Foto: Ait Atmane - Ait Atmane

Menschen in Bewegung bringen und damit die Welt verändern: Das ist der Gedanke hinter dem „Gang-Gyok-Tag“, der gestern zum dritten Mal in verschiedenen Ländern weltweit praktiziert wurde. Der buddhistische Meister Tulku Lobsang hat ihn ins Leben gerufen und vermittelt damit eine alte tibetische Lauftechnik. Während der Meister gestern in Barcelona rannte, fanden sich in Plochingen etwa 25 Leute zum gleichen Zweck zusammen.

Von Karin Ait Atmane

Plochingen - Kurz vor zehn Uhr trifft man sich auf dem Plochinger Bruckenwasen. Rund die Hälfte der Teilnehmer hat in der Zeitung vom Gang-Gyok-Tag gelesen und weiß nicht recht, was sie erwartet: eine Art Gehmeditation oder doch eher sportliches Rennen? Immerhin wird Gang Gyok als „Praxis der schnellen Füße“ übersetzt. „Jeder, wie er kann und will“, beruhigt Ute Schaber. „Man muss nicht joggen, aber man darf - und man kann genauso gehen oder walken.“ Schaber ist Inhaberin der Vitaloase Nyima in Plochingen und hatte schon öfter Tulku Lobsang zu Gast. Der Meister und Arzt in tibetischer Medizin sieht in den alten Techniken seines Volkes viele Ansatzpunkte, um Menschen in der heutigen Alltagshektik zu helfen und ihnen Energie zu schenken.

Die Gruppe ist bunt gemischt: Es sind Menschen dabei, die etwas erschrocken auf die vielen Jogging-Schuhe schauen und andere, die regelmäßig über den Fußballplatz oder durch den Wald rennen - und dabei vermutlich nicht mit wisperndem Geräusch den Atem einziehen und vier Fingerbreit unterhalb ihres Bauchnabels anhalten. Die Teilnehmer tun das jetzt, und so abstrakt es klingt, so richtig fühlt es sich an.

Wie beim Yoga sind Stille und Achtsamkeit wichtige Prinzipien des Gang Gyok. „Man hat seinen Blick in die Weite gerichtet, achtet auf das Gehen und ist auf sich selbst konzentriert“, erklärt die Trainerin. Das ist für Menschen, die sonst mit scheppernden Walkingstöcken und sich laut unterhaltend durch den Wald ziehen, ungewohnt, und auch Jogger reden gern nebenbei, um das passende Tempo zu finden. Ungewohnt ist zudem die vorgegebene Handhaltung: Ring- und Mittelfinger abgeknickt und mit dem Daumen festgehalten, Zeige- und kleiner Finger gestreckt, ähnlich wie ein Stierkopf. Die letzte Anweisung heißt: Am Anfang 21 relativ flotte Schritte lang die Luft anhalten, dann den Atem fließen lassen und lockerer werden. Und weg ist die Gruppe.

Manche rennen, manche walken übers Gelände, auf dem reger Radfahrer- und Fußgängerverkehr herrscht. Das macht es nicht einfach, sich dabei auf sich selbst zu konzentrieren. „Mir ist es sehr schwer gefallen, die Umgebung auszublenden“, erzählt Heike Clauß später, „aber die Handhaltung hat dabei geholfen“: Sie habe Konzentration und Ausrichtung nach vorne gebracht. Nina Schaber, Anfang 20, stellt fest, dass die Körperspannung höher war als sonst beim Joggen. „Es hat mir gut getan, ein bisschen bewusster wahrzunehmen und nicht nur einfach drauf los zu gehen“, sagt Helga Gründel, während ihr Mann es genoss, „hinterher wieder zur Stille zu kommen“. Denn das ist der letzte Teil des Gang Gyok: Einige Minuten meditieren oder einfach in der Natur versinken. Für die Jüngeren ist das der größte Unterschied zum sonstigen Sport - und sei vielleicht das Beste gewesen, finden Sven und Tobias: „Da kommt man richtig zur Ruhe.“

So hat an diesem Tag zwar niemand das Laufen neu gelernt, aber einige haben doch die Perspektive gewechselt: Yoga-Geübte haben einen Laufrhythmus gefunden, sportlich Trainierte einen Moment der Stille. Ein bisschen ist dabei in Bewegung gekommen, ein wenig davon bleibt vielleicht - und nächstes Jahr ist wieder Gang-Gyok-Tag.