Das Gemeindehaus in der Hermannstraße Foto: /Karin Ait Atmane - /Karin Ait Atmane

Dass die evangelische Kirchengemeinde Plochingen das Dietrich-Bonhoeffer-Haus verkaufen will, hat die Nutzer aufgeschreckt. Es gibt keine Alternative.

PlochingenEin „Weiter so“ kann es nicht geben: Das steht für die evangelische Kirchengemeinde Plochingen in Bezug auf ihre Immobilien fest. Sie besitze zu viele davon und müsse aus finanziellen Gründen den Bestand reduzieren. Darum, speziell aber ums Dietrich-Bonhoeffer-Haus, das in drei Jahren verkauft werden soll, ging es am Donnerstag bei einem Pressegespräch mit Pfarrer Gottfried Hengel und dem Kirchengemeinderatsvorsitzenden Gerhard Nölle.

Die Kirchengemeinde hat den Dienstbarkeitsvertrag mit der Stadt, die über den Jugendtreff place2b am Dietrich-Bonhoeffer-Haus beteiligt ist, gekündigt. Das musste sie mit drei Jahren Vorlauf tun; der Verkauf wäre also ab 2023 möglich. Aber warum soll gerade dieses Haus aufgegeben werden, das als jüngstes Gebäude der evangelischen Kirchengemeinde doch relativ wenig Kosten verursacht? Mit dem Haus an sich habe das gar nichts zu tun, betont Pfarrer Hengel, und der offene Treff leiste sehr gute Arbeit, „das sehen wir sehr wohl“.

Schon seit langem stehe aber fest, dass die Plochinger Kirchengemeinde ihren hohen Gebäudebestand reduzieren müsse. Deshalb habe der Gemeinderat eine Prioritätenliste erstellt, mit dem Ergebnis: Die beiden Kirchen stehen ganz oben, eine von ihnen aufzugeben, könne nur der letzte Ausweg sein. Und das Gemeindehaus in der Hermannstraße sei „für die Gemeindearbeit unverzichtbar“, da finde am meisten statt. „Das sind die drei Basics, die wollen wir so lange wie möglich halten“, sagt Hengel. Darüber hinaus blieben nicht viele Möglichkeiten. Wenn die derzeit noch mit 50 Prozent angesetzte dritte Pfarrstelle wegfällt – das ist für 2024 vorgesehen – werde das zugehörige Pfarrhaus in der Tannenstraße verkauft. Die beiden anderen Pfarrhäuser, auf dem Kirchberg und dem Stumpenhof, müssen gehalten werden, solange es Pfarrstellen dazu gibt.

Die Kosten fürs Dietrich-Bonhoeffer-Haus hätten bei diesen Überlegungen keine Rolle gespielt, der Gebäudebestand müsse einfach verringert werden, sagt auch Gerhard Nölle. Er betont, dass diese Überlegung keineswegs neu seien, sondern schon im Immobilienkonzept von 2012 gestanden hätten. Deshalb habe man einen Anlauf genommen, das Dietrich-Bonhoeffer-Haus auf die CVJM-Jugendstiftung zu übertragen. Dagegen legte aber der Oberkirchenrat sein Veto ein, der einen Erlös für das Gebäude sehen wollte. Auch die Vermietung von Räumen im Dietrich-Bonhoeffer-Haus an die Werkstätten Esslingen-Kirchheim war schon in der Diskussion. Sie hätte die Einnahmen deutlich erhöht, kam aber wegen der erforderlichen Investitionen nicht zustande.

„Wir haben immer versucht, eine gute Lösung zu finden und alle mitzunehmen“, sagt Nölle. Aber am Ende gehe es nicht ohne Schmerzen – das sei immer so, wenn man sich von Räumen trenne. Die Finanzlage der Plochinger Kirchengemeinde ist schlecht, 2018 konnte sie erstmals ihren Haushalt nicht ausgleichen und bekam deshalb Auflagen vom Oberkirchenrat. Ein Grund für die Finanzmisere ist die sinkenden Zahl der Gemeindeglieder, die rückläufige Steuereinnahmen zur Folge hat. Hatte die evangelische Kirche in Plochingen im Jahr 2001 noch 5300 Gemeindeglieder, seien es derzeit 4100, berichtet Pfarrer Hengel, wobei der Schwund in erster Linie durch Sterbefälle entstehe. Die Plochinger sind damit nicht allein, sondern mitten im Trend der evangelischen Gemeinden.

Hinzu kommt, dass der Kirchenbezirk Esslingen ein neues Steuer-Verteilmodell entwickelt hat, bei dem die Kirchengemeinde Plochingen auf der Verliererseite steht: Sie erhält deutlich weniger Geld als vorher. Die Einschnitte seien in den vergangenen Jahren nicht so gravierend ausgefallen, weil die boomende Wirtschaftslage auch die Kirchensteuer sprudeln ließ, erklärt Nölle. Aber davon dürfe man sich nicht täuschen lassen.

Dem gegenüber steht der hohe Immobilienbestand der Gemeinde (siehe nebenstehenden Kasten) und die Unterhaltskosten dafür. „Um die verbleibenden Gebäude in Schuss zu halten, ist Konzentrierung einfach notwendig“, betont der Pfarrer. Jetzt gehe es darum, eine Lösung zu finden – eine, so Nölle, mit der man den Jugendtreff place2b als „gut funktionierende Einrichtung weiterführen kann“. Erster Ansprechpartner für die Kirchengemeinde ist die Stadt, mit der im Januar Gespräche stattfinden sollen. „Die Situation sitzt uns im Nacken, da gibt es wenig zu drehen“, sagt Hengel und hofft auf die Gesprächs- und Kompromissbereitschaft aller Beteiligten. Die Gemeinde werde aktiv, um handlungsfähig zu bleiben.

Immobilien der evangelischen Kirchengemeinde

Stadtkirche auf dem Kirchberg mit Pfarrhaus und Pfarrscheuer: Die Stadtkirche soll 2020/21 für einen sechsstelligen Betrag saniert werden. Dafür wurden Spenden gesammelt. Im Pfarrhaus sind Verwaltungsbüros und ein kleinerer Gemeindesaal untergebracht.

Gemeindehaus in der Hermannstraße: In ihm steckt besonders viel Gemeindeleben, auch der CVJM nutzt die Räume intensiv. Das Kinderhaus am Dettinger Park ist direkt angegliedert und aus der Zusammenlegung zweier Vorgänger-Kindergärten entstanden. Dafür wurde ihm unter anderem der kleine Saal des Gemeindehauses zugeschlagen. Der große Saal im ersten Stock bedarf allerdings der Generalüberholung, vor allem energetisch, ebenso müssten sämtliche Fenster, die aus den 50er-Jahren stammen, ausgetauscht werden.

Paul-Gerhard-Kirche mit zugehörigen Gebäuden auf dem Stumpenhof: Der Kindergarten Bühleiche wurde neu gebaut und Anfang des Jahres eingeweiht, das Pfarrhaus umfassend renoviert. Die 50 Jahre alte Kirche ist in den kommenden Jahren ebenfalls an der Reihe. Sie braucht, neben einer energetischen Sanierung, auch barrierefreie Toiletten. Irgendwann stehe das Flachdach an, sagt Gerhard Nölle. Dort rechnet man mit einem „höheren sechsstelligen Betrag“.

Weitere Gebäude der Gemeinde sind das Pfarrhaus in der Tannenstraße und die Ottilienkapelle in der Marktstraße, die vielfältig genutzt wird.