Der Standort für Anschlussunterbringung von Flüchtlingen in der Albstrasse ist heftig umstritten. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Vorerst darf der Landkreis Esslingen keine Unterkünfte für Flüchtlinge in der Albstraße in Neuhausen bauen. Das Verwaltungsgericht in Stuttgart gab den Antragstellern recht, dass die nachträglich vom Landratsamt ausgestellte Baugenehmigung vorerst keine Gültigkeit hat. Die Gemeinde Neuhausen hatte mit dem Bau begonnen, obwohl die Erlaubnis noch nicht vorlag (wir berichteten). Dagegen hatten sich Unternehmer aus dem benachbarten Gewerbegebiet gewehrt.

Von Elisabeth Maier
Drei Gebäude mit fünfzehn Wohngruppen, in denen jeweils zwölf Bewohner leben sollen, hat die Gemeinde geplant, um dort Flüchtlinge unterzubringen. In unmittelbarer Nachbarschaft liegt unter anderem die Stanzfirma Blech-Form, deren Produktion erheblichen Lärm verursacht. Gegen das Bauvorhaben wehrten sich Vertreter mehrerer Firmen. Sie befürchten nach den Worten des Verwaltungsgerichts „für ihre Betriebe massive Betriebseinschränkungen, denn eine Wohnnutzung an dieser Stelle vertrage sich nicht mit den lärmintensiven Betrieben“. Das Vorhaben sei„schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt“.

Lärmsituation überprüfen

Mit der „aufschiebenden Wirkung“ will das Gericht nach den Worten von Ulrike Zeitler, Vorsitzende Richterin am Stuttgarter Verwaltungsgericht, erreichen, dass die Gemeinde und das Landratsamt noch einmal genau die Lärmsituation prüfen. „Für die Bewohner in einem Gewerbegebiet ist Schutzniveau wie in einem Wohngebiet zu verlangen“, sagt Zeitler. Der Beschluss habe „aufschiebende Wirkung“, erklärt die Juristin.
Für Bernd Schober, den Hauptamtsleiter Neuhausens, hat der Gerichtsbeschluss zwei Konsequenzen. Zum einen geht er davon aus, dass das Landratsamt Esslingen, der Antragsgegner, vom Beschwerderecht beim Verwaltungsgerichtshof Mannheim Gebrauch machen werde. Der Hauptamtsleiter will untersuchen, ob man das Lärmproblem am Standort in den Griff bekommen könnte. Zum anderen werde die Gemeinde weiter nach geeigneten Standorten suchen, um dezentrale Lösungen zu finden. Schober verweist auf den großen Druck, unter dem die Gemeinde steht. Denn die Unterbringung der Flüchtlinge in den Zelten sei alles andere als optimal.
Dass der Beschluss nur „aufschiebende Wirkung“ habe, betont auch Peter Keck, der Pressesprecher des Landratsamts. Der Landkreis werde nun weitere rechtliche Schritte prüfen. Was die unbefriedigende Situation mit den Zeltunterkünften in Neuhausen angeht, verwies er auf die Strategie des Landkreises. Man werde schrittweise diese Art der Unterbringung reduzieren, so Keck, und für Flüchtlinge, wo möglich, Wohnraum in festen Gebäuden schaffen.
Die geplanten fünf Gemeinschaftsunterkünfte in der Albstraße sind für die Gemeinderäte ohnehin nicht die optimale Lösung. Allerdings hatten sie sich für den Standort entschieden, weil nicht klar war, wie man die Flüchtlingsströme sonst bewältigen sollte. Injüngster Sitzung hatte die Mehrheit der Gemeinderäte dem Landkreis das Einvernehmen für vorübergehende Unterkünfte in der Albstraße 19 bis 21 verweigert. Gabriele Probst (IGL) warnte vor einer „Ghettoisierung“ – die Kreisrätin sieht aber die Notwendigkeit, Wohnraum für Flüchtlinge zu schaffen.
Peter-Alexander Schreck hat für die CDU-Fraktion beantragt, das am Baubeginn stehende Haus 1 in der Albstraße für die Erstunterbringung zu nutzen und nicht, wie vorgesehen, für die Folgeunterbringung. Damit könnten aus seiner Sicht auch die Gewerbebetriebe leben. Folgeunterbringung wäre aus seiner Sicht am Festplatz möglich, wenn die Zelte abgebaut würden. Als weiteren Standort bringt er die Friedhofsaue an der Scharnhäuser Straße ins Spiel. Darüber wird im Gemeinderat noch beraten.

Ungeschickt

Kommentar von Elisabeth Maier
Dass die Gemeinde Neuhausen ohne Baugenehmigung mit dem Bau der Gemeinschaftsunterkünfte für die Anschlussunterbringung in der Albstraße begonnen hat, sorgte für Ärger. Und die Gewerbetreibenden fühlen sich übergangen. Ihr Protest gegen das Vorhaben führte nun dazu, dass das Verwaltungsgericht in Stuttgart eine „aufschiebende Wirkung“ angeordnet hat. Das bedeutet, dass vorerst nicht weiter gebaut werden darf. Die Unternehmer argumentieren, dass der Lärm Flüchtlingen nicht zuzumuten sei und dass dann vielleicht der Betrieb eingeschränkt werden müsste. Die Unternehmer fordern mehrere dezentrale Standorte im Ort, damit die Asylsuchenden unter besseren Bedingungen leben können.
Obwohl die Kommune mit ihrem Vorpreschen einen Fehler gemacht hat, sind Vorwürfe jetzt fehl am Platz. Das war sehr ungeschickt. Der Fall offenbart aber, wie schwer sich manche Städte und Gemeinden mit den Flüchtlingsströmen tun. In Neuhausen leben derzeit 80 Menschen unter alles andere als guten Bedingungen in der Zeltunterkunft auf dem Festplatz. Diesen Druck sieht die Gemeinde, und sie muss handeln. Die Erlaubnis der Bundesregierung, dass Flüchtlingsunterkünfte unter bestimmten Bedingungen auch in Gewerbegebieten zulässig sind, mag sich auf dem Papier schön anhören. Die Probleme fangen damit aber erst an. Denn Konflikte sind programmiert.
Die Neuhäuser tun gut daran, nach Alternativen für den Bau zu suchen. Dass es die gibt, zeigt der Antrag der CDU-Fraktion, der in der Albstraße Erstunterbringung sieht und für die Folgeunterkünfte dezentrale Standorte im Auge hat.