Akkurate Buchführung ist dem Bauingenieur Cornel Ritter wichtig. Er hält die Abwasserwerte an der Messstation im Labor fest. Quelle: Unbekannt

„Ganz wichtig ist es, jeden einzelnen Flughafen-Mitarbeiter zu umweltbewusstem Verhalten zu bewegen.“„Mit unseren Kapazitäten sind wir auch für Starkregen gerüstet, wie er alle 50 Jahre vorkommt.“

Von Elisabeth Maier (Text) und Roberto Bulgrin (Fotos)

Mit gebeugtem Rücken sitzen Michael Schanz und seine Kollegen in Kanalrohren unter dem Vorfeld des Stuttgarter Flughafens - und das täglich viele Stunden lang. Mit einer speziell dafür konstruierten Maschine kontrollieren sie eine Steinröhre, die einen Durchmesser von 1,60 Meter hat. Wenn der Experte mit dem Muffendruckprüfgerät eine undichte Stelle entdeckt, wird sie repariert. Auch Schmutzreste beseitigt er. Nicht alles lässt sich von Menschenhand reinigen. Deshalb gibt es sogenannte Molche. Wegen ihrer länglichen Form sind die Reinigungsgeräte nach den Amphibien benannt. Mit aufgesetzten Bürsten werden Druckleitungen des Entwässerungssystems vom Schmutz befreit. Mit Strom oder Luftdruck wird die Maschine im Rohr bewegt. Wegen der leicht geschwungenen Form erreicht das Gerät engste Stellen.

250 Kilometer Kanäle sind unter dem Vorfeld und den Gebäuden des Flughafens verbaut. 3900 Schächte hat dieses komplexe System. Damit das Wasser auf dem 400 Hektar großen Flughafengelände ungehindert abfließen kann, kontrollieren Bauingenieur Cornel Ritter und sein Team regelmäßig Kanäle und Drainagen. Selbst bei stärkstem Regen darf nichts überlaufen. Nichts darf das sensible System stören. Pfützen auf dem Vorfeld oder gestautes Wasser sind tabu. Das könnte die Sicherheit im Flugbetrieb gefährden. Dann müsste die Startbahn gesperrt werden. Um die Wassermassen zu bändigen, werden sie digital gesteuert. Kanäle werden ständig kontrolliert, damit kein Schmutz den Durchfluss verstopft.

Für Dichtheitsprüfer wie Michael Schanz ist die Arbeit in diesem weit verzweigten Netz schon körperlich eine Herausforderung. Der drahtige Mann trägt orangefarbene Schutzkleidung. Beweglichkeit ist für ihn und seine Mitarbeiter ein Muss. Über mehrere Meter hohe Leitern aus Metall klettern sie in die Kanalisation. Leicht meistert Schanz mehr als vier Meter auf schmalen Sprossen.

Kühl ist es im Erdreich. Und das zu jeder Jahreszeit. Dazu kommt Feuchtigkeit. Denn vor den Schleusen, die vor den großen Kanalrohren liegen, sammelt sich Abwasser in Pfützen. Bevor die riesigen Abwassermengen in die Kanalisation gelangen, werden die Mengen mit einem aufwendigen Steuerungssystem kontrolliert. Auch bei Starkregen darf nur eine bestimmte Abwassermenge pro Sekunde abfließen. Wird die überschritten, schließen sich die Schleusen, sagt Ritter.

Die Arbeit im Labor und die Kontrolle der Messstationen gehört für den Teamleiter der Abteilung „Entwässerung“ zu den täglichen Aufgaben. Seine Zentrale liegt auf der Südostseite des Flughafens. „Heute sind die Messanlagen technisch auf dem neuesten Stand“, schwärmt der Bauingenieur, der sich schon im Studium auf die Entsorgung von Abwasser spezialisiert hat. Für eine so große Infrastruktur-Einrichtung wie den Flughafen zuständig zu sein, das reizt Ritter.

