Nach Unfällen müssen die Retter schnell am Einsatzort sein, oft kommen sie aber kaum durch. Foto: SDMG - SDMG

Es geht um jede Minute: Bei einem Unfall müssen die Einsätzkräfte schnell vor Ort sein. Doch oft bilden die Autofahrer keine Rettungsgasse oder sie wird von Dränglern verstopft – mit dramatischen Folgen.

Kreis EsslingenBei schweren Unfällen müssen Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste rasch an den Unfallort gelangen. Ein Unfall auf der Autobahn bei Holzmaden ist nur ein Beispiel dafür, dass es für die Retter das Durchkommen immer schwieriger wird, weil die Rettungsgasse nicht frei ist. Dieses Problem „gibt es schon seit Jahrzehnten“, weiß Ronald Schultheiß, Kommandant der Feuerwehr in Kirchheim und stellvertretender Kreisbrandmeister. Kreisbrandmeister Bernhard Dittrich pflichtet ihm bei: „Der Egoismus auf den Autobahnen in Deutschland führt dazu, dass jeder versucht, schneller ans Ziel zu gelangen. Da versucht man oft, auch im Stau noch andere zu überholen.“ So passiert es, dass Verkehrsteilnehmer zwar Rettungsgassen bilden, diese aber irgendwo durch Drängler verstopft sind. Prekär werde es, wenn selbst Lastwagenfahrer „auf die linke Spur ausscheren und andere Lastwagen überholen wollen“, schimpft Dittrich.

Bei Stau gilt es, eine Gasse für die Einsatzfahrzeuge zu bilden: Mindestens zwei Meter Abstand zum vorderen Fahrzeug, Fahrer auf der linken Spur weichen nach links aus, die auf der mittleren und rechten nach rechts. Spurwechsel sind untersagt. Die Insassen müssen im Fahrzeug bleiben und dürfen nicht aussteigen. In der Regel fährt nicht nur ein Rettungsfahrzeug durch die Rettungsgasse. „Wir beobachten, dass die freie Spur für die Fahrzeuge der Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste nach der Durchfahrt des ersten Einsatzwagens wieder geschlossen wird“, sagt Dittrich. Meist kommen die größeren Feuerwehrfahrzeuge aber später. Es werde oft zur Millimeterarbeit für die Fahrer, um durch die Rettungsgasse zu kommen.

Wenn man sich auf der Autobahn vorwärts kämpfe, „ist dies ein absoluter Stressfaktor“, berichtet Schultheiß aus Erfahrung. Der Zeitdruck erhöhe den Stress noch. Die Notfallnachsorge kümmert sich deshalb nicht nur um die Angehörigen von Opfern, sondern auch um die Einsatzkräfte. Oft kommt bei Rettern Wut auf, erzählt Stephan Mahl. Er war als Rettungsassistent oft Fahrer für Notärzte des DRK. „Man will Leben retten, helfen und sichern, aber Autofahrer versperren den Weg.“ Er wünscht sich ein Überholverbot für Lastwagen auf Autobahnen. Doch nicht nur Lastwagen behindern die Retter. „Smartphones in den Autos lenken vom Verkehr ab“, sagt Dittrich. Besonders im Stau hantierten viele damit, hörten die Sondersignale nicht und achteten nicht auf den nachfolgenden Verkehr. „Oft stehen wir praktisch mit Martinshorn und Blaulicht direkt hinter den Fahrzeugen und werden nicht gehört. Wenn uns dann die Lenker bemerken, erschrecken sie und reagieren genau in dem Moment falsch“, ergänzt Schultheiß. Wer im stockenden Verkehr unterwegs ist, fährt meistens dicht auf. Dittrich rät: „Mindestens zwei Meter Abstand zum vorderen Fahrzeug halten, das hilft beim Rangieren.“

Vor wenigen Monaten hat der Bundesrat die Strafen für Autofahrer, die keine Rettungsgasse bilden, auf mindestens 200 Euro verzehnfacht. Im schwersten Fall sind es 320 Euro, verbunden mit einem Fahrverbot. Aber was nutzen hohe Strafen, wenn Vergehen kaum geahndet werden? „Wer soll das kontrollieren?“, fragt Kreisbrandmeister Dittrich. Feuerwehrleute seien keine Hilfssheriffs und hätten im Notfall anderes zu tun. „Die anfahrenden Polizeibeamten müssen sich meist auch durch den Verkehr kämpfen, aber wollen auch schnellstmöglich am Einsatzort sein.“ So bleiben Behinderer der Rettungsgasse meist ungesühnt.

In anderen Ländern wie in den USA seien Rettungskräfte mit Dashcams ausgestattet. Damit dokumentierten sie Fehlverhalten. Für Dittrich und Schultheiß wäre eine „Fireline“ eine Lösung – eine Spur, die für Einsatzfahrzeuge reserviert ist. Schnelle Lösungen sind aber nicht in Sicht. Es bleibt nur, an die Vernunft der Verkehrsteilnehmer zu appellieren. „Fahrzeuge mit Sondersignalen – Blaulicht und Martinshorn – haben in jedem Fall Vorrang. Das heißt, Platz machen“, fordert Dittrich. An manchen Autobahnbrücken gibt es bereits Transparente, die auf die Bildung der Rettungsgassen hinweisen. Auch die Leitsysteme auf den Autobahnen könnten genutzt werden. „Wenn wir da Piktogramme einsetzen, verstehen die Hinweise auch ausländische Verkehrsteilnehmer“, meint Dittrich.

Ein Filmbeispiel des ADAC gibt es unter: www.youtube.com/watch?v=WfiLITNZudE