Die lange Tafel aus Einzeltischen interessiert Kinder wie Erwachsene. Foto: Ait Atmane - Ait Atmane

Beim ersten Straßenfest mit verkaufsoffenem Sonntag im Jahr, das in Reichenbach „Frühjahrsputz“ heißt, machten Bürger, Schulen, Kindergärten, Vereine und Einzelhändler gemeinsame Sache: An einer langen Tafel entlang von Haupt- und Bahnhofstraße hieß es mitmachen, mitspielen und sich informieren.

ReichenbachBeim Thema Frühjahrsputz denkt man nicht unbedingt an einen vergnüglichen Nachmittag – es sei denn, man hat Reichenbach im Sinn. Denn da steht der vermeintliche Großputz schon lange fürs erste Straßenfest mit verkaufsoffenem Sonntag im Jahr. Es hatte gestern eine Neuerung aufzuweisen: eine lange Tafel aus 100 Einzeltischen, die sich durch die Haupt- und Bahnhofstraße zog.

Eine ähnliche Tafel gab’s im Vorjahr bei der 750-Jahr-Feier der Gemeinde, erzählt Peter Staib, der Vorsitzende der Werbe-Initiative Reichenbach (WIR). Das Ortsjubiläum habe die Gemeinschaft gestärkt und zusammengeschweißt, darauf wolle man aufbauen. Er freut sich, dass so viele Schulklassen, Kindergärten und Vereine beim Frühjahrsputz mitwirken wie noch nie. Kein einziger Stand komme von auswärts, verrät er, „das sind alles Reichenbacher“.

Überall an den Tischen ist irgendetwas geboten: Essen, Trinken, Informationen und immer wieder Spiele. Die Ganztagsschule ist ebenso mit Brettspielen vertreten wie der Pflegedienst Lavendula, der Mühlesteine und Bauklötze in Grün und Lavendel eingefärbt hat. „Das sind Spiele für Jung und Alt“, sagt Helga Eberle, die gerade einmal mehr von ihrer jungen Gegenspielerin am Mensch-ärgere-dich-nicht-Brett rausgeworfen wurde.

Lilly und Nele bemalen zwei WIR-Taschen, bevor sie zum Kinderschminken weiterziehen. Luis und sein Papa Marcel Schulze bauen einen hohen Turm, am Ende steht der Knirps auf die Bank, um noch ein paar Bausteine draufzulegen. Die Familie ist aus Hochdorf nach Reichenbach geradelt und will vor der Heimfahrt noch gemütlich essen. Viele andere haben es ähnlich gemacht, wie man an den zahlreichen geparkten Rädern sehen kann. Und mancher davon wird vielleicht bei Alexandra Dietrich fündig werden, die mit ihrem Reiseservice einen neuen Trend vorstellt: E-Bike-Reisen weltweit.

Viele Geschäfte haben an diesem Tag geöffnet und präsentieren sich oft auch mit einem Stand im Freien – und mit satten Rabatten. Pausenlos drehen sich die Glücksräder, ob beim Sozialverband VdK, bei der 5a der Realschule, die tolle Preise gesammelt hat, oder bei der Volkshochschule. Deren Leiterin Bettina Hirtz nutzt die Gelegenheit, um bekannt zu machen, dass auch die VHS Lichtenwald jetzt wieder, wie Reichenbach, zur Esslinger Zentrale gehört. Workshops und Kurse bietet auch Raphaela Kälberer an, die ausgebildete Fachberaterin für Bienenprodukte ist: Bei ihr kann man zum Beispiel eins der trendigen Bienenwachstücher herstellen, in denen sich Lebensmittel gut halten.

In jeder Hinsicht ist es ein bewegtes Fest, vom Stelzenlaufen über die „Volleypiade“ des Turnvereins bis zum Torwandschießen – die VfB-Jugend hat eine Leine mit Trikots über die Straße gespannt, damit man sie nicht übersieht. In einer geschützten Ecke unterm Rathausdach motiviert Klaus Wagner mit seinem Kleinunternehmen „Pfeilgenau“ Kinder zum Bogenschießen. Und die Damen von der Betreuungsgruppe der Diakoniestation werfen mit einem Ball: Die Waben der großen, weichen Stoffkugel sind mit Stichworten versehen, die das Gespräch in Gang bringen, so wie auch in ihren Betreuungsgruppen für Senioren.

Holzhasen im Bauchladen

Jessica und Melisa drehen mit dem Bauchladen die Runde und verkaufen Holzhasen und Stoffküken, die die 8a der Realschule hergestellt hat – 90 Minuten „Schicht“ haben sie bis zur Ablösung. „Was gibt das? Was macht ihr?“, fragen zwei Passanten verblüfft, als sie sehen, wie Anna und Katharina einen Biertisch anmalen. Den haben die beiden aus dem Jugendhaus mitgebracht, genau zu diesem Zweck: Aufmerksamkeit erregen. Wer will, darf mitpinseln. Vor allem aber verweisen sie auf die Ausstellung im Jugendhaus in der Seidenstraße. Dort stellen sich Jugendliche und Mitarbeiter mit Fotos und kurzen Texten vor. Sie wollen vor Augen führen, „dass das Jugendhaus wichtig ist und was es den Jugendlichen bedeutet“, erklärt Anna, die dort ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert.

Auch die Geschäfte wirken mit: Lara Nuzziello und Pina Guerra vom Haus der Sinne flechten, stecken und drapieren die Haare von Besucherinnen und sorgen so für manche freudige Überraschung. „Das sind Frühlingsfrisuren, passend zum Frühlingsfest und zum Dirndl.“ Die Musik macht die Band mimmo & friends, bestehend aus „zwei Italienern und einer kleinen Französin“, wie die Sängerin erklärt. Alle tragen bayerische Lederhosen – das ist Europa 2019.