Gisela Bluhm-Kiefer ist Mediatorin in Scheidungsverfahren. Über die Puppe kann sie leichter Kontakt zu den Kindern bekommen. Foto: Bulgrin - Bulgrin

In Scheidungsverfahren gibt die Pädagogin Gisela Bluhm-Kiefer Kindern vor Gericht eine Stimme. Die Verfahrenspflegerin beim Familiengericht in Esslingen hört sich nicht nur die Sorgen der Jungen und Mädchen an. Ihr Ziel ist es, zwischen den Elternteilen zu vermitteln und einen Konsens zu finden.

Esslingen Mit der Handpuppe Nina baut Gisela Bluhm-Kiefer leicht einen Draht zu Kindern auf. Die Diplom-Pädagogin aus Reutlingen arbeitet als Verfahrensbeistand beim Amtsgericht in Esslingen. Da beteut sie Kinder, deren Eltern sich trennen und scheiden lassen. „In so einem Scheidungsverfahren sind die Jungen und Mädchen häufig massiv vom Streit der Mütter und Väter betroffen.“ Fast immer befänden sie sich da in einem Loyalitätskonflikt. Nicht nur die Kleinen kommen schwer damit klar. Deshalb will die erfahrene Mediatorin Brücken bauen. Dennoch legt Bluhm-Kiefer größten Wert darauf, dass für sie und ihre Kollegen stets das Wohl der Kinder im Vordergrund stehe.

In solchen Verfahren verfolgten die Eltern meist gegensätzliche Ziele. Wie sehr das ihre Töchter und Söhne belasten kann, erfährt die Expertin in Einzelgesprächen. Wie schafft sie es, einen Draht zu den Kindern aufzubauen? „Bei den Kleineren hilft mir die Puppe“, sagt die Pädagogin und lacht. Wenn sie ihnen das erste Mal gegenüber sitzt, lässt sie oft Nina mit den lustigen Zöpfen und dem Klappmaul plappern. „Ich habe echt Probleme, weil sich meine Eltern streiten“, lässt sie die Puppe zum Beispiel erzählen. Vielen Kindern falle es dann leichter, von eigenen Schwierigkeiten zu sprechen. Sich auf Augenhöhe auf die Jungen und Mädchen einzulassen, das ist Bluhm-Kiefers Ziel.

Der Rollenwechsel liegt ihr

Als studierte Pädagogin sieht sie sich für ihre Aufgabe beim Amtsgericht gut ausgebildet. Beim Deutschen Kinderschutzbund ließ sie sich fortbilden. Mit einer halben Stelle ist sie außerdem fest bei der Erziehungsberatungsstelle des Landratsamts Reutlingen angestellt. „Da ich dort meist mit Müttern und Vätern arbeite, die sich trennen und scheiden lassen, kenne ich auch deren Perspektive.“ Das mache es ihr leichter, sich in die andere Seite hineinzudenken. Fünf Jahre hat Bluhm-Kiefer im Pflegekinderdienst gearbeitet, und auch beim Sozialpsychatrischen Dienst war sie angestellt. Wie geht die erfahrene Verfahrenspflegerin denn mit diesem Rollenwechsel um? „Die Bereiche ergänzen sich ideal.“ Probleme sieht sie da in ihrer Praxis nicht.

Dass sie sich in die Lage der Eltern hineinversetzen kann, kommt der Pädagogin entgegen. „Eltern, die vor Gericht streiten, verlieren oft den Blick für die Bedürfnisse der Kinder.“ Sie will den Jungen und Mädchen in den Verfahren, die oft sehr emotional geführt werden, eine Stimme geben. Ganz wichtig ist es der Fachfrau, Zeit mit den Kindern zu verbringen, damit die sich öffnen können. „Sie sollen zu mir als Verfahrensbeistand Vertrauen aufbauen und spüren, dass es da jemand gibt, der für sie spricht.“ Umgangssprachlich könne man ihre Rolle auch als „Anwältin der Kinder“ bezeichnen.

