Die Homepage des Vereins gibt es noch, aber ohne Vermögen ist er nicht mehr handlungsfähig. Foto: Harald Flößer - Harald Flößer

Der Lichtenwalder Krankenpflegeverein hat keine wirkliche Aufgabe mehr und nun ist auch noch sein komplettes Vermögen futsch. Daher steht der Verein nun vor der Auflösung.

LichtenwaldWas tun mit einem Verein, der keine wirkliche Aufgabe mehr hat und bei dem nun auch fast das komplette Vermögen weg ist? Er werde als kommissarischer Vorsitzender in der nächsten Mitgliederversammlung vorschlagen, den Krankenpflegeverein aufzulösen, sagt Lichtenwalds Bürgermeister Ferdinand Rentschler. Die Machenschaften seines früheren Kämmerers, der sich über Jahre aus der Gemeindekasse bedient hatte und dafür im Mai 2019 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden war, hatten auch den Förderverein für Krankenpflege und soziale Dienste in Lichtenwald, wie er offiziell heißt, ins Trudeln gebracht. Denn der mittlerweile vom Dienst suspendierte 64-Jährige nutzte die Konten des Vereins nicht nur für seine kriminellen Transaktionen, sondern scheint auch das Vermögen veruntreut zu haben.

Wie groß der finanzielle Schaden wirklich ist, können weder Rentschler noch der für eine Prüfung eingesetzte Steuerberater sagen. Nur so viel ist laut Rathauschef nachzuvollziehen: Die Summe der dubiosen Abbuchungen von den Vereinskonten beträgt um die 200 000 Euro. Das verlorene Geld gerichtlich einzutreiben, ist schwierig. Aber der Bürgermeister hofft, dass die Gegenseite, sprich sein verurteilter Kämmerer und dessen Rechtsanwalt einlenken und zu einem Vergleich bereit sind. Ob der Verein jemals noch etwas von seinem verlorenen Geld erhält, ist fraglich. Denn der frühere Finanzchef der Gemeinde hat, wie er in der Gerichtsverhandlung berichtete, alles verloren, auch seine Pensionsansprüche, und muss nun von einer relativ schmalen Rente leben. Wichtig sei, einen sogenannten Titel zur Zwangsvollstreckung zu bekommen, sagt Rentschler. Eine außergerichtliche Einigung käme dem amtierenden Vereinschef auch deshalb gelegen, weil der Verein gar nicht die Mittel hat, um gegen den früheren Kämmerer zu prozessieren. Dafür müsste das für den Fall zuständige Landgericht Ulm Prozesshilfe gewähren. Und danach sieht es im Augenblick nicht aus.

Um welche Summen der 64-Jährige die Gemeinde betrogen hat, konnte das Gericht wegen der Verjährungsfrist von zehn Jahren nicht wirklich klären. Nachweisen konnte man ihm nur, dass er im Zeitraum von August 2012 bis zum Mai 2017 insgesamt rund 274 000 Euro in sieben Tranchen zwischen 9600 und 97 000 Euro von der Gemeindekasse abgezweigt und in die eigene Tasche gesteckt hatte, unter anderem, um damit seine Spielsucht zu finanzieren. Doch ist das vermutlich nur die Spitze des Eisbergs. Denn der Ex-Kämmerer, der fast 40 Jahre für die Gemeinde arbeitete, hat sich nach Angaben eines Kriminalbeamten, der beim Prozess als Zeuge gehört wurde, schon seit 2006 an öffentlichen Geldern bereichert. Doch die dabei unter anderem veruntreuten rund 103 000 Euro sind bereits verjährt.

Wie groß der tatsächliche Schaden für den Verein für Krankenpflege und soziale Dienste ist, lässt sich ebenfalls nicht feststellen. „Wir kennen den Anfangsbestand der Konten nicht“, sagt Rentschler. Es gebe keine Aufzeichnungen, keine Bücher. „Alles ist weg.“ Lediglich ein paar Kontoauszüge lägen noch vor. Insgesamt verfüge der Verein noch über einen „vierstelligen Betrag“. Die genaue Summe will der Rathauschef nicht nennen. „Aber das ist so gut wie gar nichts mehr.“ Rentschler kann sich noch an die Mitgliederversammlung vom November 2016 erinnern, als Pfarrerin Tamara Besserer, die sich zur Zeit in Elternzeit befindet, zur neuen Vorsitzenden gewählt wurde. Da habe der Kassenbestand des Krankenpflegevereins etwa 107 000 Euro betragen. Damals habe man darüber gesprochen, wie man das Geld sinnvoll verwenden könne. Die Idee, damit einen halböffentlichen Raum als Begegnungsstätte im geplanten Pflegeheim zu finanzieren, „fanden alle sehr toll“, berichtet Rentschler. Das sei erst mal nur eine Idee gewesen, aber das wäre ein gutes Projekt gewesen, das der Förderverein mit seinem Vermögen hätte finanzieren können.

Über Jahrzehnte war die Pflege der Kranken in der Gemeinde das zentrale Anliegen des Krankenpflegevereins. Frauen wurden als Krankenschwestern angestellt, oftmals war das Diakonissen. Doch ab Ende der 1980er-Jahre änderten sich die Rahmenbedingungen. Laut Gesetz mussten mindestens drei Pflegefachkräfte und eine Pflegedienstleitung beschäftigt werden. Da dies vielerorts nicht möglich war, entstanden flächendeckend Diakonie- und Sozialstationen.

Für die Gemeinden Hochdorf, Lichtenwald und Reichenbach wurde 1994 eine eigene Diakoniestation gegründet. Anfangs lief diese unter der Trägerschaft der evangelischen St.-Mauritius-Gemeinde Reichenbach, seit 2008 firmiert die Diakoniestation Untere Fils als eigenständiger kirchlicher Verband. Die Krankenpflegevereine, die, wie erwähnt, nur noch als Fördervereine existieren, sind heute gemeinsam mit den bürgerlichen Gemeinden und den Kirchengemeinden Träger der Diakoniestation. 50 Prozent ihrer Mitgliedsbeiträge kommen als Förderbetrag der Diakoniestation zugute.