Quelle: Unbekannt

In Esslingen fehlen weitere fünf Millionen Euro bei der Gewerbesteuer. Stadt muss mit einem Rückgang von 27 Millionen Euro rechnen.

Kreis Esslingen Haushaltssperre in Esslingen. Auch wegen rückläufiger Gewerbesteuereinnahmen. Und Esslingens Finanzbürgermeister Ingo Rust vergleicht die allgemeine Wirtschaftslage mit der Titanic – auf dem Sonnendeck wird noch heiter getanzt, während es im Maschinenraum noch qualmt. Land unter bei den kommunalen und städtischen Finanzen oder Blicke auf rettende Ufer? Die Eßlinger Zeitung fragte bei Finanzverwaltungen im Verbreitungsgebiet nach und erfuhr dabei Erstaunliches.

Noch weniger Gewerbesteuer

Die Zahlen für das Gewerbesteueraufkommen werden in Esslingen noch einmal nach unten korrigiert. In der vorletzten Sitzung des Gemeinderats vor der Sommerpause hatte Finanzbürgermeister Ingo Rust von einem Minus von 22 Millionen gegenüber dem Planungsansatz von 78 Millionen gesprochen. Nun fehlen weitere fünf Millionen Euro, wie der städtische Pressesprecher Roland Karpentier auf Nachfrage mitteilt. Unterm Strich verbleiben somit nach jetzigem Stand für 2019 Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 51 Millionen Euro – 27 Millionen weniger als erwartet.

Das Sparbuch muss helfen

„Die Zahlen sind immer schwach in Aichwald“. Ist nicht so ernst gemeint. Und Andreas Jauß, Leiter der Finanzverwaltung, räumt auch gleich ein: „Aber bei uns relativiert sich einiges.“ Will heißen, die Kommune jammert auf hohem Niveau und die Wirtschaftslage ist hier generell positiv. Allerdings, so der Kämmerer, sei der Vergleich mit anderen Städten und Gemeinden schwierig, weil der Haushalt in Aichwald noch kameralistisch erstellt und noch nicht auf Doppik umgestellt wurde. Zum 1. Januar 2020 muss die neue Art der Haushaltsführung umgesetzt werden – ein Kraftakt für die 7700-Einwohner-Gemeinde. Aber auch hier sind die Gewerbesteuereinnahmen zurückgegangen: Aktuell rechnet der Kämmerer mit zwei Millionen Euro, bis Jahresende könnte sich die Zahl auf 1,6 Millionen Euro verringern, eingeplant waren 3,5 Millionen Euro. Doch das sei eher eine einmalige Sache. Kompensieren kann er die fehlende Summe nicht, erklärt Andreas Jauß, es bliebe nur der Griff aufs Sparbuch, will heißen in die Rücklagen. Denn mit der Sanierung des Hauptgebäudes der Schule vor Ort steht ein Vier-Millionen-Euro-Projekt ins Haus.

“Alles im grünen Bereich“

Nicht verwöhnt ist Kämmerer Steffen Mayer. Die Gemeinde Lichtenwald, so erklärt er, musste schon immer mit einem geringen Gewerbesteueraufkommen leben und hat gelernt, bescheiden zu wirtschaften. Somit sei bei den Finanzen „alles im grünen Bereich“. Im Rechnungsabschluss 2018 sind 6,4 Millionen Euro verzeichnet, der Haushalt 2019 ist auf 6,8 Millionen Euro ausgelegt – keine großen Veränderungen also. Und das ist gut so, denn 2020 stehen Ausgaben ins Haus: Digitalfunk für die Feuerwehr für 25 000 Euro, Sanierungsmaßnahmen des Kindergartens für 80 000 Euro, Sanierung des oberen Sportplatzes für 320 000 Euro, Kanalsanierungen für 100 000 Euro. Dennoch: Die Kapriolen des Ex-Kämmerers der Gemeinde, der wegen eines Griffs in die Kasse zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden war, würden den kommunalen Haushalt nicht belasten, so Steffen Mayer. Und: „Wir mussten schon immer nach dem Geld schauen.“

Die Schulden wachsen

Besser als erwartet ist der Jahresabschluss 2018, den Ostfilderns Finanzbürgermeister Rainer Lechner jüngst im Gemeinderat präsentierte. Am Ende blieb der Stadt ein Ertrag von 4,96 Millionen Euro. Im Nachtragsplan hatte man noch mit einem Gewinn von 4,4 Millionen Euro gerechnet. Im kommenden Jahr wird sich die finanzielle Situation der knapp 40 000 Einwohner zählenden Kommune deutlich verschlechtern. Um das 17,6 Millionen Euro schwere Investitionsprogramm realisieren zu können, muss die Stadt tief in ihre Sparbüchse greifen und Grundstücke für rund vier Millionen Euro verkaufen. Anfang dieses Jahres verfügte sie noch über liquide Mittel in Höhe von 31,7 Millionen Euro, Ende 2020 werden es nur noch 14,4 Millionen Euro sein. Zudem plant die Kämmerei eine Neuverschuldung von bis zu vier Millionen Euro. Tritt alles so ein wie geplant, wachsen die Schulden der Stadt von 13,5 auf 16,1 Millionen Euro. Der Berg wird in den nächsten Jahren noch steigen, denn in der Großen Kreisstadt stehen große Aufgaben an. Viel Geld wird wie in den vergangenen Jahren in den Bereich Bildung und Betreuung fließen. Die beiden Gymnasien in Nellingen werden weiter modernisiert. Bei der Gemeinschaftsschule ist noch keine Entscheidung getroffen worden. Entweder wird das bestehende Schulgebäude saniert und erweitert oder man entscheidet sich gleich für einen Neubau. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht ein Ersatzbau für die ausgediente Sporthalle 1 im Nellinger Schulzentrum.

