor-Abschluss in vergleichenden Konsolen-Wissenschaften“ schaffen – falls der an irgendeiner Universität angeboten würde. Deshalb nimmt Papa die Planung selbst in die Hand. Damit beißt er beim Junior auf Granit.

Wer Ehring, der unter anderem im Ensemble des Düsseldorfer Kabaretts Kom(m)ödchen seine Kunst lernte, von der scharfzüngigen Polit-Comedy seiner TV-Auftritte kennt, staunte über den persönlichen Ton, den er anschlug. Obwohl der Sohn, den er wenig schmeichelhaft auf seine verbale Schippe nimmt, frei erfunden ist, spricht gerade aus diesem Porträt viel Elternlust und -frust. Etliche Mütter und Väter lachten wissend über den heillos übertriebenen Witz von den Möbelpackern, die beim letzten Umzug das Sofa samt dem faulen Teenager in die neue Wohnung schleppen durften. Auch ohne große weltpolitische Zusammenhänge trifft Ehring den Nerv seiner Zeit.

Gedanken macht sich der Familienvater auch über die Schulfächer, die prominente Vordenker immer wieder ins Gespräch bringen. Besonders begeistert ihn da TV-Star Uwe Ochsenknecht, der das Schulfach „Emotionen“ auf den Lehrplan setzen will. Auch den Vorschlag der Piraten-Partei, Kinder in einem eigenen Schulfach mit „Rauschkunde“, also dem richtigen Umgang mit Drogen, vertraut zu machen, findet er stark. Heinos kläglicher Versuch, sich mit dem Fach „Volksmusik“ mal wieder ins Gespräch zu bringen, entlockt dem bissigen Wahl-Düsseldorfer dagegen nur ein müdes Grinsen.

Nah an der Schmerzgrenze

Ehrings große Qualität liegt in der Ehrlichkeit, mit der er brisante Themen anpackt und zur Sprache bringt. Zwar schrammt er mit seinen Pointen über den arroganten Umgang neureicher Intellektueller mit Geflüchteten gefährlich nah an der Schmerzgrenze vorbei. Aber viele seiner Beobachtungen treffen die wunden Punkte. Das Ehepaar, das dem geflüchteten Journalisten eine Einliegerwohnung vermieten will, behandelt den jungen Afrikaner wie einen Menschen zweiter Klasse: „Das mit der Mülltrennung wirst Du auch noch lernen“, doziert der vermeintlich so wohlmeinende Gastgeber von oben herab. Interkulturelle Kompetenz oder Respekt vor der Biografie Geflüchteter sucht man da vergeblich.

Dass Christian Ehring ein bemerkenswerter Pianist und Sänger ist, bewies er nicht nur mit den „veganen Kinderliedern“, die er zwischen den Blöcken zum besten gab. „Schrot, Du hast das Korn gestohlen“ frei nach dem Kinderlied vom Fuchs und der Gans ist da ein Paradebeispiel. Seine gefühlvollen Lieder machen Zeitgenossen Mut, den Kopf angesichts der Krisen und Kriege auf allen gesellschaftlichen Ebenen nicht in den Sand zu stecken. Gerade die gefühlvollen Songs sind bei diesem hochkarätigen Sprachspieler ein betörend schöner Appell dafür, die Herausforderungen der Zeit mutig anzupacken.