Im Kinderhaus Regenbogen lassen sich die Kinder Duftreis aus fairem Handel schmecken. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Als faire Kita hat sich das Köngener Kinderhaus Regenbogen zertifizieren lassen. Spielerisch lernen die Jungen und Mädchen dort, was sie für eine gerechtere Welt tun können.

KöngenDass Kinder in Entwicklungsländern auf den Reisfeldern bei der Arbeit helfen müssen, macht Charlotte traurig: „Sie gehen nicht in den Kindergarten wie wir.“ Im Kinderhaus Regenbogen in Köngen hat die Kleine beim gemeinsamen Mittagessen gelernt, wie die Beilage angebaut und geerntet wird. Hannelore Dürrwanger und Gerlinde Maier-Lamparter vom Köngener Weltladen haben den Jungen und Mädchen kindgerecht erklärt, dass man Reis aus fairem Anbau kaufen sollte. Dann bekommen die Familien so viel Geld, dass sie ihre Kinder auch zur Schule schicken können. Das Kinderhaus in der Klingenstraße hat sich als „Faire Kita“ zertifizieren lassen – als zweite Kindertagesstätte in ganz Baden-Württemberg.

Darauf ist die Leiterin Sabine Jocher sehr stolz. „Anfangs gab es einige Skepsis in unserem 20-köpfigen Team“, räumt sie ein. Dann aber sei man sich schnell einig gewesen, dass das der richtige Schritt sei. Das Entwicklungspädagogische Zentrum (Epiz) in Reutlingen bietet die Zertifizierung an. Ein bisschen müsse man umdenken, aber inzwischen seien Kinder, Eltern und Erzieher-Team überzeugt von der Idee, sagt Jocher: „Wir müssen schon bei den Kleinen anfangen, Werte zu vermitteln.“ So lege man die Zukunft in die Hände der Kinder.

Sinnliche Eindrücke vermitteln

Was es bedeutet, fair gehandelte Produkte zu kaufen, lernen die „Regenbogen“-Kinder spielerisch. Das Haus orientiert sich an den Grundsätzen der Montessori-Pädagogik. „Das bedeutet, dass wir den Kindern sinnliche Eindrücke vermitteln“, sagt Jocher. Davon lernten sie am meisten. In der Küche dürfen die Jungen und Mädchen eine Kochbanane in den Backofen legen. „Die schmeckt richtig süß“, beurteilt Fiona den exotischen Genuss. Beim Schnippeln von Mangos lernten die Kinder, dass die säuerlichen Früchte von den Philippinen kommen. Da bekommen die Bauern gerechte Preise für das Produkt, das nach Europa exportiert wird.

Kindgerecht vermitteln Dürrwanger und Maier-Lamparter, was es heißt, wenn Menschen in Entwicklungsländern ausgebeutet werden. Die zwei Frauen sind weltweit mit Hilfsorganisationen vernetzt. In griffigen Bildern erzählen sie den Kindern, wie die Menschen in Entwicklungsländern leben. Die Geschichte von den Reisbauern hat die Kinder sehr berührt. Aber sie haben nicht nur Fakten gehört. „Wir haben lila, braunen und gelben Reis in der Hand gehabt“, erzählt Ellen aufgeregt. Mit praktischer Anschauung vermitteln die Mitarbeiterinnen des Weltladens den Kleinen, wie globaler Handel funktioniert. „Das klappt am besten im Spiel“, findet Kindergartenleiterin Jocher. Sie spricht die Kinder auch im Alltag an, um ihnen Werte nahe zu bringen. Wenn ein Kind lange ein Spiel für sich behält und die anderen nicht zum Zuge kommen lässt, hakt sie nach: „Findet ihr das gerecht?“ Über eigenes Erleben könne man den Kindern auch die komplexen Zusammenhänge der globalen Wirtschaft vermitteln.

Besonders glücklich war Sabine Jocher über die Weihnachtsgeschenke des Elternbeirats. „Die haben für uns im Weltladen eingekauft“, sagt sie und strahlt. Inzwischen strickten auch die Mütter und Väter am Konzept „Faire Kita“ mit. Die Pädagogin freut sich, dass die Kinder auch daheim davon erzählen. Manche erinnern ihre Eltern daran, dass man Kakao auch im Weltladen einkaufen kann. Der schmeckt Fiona richtig gut.

Ursula Koch, die bei der Gemeinde Köngen für die Lokale Agenda zuständig ist, hat das Team der Kita im Prozess der Zertifizierung begleitet. Und sie gibt immer wieder Impulse. „Es fängt mit dem Essen an.“ Die rührige Umwelt-Fachfrau besorgt selbst fair gehandelten Reis in großen Säcken. Damit versorgt sie die Küche des Seniorenzentrums in Köngen, die für die Einrichtungen in der Gemeinde kocht. „Im ganzen Haus hat es nach Duftreis gerochen“, schwärmt Sabine Jocher. Da sei es ganz leicht gewesen, die Kinder für das Thema zu begeistern.

Am Eingang des Kinderhauses prangt jetzt das Schild „Faire Kita“. Aber Jocher und ihr Team wollen sich auf den Lorbeeren nicht ausruhen. „Das ist ein stetiger Prozess, wir denken weiter“, sagt die studierte Erziehungswissenschaftlerin. In zwei Jahren werde man sich dem Prozess der Zertifizierung wieder stellen.

Sie hofft, dass auch andere Kindertagesstätten in der Region dem Vorbild folgen und sich zertifizieren lassen. „Ich hätte nicht erwartet, wie sehr das unseren Alltag bereichert“, zieht die Erzieherin Nane Lamparter eine positive Zwischenbilanz des Projekts. Sie findet es schön, dass in Köngen nicht nur die Gemeinde, sondern auch viele Einrichtungen und Organisationen am Projekt „Fair Trade Town“ stricken. Für den Sommer hat das Team des Kinderhauses bereits ein weiteres Thema geplant. Im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland soll es um fair produzierte Fußbälle gehen.

Das Entwicklungspädagogische Informationszentrum (Epiz) hat seinen Sitz in Reutlingen: www.epiz.de