Im Kühlraum der Schumacher GmbH in Filderstadt stapeln sich die Kisten mit Papayas. Von dort aus werden Geschäfte in ganz Deutschland mit frischer Ware beliefert. Quelle: Unbekannt

Helmut Lutz baut in Ghana erfolgreich Papayas und Ananas exklusiv für Deutschland an. Krautbauer wie sein Vater wollte der 58-Jährige aus Filderstadt nicht werden. Für ihn wurde Afrika zum „Wilden Westen“.

FilderstadtBauer wollte Helmut Lutz nie werden. Das war sein Vater, der Kraut auf den Fildern anbaute. 30 Jahre bei Daimler am Band stehen und dann eine goldene Uhr dafür bekommen, wollte er auch nicht. «Die goldene Uhr kann ich mir selber kaufen», sagt er. Ihn zog es in die Ferne. Gelandet ist er in Afrika. Und er hat dort eine Farm: In Ghana baut Lutz Papayas an – und beliefert über den Vertrieb eines alten Freundes in Filderstadt ganz Deutschland. Er trifft den Geschmack der Deutschen für exotische Früchte.

„Afrika ist wie der Wilde Westen“, sagt der 58-Jährige aus Filderstadt. Seine Tropigha Farm liegt rund vier holprige Autostunden nördlich der Hauptstadt Accra in der Volta-Region. In allen Richtungen stehen sattgrüne Palmen. Die Staubstraßen sind nachts in tiefe Dunkelheit gehüllt, nur das laute Zirpen der Grillen ist zu hören. Es wirkt Welten entfernt vom Ländle. Auf 200 Hektar produziert Lutz dort Papayas und Ananas nur für den deutschen Markt. Im Jahr exportiere er 500 bis 1000 Tonnen Papayas in die Heimat.

Die Deutschen finden immer mehr Gefallen an Südfrüchten. 2011 wurden 7895 Tonnen Papaya importiert, 2015 waren es nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung 12 259 Tonnen. Vor allem Mangos und Avocados werden immer beliebter, wie Helwig Schwartau von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft sagt. Das liege daran, dass das Obst reif für den Verzehr im Handel zu finden ist. Da Südfrüchte meist drei bis vier Wochen auf See unterwegs sind, müssen sie unreif geerntet werden, erklärt Schwartau. Früher seien sie auch unreif im Handel gelandet, was bei Kunden nicht gut angekommen sei. Inzwischen werde das Obst aber in Deutschland vorgereift, bevor es verkauft wird. Diese Früchte seien zwar 30 bis 40 Prozent teurer. Aber: „Konsumenten in Deutschland legen immer mehr Wert auf Geschmack und sind auch bereit, den Preis dafür zu zahlen.“

Das müssen sie bei Papayas von Helmut Lutz auch sein. Denn sein Obst wird nicht per Schiff, sondern mit Luftfracht nach Deutschland transportiert. Die Früchte werden geerntet und noch am gleichen Tag auf Lastwagen zum Flughafen in Accra gebracht. Am nächsten Tag seien sie schon in Brüssel oder Luxemburg, dann würden sie zum Vertrieb nach Filderstadt gebracht, sagt Friedhelm Balmes. Innerhalb von 48 Stunden liege das Obst im Supermarkt, als würde man es „im Urlaub in Costa Rica oder Ghana kaufen“. Balmes leitet zusammen mit Fritz Schumacher – einem alten Freund von Helmut Lutz – das Unternehmen, das exklusiver Abnehmer aller Produkte der Tropigha Farm ist.

Somit seien seine Papayas zwar teurer als die der Konkurrenz, gibt Lutz zu. Doch Balmes ergänzt, der schnelle Transport habe den Vorteil, dass man flexibel auf Kundenwünsche reagieren könne. Derzeit kommen die meisten importierten Papayas noch aus Brasilien, 2015 nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung 8932 Tonnen. Mit 807 Tonnen lag Ghana an dritter Stelle – und in dem westafrikanischen Land sei seine Tropigha Farm der größte Papaya-Exporteur, sagt Lutz.

Damit auf der Farm alles wie am Schnürchen läuft, musste Lutz einige schwäbische Tugenden importieren. Eigentlich war ihm die Heimat immer zu ordentlich und reglementiert. „Ein Schild hier, ein Schild da!“ Doch im tiefsten Ghana führt er seinen Betrieb strikt nach schwäbischer Manier. „Früher beim Daimler haben mir viele Sachen gestunken, zum Beispiel die Pünktlichkeit“, sagt der 58-Jährige, der einst bei dem Autobauer eine Ausbildung machte. Heute weiß er: Ohne geht’s nicht. „Das Cargo muss pünktlich ankommen.“

Mit seinen rund 150 Mitarbeitern ist er streng. Zu oft zu spät kommen – das gibt eine Mahnung. Im Feld fahre er oft mit einem kleinen Elektrowagen herum, „so hören mich die Mitarbeiter nicht, die im Feld schlafen“. Doch für die harte Arbeit bekämen sie auch die Überstunden bezahlt, haben Urlaubsanspruch und erhalten fast den doppelten Mindestlohn. Die Farm sei einer der wichtigsten Arbeitgeber in der Region, indirekt sorge sie für 10 000 Menschen, sagt Balmes.

Dass sich harte Arbeit lohnt, hat Lutz von den Eltern gelernt. „Wenn du gut schaffst, kriegst du gutes Geld.“ Bereits jetzt bietet er seine Produkte geschält, geschnitten und einzeln verpackt an. Der Trend gehe in Deutschland bei exotischen Früchten dahin, berichtet Schwartau. Zudem will Lutz zusammen mit dem Vertrieb von Schumacher neue Märkte erschließen und Produkte entwickeln. 200 Hektar Land seien noch ungenutzt. „Wir suchen nach Produkten, die für die Großen nicht so attraktiv sind“, erklärt er. Derzeit überlege er, Stachelannone, auch Sauersack genannt, anzubauen. Ob das bei deutschen Kunden ankommt, muss sich zeigen.

Trotz der vielen Jahre in Ghana und etlichen exotischen Früchte direkt vor der Nase – zu Hause bei Helmut Lutz wird schwäbisch gekocht. Er habe dem „Hausmädle“ gezeigt, wie man Spätzle und Maultaschen zubereitet. „Da steh ich zu. Da bin ich arg Schwab.“