Foto: Roberto Bulgrin/bulgrin - Roberto Bulgrin/bulgrin

Die Machbarkeitsstudie für ein Gesundheitszentrum in der Köngener Ortsmitte stieß auf viel Lob. An der Dimension des Vorhabens gab es aber Kritik.

KöngenErste Überlegungen, auf dem Areal der Gebäude Oberdorfstraße 4 und 6 ein Gesundheitszentrum zu bauen, stellt die Gemeinde Köngen an. „Noch sind die Überlegungen sehr grundsätzlich“, sagte Bürgermeister Otto Ruppaner im Gemeinderat. Der Verwaltungschef sieht die Gemeinde aber in der Pflicht, für eine umfassende Gesundheitsvorsorge der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Derzeit gibt es keinen Kinderarzt, keinen Dermatologen und keinen Orthopäden in der Gemeinde, die rund 9600 Einwohner hat. Dabei sei die Nachfrage gerade da groß, sagte Ruppaner. Ein medizinisches Zentrum könnte aus seiner Sicht „die Ortsmitte aufwerten“. 8,6 Millionen Euro würde ein solches Projekt nach ersten Schätzungen kosten.

Als ersten Schritt hat die Gemeinde Köngen bei der Beraterfirma Diomedes, die den Aufbau solcher Zentren begleitet, eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Dieses Papier stellte der Mediziner und Betriebswirt Martin Felger jetzt den Gemeinderäten in ihrer jüngsten Sitzung vor. Ein geeigneter Platz wäre mit den Gebäuden in der Oberdorfstraße gefunden, die im Besitz der Gemeinde sind. Derzeit ist dort der Bürger- und Flüchtlingstreff „Bei Anna“. Die Perspektiven für ein Gesundheitszentrum, in dem Ärztinnen und Ärzte unter einem Dach arbeiten könnten, sind nach den Worten des Experten gut. Neben Ärzten verschiedener Fachrichtungen könnten in dem Gebäude auch eine Apotheke und eine Praxis für Physiotherapie Platz finden. Allerdings sind durch die Gebietsvergabe der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) die Möglichkeiten, neue Fachärzte anzusiedeln, begrenzt. Nach aktuellem Stand könnten sich in Köngen nur Praxen für Hausärzte, Nervenärzte und Psychotherapeuten neu ansiedeln. Demnächst tagt der Landesausschuss, der diese Gebiete festlegt – dann könnte sich das ändern. Zudem gebe es nach Felgers Worten die Möglichkeit, in Zusammenarbeit mit niedergelassenen Ärzten der Region über Zweigpraxen nachzudenken.

Ein Gesundheitszentrum könnte aus Martin Felgers Sicht interessante und bedarfsgerechte Perspektiven bieten. „Immer mehr Ärztinnen und Ärzte haben den Wunsch, in Teilzeit zu arbeiten, um Familie und Beruf besser zu vereinbaren.“ In einem Gesundheitszentrum, das von Investoren getragen wird, wären solche Angestellten- und Teilzeitmodelle möglich. Deshalb sieht der Experte da gerade für Köngen gute Chancen. Gerade Hausärztinnen und Zahnärztinnen fragten solche Teilzeitstellen nach, die in Gesundheitszentren möglich wären.

„Um die Ressourcen bestmöglich zu nutzen, empfiehlt es sich, gemeinsam mit der Stadt Wendlingen eine Strategie zu entwickeln“, stellte Felger klar. Denkbar wäre für ihn auch ein interkommunales medizinisches Versorgungszentrum an zwei Standorten. Auf dem Wendlinger Otto-Areal, das neu überplant wird, gebe es ähnliche Pläne. In Dornhan, der früheren Wirkungsstätte von Bürgermeister Ruppaner, und in Mössingen hat Diomedes bereits Gesundheitszentren aufgebaut. „Durch neue Modelle war es möglich, Lücken in der medizinischen Versorgung zu schließen“, sagte Felger. Anschließend stellte der Architekt Gustav Rennertz erste Entwürfe vor, wie ein Gesundheitszentrum in der Ortsmitte aussehen könnte. Der Planer hat bereits in Köngen die neue Demenzstation des Seniorenzentrums geplant und gebaut, die mit Preisen ausgezeichnet wurde. Er freue sich, nun wieder hier zu arbeiten, sagte Rennertz, der die Situation in der Gemeinde bereits kennt.

