Brigitte Müller vor der Christuskirche auf dem Zollberg Foto: Rapp-Hirrlinger - Rapp-Hirrlinger

Nach zwölf Jahren verlässt Pfarrerin Brigitte Müller die Evangelischen Kirchengemeinde Esslingen-Zollberg und wird neue Dekanin des Evangelischen Kirchenbezirks Brackenheim.

EsslingenBrigitte Müller, derzeit Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde Esslingen-Zollberg, wird neue Dekanin des Evangelischen Kirchenbezirks Brackenheim. Es sei ihr Wunsch, nach einer relativ kleinen Gemeinde mit nur gut 1300 Mitgliedern, mit der Leitung eines Kirchenbezirks mit 30 000 Evangelischen in 24 Kirchengemeinden nun größere Aufgaben anzugehen, sagt die promovierte Theologin.

Wie sehr die 59-Jährige, die in Bietigheim-Bissingen geboren und aufgewachsen ist, in ihren zwölf Jahren auf dem Zollberg mit dem Stadtteil und der Evangelischen Kirchengemeinde verwurzelt ist, spricht aus jedem ihrer Sätze. „Den Zollbergern habe ich viel zu verdanken, sie sind sehr selbstbewusst, aufgeschlossen und bereit, sich auf Neues einzulassen.“ Vor allem dem großen ehrenamtlichen Engagement zollt sie Respekt. 35 Gruppen für die unterschiedlichsten Interessen und Anliegen zählt die Kirchengemeinde. „Hier gibt es viele Ideen und die Leute sind bereit, sie auch zu realisieren“, sagt Müller. „Man muss als Pfarrerin nicht alles selber ziehen.“ Ihre Hauptaufgabe sei, „die Gemeinde zu öffnen und der Bandbreite der verschiedenen Glaubensrichtungen Raum zu geben. Ich will offene Arme signalisieren.“

Die 150 Ehrenamtlichen seien „wie eine große Familie“, in der man ganz selbstverständlich mit anpacke. So geschehen, als es jüngst galt, das alte Gemeindehaus aus- und die neuen Gemeinderäume unter der Christuskirche einzuräumen. Auch bei der Renovierung hätten viele tatkräftig mit angepackt. Müllers Devise: „Jeder soll das machen können, was er gut kann und gerne tut.“ Weil die Kirchengemeinde ein wesentliches Stück der Infrastruktur im Stadtteil biete, versuche man Orte zu schaffen, an denen Menschen sich in lockerem Rahmen begegnen können – ob an der Grillstelle nahe der Kirche oder im Treffpunkt „Oase“ unter dem Gotteshaus. „Auch die Ökumene läuft am Zollberg super“, schwärmt Müller. Fast alle Veranstaltungen, Jugend- und Seniorenarbeit, Kinderfreizeiten, der Emmaus-Gang an Ostern oder Bibelabende werden konfessionsübergreifend organisiert.

Einer von Brigitte Müllers Schwerpunkten ist die Gottesdienstgestaltung. Nicht verwunderlich, hatte sie doch sechs Jahre lang die entsprechende Pfarrstelle beim Oberkirchenrat in Stuttgart inne. „Es ist mein Bestreben, eine möglichst große Bandbreite anzubieten.“ Und auch auf die Predigt verwendet sie viel Zeit. „Sie muss lebensnah sein und man muss auf aktuelle Situationen reagieren.“. Deshalb kann es durchaus vorkommen, dass sie die Predigt am Vorabend komplett neu schreibt.

Sie schreibt gern Kabarettszenen

Etliche Gemeindereisen nach Israel, Palästina und Jordanien, nach Thüringen und Sachsen oder demnächst nach Armenien hat Brigitte Müller organisiert. Dabei soll es nie beim rein Touristischen bleiben. Vielmehr sei das Ziel, das jeweilige Land in seiner Besonderheit wahrzunehmen, auch Konflikte oder Widersprüche nicht auszuklammern und mit den Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen.

Neben dem Umbau und der Renovierung von Kirche und Gemeinderäumen im vergangenen Jahr hatte die Gemeinde 2013 mit dem 50-jährigen Bestehen der Kirche ein Großprojekt zu bewältigen. Für Brigitte Müller eine Gelegenheit, eines ihrer weiteren Talente unter Beweis zu stellen: „Ich schreibe gerne Kabarettszenen, etwa fürs Mitarbeiterfest.“ Und zum Reformationsjubiläum 2017 gab es ein Singspiel mit Themen aus Luthers Leben aus der Feder der Pfarrerin.

Am Zollberg kam ein Arbeitsfeld auf sie zu, das für Müller eine berufliche Alternative zur Theologie gewesen wäre: die Arbeit mit Menschen mit Behinderung. Durch die Rohräckerschule, wo sie Konfirmandenunterricht hielt, kam sie in Kontakt mit Menschen mit Handicap. Berührungsängste kennt Müller nicht: „Ich bin als Mädchen mit behinderten Kindern in der Nachbarschaft aufgewachsen.“

Die großen Gestaltungsmöglichkeiten im Pfarrberuf gefallen Brigitte Müller. Deshalb freut sie sich, dass zu ihrer neuen Aufgabe auch ein Teil Gemeindearbeit gehört. Im Wesentlichen jedoch wird sie sich als Dekanin mit strukturellen Fragen beschäftigen müssen. „Es wird Fusionen und Kooperationen geben müssen. Diese zu gestalten reizt mich ungeheuer.“ Auch die Zusammenarbeit des relativ kleinen Kirchenbezirks Brackenheim mit anderen Dekanaten stehe an. Wichtig ist ihr „nicht nur abzuwickeln, sondern nachhaltige Lösungen zu finden“. Man müsse in Krisen die Menschen mitnehmen und für das Neue gewinnen“, so ihre Überzeugung.

Wann sie Esslingen verlässt, weiß Brigitte Müller noch nicht. „Bis zum Sommer bin ich sicher noch da“, meint sie. Denn die Konfirmation und das Mitarbeiterfest will sie noch gemeinsam mit den Zollbergern feiern.