Als Beistand in der ungewohnten Situation vor Gericht die Sorgen der Jungen und Mädchen ernst zu nehmen, sieht Bluhm-Kiefer als Herausforderung. „Sie leiden unter der Situation.“ Denn nicht nur sie spreche mit den Kindern. Meist nehmen auch Mitarbeiter des Fachdiensts Trennung/Scheidung oder der Soziale Dienst des Jugendamts Kontakt mit den Kindern auf. Auch von den Richtern werden sie befragt. „Gerade bei den Kleineren geschieht das oft im Spielzimmer des Gerichts, aber die Hemmschwelle ist dennoch da.“ Viele Kinder belasten solche Gespräche. Dagegen nimmt sich die Verfahrenspflegerin die Zeit, mit ihnen ein vertrautes Verhältnis aufzubauen. Bei besonders schüchternen Kinder bricht oft Puppe Nina das Eis.

Meistens einigen sich die Eltern

Wie viele Termine Gisela Bluhm-Kiefer mit den Kindern vereinbart, ist ganz unterschiedlich. „Ich muss auch die Eltern kennenlernen, um zu erleben, wie sie mit ihren Söhnen oder Töchtern umgehen.“ Das brauche viel Zeit. Die Verfahrenspflegerin will herausfinden, wie weit die Beteiligten bereit sind, sich auf Absprachen mit dem anderen Elternteil einzulassen. Außerdem geht es darum, die optimale Lösung für die Entwicklung der Kinder zu finden. „Unsere Bedingungen haben sich seit 2009 deutlich verändert“, sagt sie. Denn statt der stundenweisen Abrechnung des Honorars, wie sie früher üblich war, gibt es jetzt pro Verfahren und Kind einen festen Betrag. Da sie meist auch mit den Eltern und mit anderen Beteiligten sprechen müsse, gibt es jedoch eine höhere Pauschale. „Das ist eine Mischkalkulation.“ In einigen Fällen sei weniger Aufwand vonnöten, in anderen Fälle decke das Honorar ihre Kosten nicht.

„Unsere Aufgabe ist es, gemeinsam mit den Eltern eine einvernehmliche Lösung zu finden.“ Wenn die Mütter und Väter sich selbst einigten, falle es ihnen viel leichter, sich dann später auch an die Absprachen zu halten. „Geduld und das Geschick, zu vermitteln und zu verhandeln“, braucht Bluhm-Kiefer in ihrem Job. Dass sie beim Esslinger Amtsgericht „mit sehr engagierten und hoch kompetenten“ Richtern arbeiten dürfe, erleichtere ihre Arbeit. Wichtig ist ihr, „dass wir alle an einem Strang ziehen, wenn es um die Kinder geht.“ Besonders gut klappt aus ihrer Sicht der Austausch mit den anderen Akteuren im Familiengericht. Richter, Anwälte, Verfahrensbeistände und Vertreter des Jugendamts tauschen sich regelmäßig im Arbeitskreis „Elternkonsens“ aus. Dieser Prozess, der bereits seit zehn Jahren laufe, habe die Kommunikation zwischen den Beteiligten enorm verbessert. Gisela Bluhm-Kiefer ist glücklich darüber, dass nur noch wenige Verfahren mit einem Gerichtsbeschluss endeten: „In den meisten Fällen einigen sich die Eltern.“ Das werde dann vom Gericht gebilligt: „Damit ist es auch verbindlich.“

Das Amtsgericht ist eine Institution, die tief in Esslingen verankert ist. Hier werden Urteile über Straftaten gesprochen, die in der Stadt und Umgebung begangen wurden, hier wird über Nachbarschaftsstreitigkeiten und Familienkonflikte verhandelt. In einer Serie stellen wir verschiedene Aspekte sowie Personen vor, die das Amtsgericht prägen, etwa die Arbeit von Schöffen, Bewährungshelfern, Zeugenbegleitern oder Dolmetschern. Die Serienteile erscheinen in loser Folge.