Einig waren sich die Gemeinderäte, dass die Gesundheitsvorsorge eine wichtige kommunale Aufgabe ist. Allerdings gab es zu den ersten Plänen kritische Stimmen. Adina Fernengel-Kurzenberger (CDU), die in Köngen als Allgemeinärztin praktiziert, kann sich nicht vorstellen, dass sie und ihre Kollegen umziehen möchten. Kritisch sieht sie auch die Tatsache, dass in einem solchen Zentrum nur 20 Prozent der Patientinnen und Patienten an die Mediziner in der Gemeinschaft überwiesen werden dürften. Hansjörg Schmauk (CDU) kann sich nicht vorstellen, dass sich eine dritte Apotheke auf Dauer halten würde. „Als Einzelhändler mit einem Blumengeschäft in der Fußgängerzone sehe ich die Gefahr, dass wir da weniger Frequenz haben.“ Diese Sorge teilt auch sein Fraktionskollege Stefan Eisenhardt. Erwin Benz (Freie Wähler) riet, die Pläne mit den Wendlingern abzustimmen, da auf dem HOS-Areal auch ein Zentrum im Gespräch sei.

Bernd Vogel (SPD) findet die Pläne gut. Mit dem Gedanken, einen Investor für das Projekt zu suchen, kann er sich anfreunden. Allerdings ist ihm die Kubatur des Gebäudes, das Architekt Rennertz vorstellte, zu groß. „Mit realistischen Kubaturen“ möchte auch Gerhard Gorzellik (SPD) das Projekt verfolgen. Das sieht auch Günther Hoffelner (Freie Wähler) so: „Ein Kinderarzt fehlt seit 25 Jahren. Daher müssen wir alles tun, um weitere Fachärzte in die Gemeinde zu bekommen.“

Kommentar: Über den Tellerrand schauen

Ärztemangel betrifft nicht nur Dörfer auf dem Lande. Auch in der Gemeinde Köngen, die am Rande des Mittleren Neckarraums liegt, fehlen Fachärzte wie Orthopäden und Kinderärzte – und das, obwohl die Nachfrage groß wäre. Medizinische Versorgung ist ein nicht zu unterschätzender Standortfaktor. Die Gebietszuteilung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) erschwert es den Kommunen, die Grundversorgung für die Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.

Dass sich die Köngener Kommunalpolitiker nun Gedanken über ein Ärztezentrum machen, ist ein guter und wichtiger Schritt. Mit der Firma Diomedes hat Bürgermeister Otto Ruppaner einen Partner gefunden, der viel Erfahrung mit solchen Projekten hat. Anders als die Schurwaldgemeinde Aichwald, die selbst ein Ärztehaus gebaut hat, favorisieren die Köngener bei ihren ersten Überlegungen klar ein Investorenmodell.

Sich bei der wichtigen Frage der Gesundheitsvorsorge Profis ins Boot zu holen, ist eine gute Investition in die Zukunft Köngens. Allgemein- und Fachärzte werden dringend gebraucht. Und das nicht nur, weil es immer mehr ältere Menschen gibt, die an chronischen Krankheiten leiden. Obwohl die Gebietszuteilung der KV den Spielraum der Gemeinde deutlich einschränkt, tun sich mit medizinischen Versorgungszentren auch für kleinere Kommunen Zukunftsperspektiven auf. Über sogenannte Zweigpraxen ließe sich die Versorgungslücke ebenso schließen wie über ein interkommunales Versorgungszentrum gemeinsam mit der Nachbarstadt Wendlingen. Was den Standort angeht, sollten die Köngener ergebnisoffen bleiben. Denn nicht nur im Köngener Ortskern wäre ein Standort denkbar. Auch auf dem HOS-Areal, das zwischen beiden Kommunen liegt, könnte ein solches Projekt realisiert werden.