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Wie andere Bergsteiger den 4810 Mont Blanc in zwei bis drei Tagen zu erklimmen, wäre Patrick Geller und Simon Höhn zu langweilig. Sie sind Trailrunner und wollen Europas höchsten Berg in maximal 16 Stunden bezwingen.

Kreis EsslingenVor einem guten Jahr haben sich Patrick Geller aus Lichtenwald, Jahrgang 1990, und Simon Höhn aus Filderstadt, Jahrgang 1996, im Sport- und Fitnessclub Old Samson in Denkendorf getroffen. Dort hatten sie denselben Kurs belegt und entdeckten schnell ihr gemeinsames Interesse: das Trailrunning, also joggen abseits geteerter Wege, am liebsten den Berg hinauf. „Als Kind hat man ja immer irgendwelche Träume“, sagt Simon Höhn, der mit dem Urlaub in den Bergen aufgewachsen ist. „Dann merkt man, der Traum ist realistisch.“ Nun wollen die beiden Trailrunning und Bergsteigen kombinieren und im September den 4810 Meter hohen Mont Blanc bezwingen.

Eine normale Besteigung, die zwei bis drei Tage dauert, wäre ihnen zu langweilig. Sie wollen den Berg so schnell wie möglich und mit minimalem Equipment erklimmen. Maximal 16 Stunden setzen sie sich als Ziel: In dieser Zeit wollen sie es von der Kirche in Chamonix bis auf den Gipfel und wieder zurück schaffen. Schnell auf den Berg hoch ist für sie aber gleichbedeutend mit nichts sehen. „Wenn man den Tunnelblick bekommt, dann wird es gefährlich“, sagte Simon Höhn. „Dann lässt die Konzentration nach.“ Seine Beobachtung: „Beim Wandern schaut man nicht mehr umher als beim Trailrunning.“ Er spricht deshalb vom „gleichen Erlebnis in kürzerer Zeit“.

„Sport küsst Abenteuer“

Die Kunst bestehe darin, sich die Tour richtig einzuteilen: „Man muss mit seinen Kräften haushalten.“ Das Motto der Tour sei „Sport küsst Abenteuer“. Wie ist das, wenn der klassische Bergwanderer vom Trailrunner überholt wird? „Man sieht das immer mehr“, sagt der Wernauer Wolfgang Geller, Vater einer der beiden Trailrunner. „Man gewöhnt sich daran, das ist ein friedliches Miteinander.“ Ein wenig mit gemischten Gefühlen sieht er die Sache schon, sagt aber: „Mein Sohn ist ja auch schon die Zugspitze hoch und heil wieder runter gekommen, die Fitness hat er.“ Simon Höhn mag es, in den Bergen ganz alleine zu sein, schätzt es aber auch, wenn andere mit Getränken oder einem Pflaster aushelfen, weil der eigene Vorrat trotz guter Planung nicht reicht. „Man hilft sich bedingungslos, so wie man sich das in der Gesellschaft auch wünschen würde.“

Die Ausrüstung steht weitestgehend fest. Zu ihr gehört die Gletscherausrüstung mit Gurt, Eisschraube, Steigeisen, Pickel, Seil, drei Karabinern, Seilklemme und Rebschnur. Auch die warme Kleidung ist sehr komprimiert, die Daunenjacke ultrakompakt, dort oben ist an einem guten Tag mit minus fünf Grad Celsius zu rechnen. Umziehen werden sich die Trailrunner am Berg nicht, stattdessen ziehen sie immer nur etwa drüber. Mit im Gepäck ist neben Helm und Erstem-Hilfe-Set auch Viagra. „Das fördert die Herz-Lungen-Funktion“, sagt Simon Höhn. Es senke in großen Höhen das Risiko von Wassereinlagerungen und Ödembildung. Mit Wasser und Proviant sind das alles zusammen etwa sieben bis acht Kilogramm Gepäck, ein normaler Bergsteiger hat mindestens das Doppelte. Mit diesem Gewicht lässt sich noch Joggen. Das leichte Gepäck verlangt aber Verzicht: Es gibt kein Sitzkissen, keine Thermosflasche und keinen Gipfelschnaps. Für die fotografische Dokumentation muss das Smartphone genügen, das auch sonst wichtig ist, etwa für die Wettervorhersage. Internet gibt es auf dem ganzen Berg.

Langsam an die Höhe gewöhnen

Eine Woche vor der Mont-Blanc-Besteigung wollen die beiden in Chamonix anreisen und dort in zunehmender Höhe übernachten. Denn entscheidend für die Akklimatisation sei die Übernachtung. So wollen sie sich schrittweise auf 3500 Meter herantasten. Zu viel laufen wollen sie in dieser Woche nicht mehr, schon gar nicht bergab. „Das gibt nur Muskelkater und geht auf die Gelenke“, sagt Patrick Geller.

Die ersten paar Kilometer der Besteigung bis Les Houches verlaufen recht flach im Tal. Dann beginnt der Aufstieg, der zuerst in die Nähe der Bergstation der „Tramway du Mont Blanc“ führt. Diese Bergbahn sollte ursprünglich einmal bis auf den Berg führen, wurde aber nie vollendet. Dann geht es weiter über die Gouter Route. Das sei die einzige, die man mit so wenig Equipment machen könne, sagen die beiden. Der September sei optimal, mit häufig sehr stabilem Wetter und am wenigsten Schnee. Und wenn das Wetter nicht mitspielen oder sonst etwas passieren sollte, gibt es auf 4200 Metern eine Biwakschachtel, auf 3800 Metern eine bewirtschaftete und beheizte Hütte. Auch weiter unten gibt es Refugien, und zur Not könnten die beiden mit dem Zug von Les Houches nach Chamonix zurückfahren.

Bevor es losgeht, muss Patrick Geller noch seine Bachelor-Arbeit zu Ende bringen, er studiert Werbung und Marktkommunikation. Simon Höhn hat gerade seine Ausbildung zum Bankkaufmann beendet. Dort haben ihm nicht die Berge, aber die Technik gefehlt. Also beginnt er gleich nach der Mont Blanc-Tour mit dem Studium der Elektrotechnik.