Die startenden und landenden Flugzeuge auch ökologisch verträglich abzuwickeln, findet der Fachmann spannend. Denn um das Abwasser auch im Winter sauber zu halten, wenn Flugzeuge enteist werden, ist der Einsatz modernster Technik nötig. Ein so genannter Schwebebett-Reaktor sorgt dafür, dass sich der Kohlenstoffgehalt des Enteisungsabwassers vermindert. Bevor es in die Kläranlagen abfließt, wird es hier vorgefiltert.

„Ganz wichtig ist es, jeden einzelnen Flughafen-Mitarbeiter zu umweltbewusstem Verhalten zu bewegen“, ist Ritter überzeugt. Dafür stellte die Führung des Flughafens mit dem Nachhaltigkeitsbericht die Weichen. „Zum Schutz der Umwelt setzen wir chemische Enteisungsmittel erst dann ein, wenn sich Schnee und Eis nicht mehr mechanisch beseitigen lassen“, ist auf der Homepage des Flughafens nachzulesen. Ein wirtschaftlicher Anreiz soll Umdenken auch bei den Fluggesellschaften beflügeln. In der Wintersaison 2012/13 führte die Flughafengesellschaft ein Abwasserbehandlungsentgelt ein, das sich an der Menge des eingesetzten Enteisungsmittels orientiert.

Mit insgesamt 207 841 Kubikmetern Schmutzwasser ist der Umsatz am Flughafen Stuttgart auch im Jahr 2016 wieder gewachsen (siehe Kasten). Nicht nur steigende Fluggastzahlen führen zu dieser Entwicklung. Neue Unternehmen siedeln sich an, immer mehr Passagiere bewegen sich in den Gebäuden, nutzen die sanitären Anlagen. Nicht zuletzt trägt die erfolgreiche Gastronomie zum steigenden Wasserverbrauch bei. Riesige Speicher braucht der Flughafen, um diese Mengen zu bewältigen. Wer da eintritt, sieht gewaltige Säulen, die an antike Tempel erinnern. „Mit unseren Kapazitäten sind wir auch für Starkregen gerüstet, wie er alle 50 Jahre vorkommt“, sagt Ritter. Bis zu 20 000 Kubikmeter Oberflächenwasser passen in eine Kammer des riesigen Kombispeichers; 100 000 Kubikmeter beträgt die Speicherkapazität am Flughafen insgesamt.

In Zeiten der Krauternte riecht es streng nach faulenden Kohlblättern. Modriger Wassergeruch durchströmt die Betonhalle. Mit einem Schlauchboot haben die Mitarbeiter auch bei höheren Wasserständen die Möglichkeit, Schäden zu reparieren. Wenn es wenig geregnet hat, sind Teile des Speichers leer. Dann setzt sich am Boden eine grobkörnige Schicht ab, die immer stärker abblättert. Wie stark das Wasser verschmutzt ist, bevor es in die Kläranlagen der Umgebung fließt, ist da ganz deutlich zu erkennen.

Gewässerschutz am Flughafen

Fairport-Programm: Der Gewässerschutz hat im Fairport-Programm des Flughafens hohen Stellenwert. Im Nachhaltigkeitsbericht des Flughafens sind Maßnahmen genannt, wie die Belastung des Abwassers verringert werden kann.

Schadstoffe verringern: Ziel des Flughafens ist es, durch umweltbewusstes Handeln und durch gezielte Strategien die Schadstoffe erst gar nicht ins Abwasser eindringen zu lassen. Teilweise sind dazu aber auch größere bauliche Eingriffe in die Vorfluter nötig.

Behandlungsanlage: PFC, also Perfluorcarbon, ist ein langlebiger organischer Schadstoff, der nur schwer in der Natur abgebaut werden kann. Daher ist der Bau einer Behandlungsanlage geplant, die PFC aus Drainage und Oberflächenabflüssen filtern soll (fertig bis 2018).

Flotationsanlage: Mit einer Flotationsanlage wird seit 2016 Biomasse aus dem Ablauf des Schwebebettreaktors abgetrennt. Das reduziert die Konzentration von organischem Kohlenstoff im Wasser um 70 Prozent.