Pianistin Karin Reitz zeigt in Sergej Rachmaninoffs Klavierkonzert Nr. 1 in Fis-Moll ihr beachtliches Können. Foto: Zimmermann - Zimmermann

Das Kammerorchester Plochingen trägt den Klassiker „Romeo und Julia“ in der Stadthalle vor. Präsentiert wird eine Fantasie-Ouvertüre über das Thema der Liebenden.

PlochingenPjotr Tschaikowskis frühes Werk „Romeo und Julia“ beginnt, höchst ungewöhnlich für eine Ouvertüre zu diesem Thema, mit einer getragenen Moll-Melodie der Klarinetten und Fagotte. Was das Kammerorchester Plochingen in der Stadthalle vorträgt, ist keine Einleitung zu einer Oper, sondern eine Fantasie-Ouvertüre über das Thema der Liebenden, die nicht zueinander finden, weil ihre Familien im Streit liegen. Die Celli setzen ein, die Violinen folgen im langsamen Trauerzug, der schon das Ende vorwegnimmt.

Nach einem Paukenwirbel bricht ein erbitterter Streit zwischen den Capulet und den Montague vom Zaun. Es rasen die Streicherläufe, scharf erwidert von den Flöten und unterbrochen von aufpeitschenden Beckenklängen. Dann wird es auf einmal ganz ruhig. Rein und unantastbar spielt das Englischhorn die Melodie der Liebenden. Weit über das klassische Schema hinaus ist der Kontrast zwischen erstem und zweitem Thema bis zum Äußersten aufgeladen. Das Kammerorchester, dirigiert von Bertram Schade, kommt mit dem keineswegs einfachen Werk gut zurecht. Nur die plötzliche Rücknahme von Tempo und Intensität gelingt im Eifer des Gefechts nicht perfekt.

In die Fantasie-Ouvertüre der Liebenden, die an ihrer Umgebung zugrunde gehen, legte Tschaikowski, angeregt von seinem Komponistenkollegen Mili Balakirew, sein ganzes Leid. Nach Romeos Tod, dem dramatischen Höhepunkt, angekündigt durch einen Paukenwirbel, endet es wie es begann: mit einer langsamen Trauer-Kantilene in Moll.

Balakirew hatte Alexander Borodin zum Komponieren ermuntert und etwa zur selben Zeit dessen erste Sinfonie uraufführt. Borodin war Chemieprofessor, bekannt wurde er als Komponist aus der Gruppe der Fünf, zu der auch Balakirew Mussorgsky und Rimski-Korsakow gehörten. Die Sinfonie Nr.1 in Es-Dur folgt dem Schema der Sonatenhauptsatzform auf ganz eigene Weise. Sehr agil, voller Synkopen, Offbeats und gegenläufiger Rhythmen, wandern kurze, repetierte Motive hin und her: von den Pauken zu den Holzbläsern und Streichern. Ausgerechnet hier hat das Orchester Schwierigkeiten: Da die Instrumentengruppen nur auf den Dirigenten achteten, wirkte das Ganze nicht immer wie aus einem Guss.

Tschaikowski und Borodin rahmten aber nur den eigentlichen Höhepunkt, Sergej Rachmaninoffs Klavierkonzert Nr. 1 in Fis-Moll. Karin Reitz, die Pianistin, hat in München, Moskau und Kiew studiert und machte russische Komponisten zu ihrem Schwerpunkt. Rachmaninoff tourte als Klaviervirtuose durch die Welt. Doch auch große Komponisten haben klein angefangen. Nachdem er als Kind Klavierunterricht erhalten hatte, war er von der Schule geflogen und hatte den Unterricht am Konservatorium von Sankt Petersburg abgebrochen. Ein Cousin holte ihn im Alter von zwölf Jahren nach Moskau. Kurz bevor er sein Studium mit Auszeichnung abschloss, schrieb er, angeblich in nur zwei Tagen, das Klavierkonzert, in das er seine ganze Leidenschaft legte.

Nach wenigen Akkorden des Orchesters brennt Reitz, von Anfang an in hohem Tempo, wie es sich für ein Vivace gehört, ein wahres Feuerwerk ab. Dabei erschöpft sich Rachmaninoff nicht in Fingerfertigkeit, er bleibt harmonisch reich differenziert und flicht auch in langsame Partien immer wieder kontrastierende Elemente hinein. Das Orchester bleibt im Hintergrund und tritt in lyrischen Passagen, wo die Pianistin abschnittsweise die Hände in den Schoß legen kann, eigenständig hervor. In einer langen Kadenz geht sie bis an die Grenzen ihres beachtlichen Könnens. Auch im zweiten Satz, überschrieben Andante, bleibt die Spannung erhalten. Und im dritten ist die Pianistin noch mal bis aufs Äußerste gefordert. Hoch konzentriert, trotzdem mit Gefühl, zieht sie Publikum wie Orchestermusiker gleichermaßen in Bann und erhält am Ende stürmischen Applaus.