Geschafft: Ein Praktikumsp Foto: oh - oh

Fachkräftemangel und dennoch kein Praktikumsplatz? Ein Lehrer berichtet von den erfolglosen Erfahrungen seines Schützlings.

Kreis EsslingenFachkräftemangel, Probleme bei der Besetzung neuer Stellen sowie Nachwuchssorgen in vielen Berufen und Branchen auf der einen Seite und die vergebliche Suche nach einem Praktikumsplatz auf der anderen. Ein Widerspruch? Erklärungen von Betroffenen und Experten.

Praktikum? Fehlanzeige! Bernd Riedel schüttelt noch immer den Kopf, wenn er an die frustrierenden Erfahrungen bei der Suche zurückdenkt. Der Rentner gibt ehrenamtlich Stützunterricht für Flüchtlinge beim Internationalen Bund im Dick-Areal in Esslingen, und in dieser Funktion unterstützt er die jungen Erwachsenen bei Ausbildungs- und Berufswahl. Für einen 23-jährigen Schwarzafrikaner aus Gambia, so erzählt Bernd Riedel, wollte er einen Praktikumsplatz in einem Malerbetrieb finden: „Der junge Mann hatte sogar Vorkenntnisse, weil er in seinem Heimatland bereits als Malergehilfe gearbeitet hatte“. Darum suchte er die Adressen von 15 Betrieben aus dem Internet heraus: Zehn Angeschriebene meldeten sich gar nicht, die restlichen fünf Betriebe sagten ab. Die Gründe: keine freie Praktikantenstelle, alle Lehrstellen bereits besetzt, Angst vor zu vielen Behördengängen sowie fehlende Deutsch- und Fachkenntnisse. Ein Verhalten, das Bernd Riedel wundert: Schließlich seien von etwa 3500 Ausbildungsstellen im Landkreis Esslingen im Juni noch gut 1600 unbesetzt gewesen.

Die erfolglose Suche nach einem Praktikumsplatz kann nach Angaben von Experten viele Gründe haben. Britta Schnabel von der IHK Region Stuttgart Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen verweist darauf, dass nur eine begrenzte Anzahl an Praktika zur Verfügung steht, die Nachfrage gerade zu beliebten Zeiten sehr hoch ist, und Angebote daher bereits vergeben sein können. Und: „Praktika sind für beide Seiten zeitaufwendig.“ Gerade zu Zeiten voller Auftragsbücher hätten manche Betriebe keine Kapazitäten für die Betreuung von Praktikanten frei.

Jens Schmitt, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Esslingen-Nürtingen, verweist zudem auf die nötige Flexibilität und Schnelligkeit bei der Praktikumssuche: „Die Praktikumsangebote sind zahlreich. Doch man muss schnell sein, denn ein Betrieb, in der Regel Kleinst- und Kleinbetriebe, bietet oft mehrere Praktika an. Jedoch nicht zeitgleich, sondern nacheinander. Schließlich muss die Praktikumszeit geplant werden, die Betreuung während der Zeit gesichert sein.“

Mit Blick auf die Praktikumssuche von Flüchtlingen müssen zusätzliche Punkte beachtet werden, so Jens Schmitt. Von höchster Bedeutung sei der geklärte Aufenthaltsstatus: „Nicht weniger wichtig ist die Sprachqualifikation. Gerade für ein kurzes Praktikum müssen hier gute Grundlagen vorhanden sein, damit der Praktikant viel mitnehmen kann.“ Sein Rat: „Unsere Betriebe stehen in Kontakt zur Ausländerbehörde, uns und einem kompetenten Team bei der Handwerkskammer, das sich um die Integration von Geflüchteten kümmert. Wer das noch nicht gemacht hat und beabsichtigt, Geflüchtete für ein Praktikum einzustellen, sollte sich unbedingt mit den genannten Stellen in Verbindung setzen, um die Rahmenbedingungen vorher abzuklären.“

Kein Glück bei der Praktikumssuche? Markus Knorpp, Leiter der Berufsberatung in der Arbeitsagentur Esslingen, führt das neben dem engen Zeitbudget der Betriebe in wirtschaftlich florierenden Zeiten auch auf die veränderten Lehrpläne und Unterrichtsinhalte sowie den früheren Start der Berufsorientierung an den Schulen zurück. Dadurch seien die Schüler verpflichtet, mehr Praktika zu machen – und das würde zu Engpässen führen. Zudem würde der Eintritt in eine Ausbildung zu einem immer späteren Zeitraum erfolgen, Jugendliche seien zu Beginn ihrer Lehre durchschnittlich 19 Jahre alt und hätten dadurch eine längere Schulkarriere hinter sich, in der zahlreiche Praktika verpflichtend zu leisten seien. Oft würden auch noch freiwillige Praktika absolviert. Hier wäre zu überlegen, so der Experte, ob es immer Sinn mache, eine weiterführende Schule zu besuchen oder der Start einer Ausbildung nach Haupt- oder Realschule nicht zielführender wäre.

Vermehrt würden sich auch Flüchtlinge um Praktikastellen bewerben: 2014 hatte es laut Markus Knorpp drei VABO-Klassen mit Flüchtlingen im Landkreis Esslingen gegeben, vor ein, zwei Jahren habe sich die Zahl vervierfacht. Bei der Vergabe von Praktika kämen bei Flüchtlingen zudem noch weitere Unsicherheiten wie der Aufenthaltsstatus hinzu.

Tipps für die Praktikumssuche

Vor einem Praktikum sollte sich der Suchende überlegen: Was macht mir Spaß? Wo liegen meine Interessen? Welche Berufe, welche Unternehmen passen zu mir? Videos zu Ausbildungsberufen gibt es laut IHK unter www.gut-ausgebildet.de. Erste Orientierungshilfen gibt es auch bei der Agentur für Arbeit unter https://set.arbeitsagentur.de/teaser sowie der Handwerkskammer unter https://handwerk.de/berufechecker oder www.berufsprofiling.de.

Die beste Zeit zur Bewerbung um einen Ausbildungsplatz ist ein Jahr vor Beginn. Bei einem Praktikum sind die Fristen etwas kürzer. Doch eine frühzeitige Kontaktaufnahme ist sinnvoll. Adressen für die Suche sind www.ihk-lehrstellenboerse.de, die Jobbörse der Agentur für Arbeit oder der Lehrstellenradar der Handwerkskammer Region Stuttgart. Eine gute Anlaufstelle sind auch die Bildungspartner der Schulen, die oft Praktikumsplätze für „ihre“ Schüler anbieten.

Regeln: Bei der Bewerbung um einen Praktikumsplatz gelten ähnliche Regeln wie bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. Wichtig ist es, so Markus Knorpp von der Arbeitsagentur, persönliche Interessen, Fähigkeiten und Stärken herauszustreichen und sie mit einem Beispiel zu untermauern. Etwa im Sinne von „Ich habe eine hohe Sozialkompetenz, denn ich spiele in einem Fußballverein“.

Flüchtlingen empfiehlt der Experte, möglichst mit einer Mappe bei einem Betrieb zu erscheinen. Zu den zu zeigenden Unterlagen gehören Schreiben mit Blick auf den Aufenthaltsstatus und ein Ansprechpartner bei der Ausländerbehörde, Nachweise über Sprachkenntnisse und weitere Fähigkeiten sowie Empfehlungsschreiben. Markus Knorpp rät, erst nach Erwerb des B1-Sprachniveaus nach einem Praktikumsplatz zu suchen.