Die verflixten 30 Prozent

An der Gewerbesteuer liegt es nicht. Laut Michael Hanus waren 7,8 Millionen Euro dafür eingeplant, und acht Millionen Euro werden es wohl sein: „Wir liegen damit in Plochingen im Soll.“ Allerdings fehlen im Ergebnishaushalt mit dem laufenden Betrieb runde 850 000 Euro. Der Grund: Durch ein Organisationsgutachten wurde die Personalsituation der 14200-Einwohner-Stadt neu bewertet, manche Positionen höher gestuft als im Stellenplan vorgesehen. Das fehlende Geld soll dadurch wieder hereinkommen, dass nur 70 Prozent der Ausgaben im Haushalt mit einem Volumen von gut 40 Millionen Euro frei gegeben werden. 30 Prozent werden eingespart – vor allem an Büromaterial oder auch Toiletten- und Kopierpapier, wie der Kämmerer erläutert. Doch nicht die Steuern sind aus seiner Sicht das Problem, sondern die Personalausgaben und der große Aufgabenbereich, den die Kommune zu stemmen hat. So solle zum 1. Januar 2020 ein neues Kinderhaus in Betrieb genommen werden, das mit Investitionen von gut 4,3 Millionen Euro zu Buche schlägt, die Sanierung des unteren Schulzentrums mit gut 40 Millionen Kosten stehe bis 29 026 ins Haus, und die Otto-Konz und die verlängerte Hafenbrücke müssten saniert werden. Das Investitionsvolumen für Plochingen beziffert der Finanzchef mit 19 Millionen im kommenden Jahr und 16 Millionen 2021. „Ohne Darlehensaufnahme wird das nicht zu bewältigen sein.“ Überhaupt werden die nächsten Jahre seiner Einschätzung nach mager ausfallen. Die Gründe: Handelskriege, die Entwicklungen in den USA und China, Protektionismus, Gefahren für den Freihandel, die Diesel-Krise, andere Einbrüche in der Automobilindustrie und damit verbundenen Folgen

Die Gewerbesteuer sprudelt

Entspannt zurücklehnen kann sich Wolfgang Steiger. Der Kämmerer von Reichenbach konnte keinen Einbruch beim Gewerbesteueraufkommen feststellen. Im Gegenteil – die Einnahmen liegen weit über dem Erwarteten. Der Planansatz war von 4,3 Millionen Euro ausgegangen, gerechnet wird jetzt mit 6,9 Millionen Euro zu Jahresende. Und auch der Haushalt als Ganzes werde mit einem Volumen von rund 19 Millionen Euro besser als im Herbst 2018 erwartet. Und das ist gut so, denn mit einer Großbaumaßnahme, der Investition in Hochwasserrückhaltebecken, steht eine Ausgabe von gut 4,5 Millionen Euro ins Haus. Überhaupt, so Wolfgang Steiger, könne das Gewerbesteueraufkommen der einzelnen Kommunen nicht miteinander verglichen werden: „Das ist bei jeder Gemeinde eine spezifische Geschichte.“ Aber auch er rechnet mit einem Einbruch – nicht so stark wie der 2009/’10, aber immerhin: „Die Steuern werden nicht mehr so reichlich sprudeln“. Sein Gegenmittel: die Stärkung der Rücklagen, um für schwächere Zeiten gewappnet zu sein.

Die Großwetterlage ist eingetrübt

Noch keinen Anlass zur Sorge sieht Iris Pöschke. Die stellvertretende Kämmerin von Wernau spricht zwar von einer „Eintrübung der Großwetterlage“ mit Blick auf die wirtschaftliche Situation, doch für ihre Kommune bereitet ihr der Blick in die Zukunft noch keine schlaflosen Nächte. Die Gewerbesteuererträge sind ihren Angaben nach stabil: Sie „verringern sich zwar gegenüber 2018, sind aber in 2019 mit aktuell 200 000 Euro über dem Planansatz noch absolut im grünen Bereich“. In konkreten Zahlen: Das Gewerbesteueraufkommen lag 2018 bei eingeplanten 3 650 000 Euro bei 6 454 000 Euro. Im laufenden Jahr lag der Planansatz bei 3,9 Millionen Euro, der aktuelle Stand beträgt 4 131 000 Euro. Allerdings muss im Haushalt mit leichten Einbrüchen gerechnet werden. Iris Pöschke: „Allgemein lässt sich zur Haushaltssituation sagen, dass insbesondere aufgrund einer Verschlechterung beziehungsweise eines geringeren Zuwachses bei den Finanzkennzahlen das Gesamtergebnis um rund 150 000 Euro leicht sinkt“. Denn es sei mit einem Überschuss von gut 400 000 Euro im Ergebnishaushalt gerechnet worden, nun seien es 248 200 Euro. Das Geld wird dringend benötigt, denn „bei der Stadt Wernau stehen größere Investitionen im Bereich Schulen, Kindergärten, Jugendhaus Kiwi und Sport an“. Zu finanzieren ist außerdem der Grunderwerb im Baugebiet Adlerstraße Ost III.