Quelle: Unbekannt

Von Elisabeth Maier

An seinen Garten in Afghanistan erinnert sich der Asylsuchende Saber gerne. „Da habe ich immer mit meinen Kindern gespielt“, sagt der Familienvater, der seine Heimat vermisst. Als er flüchten musste, war seine jüngste Tochter gerade zweieinhalb Monate alt. In der Köngener Flüchtlingsunterkunft in der Wertstraße lernt er mit anderen jungen Männern die deutsche Sprache. Die Lehrerin Kirstin Mörchen unterrichtet die Gruppe. Nun hat sie gemeinsam mit dem Fotografen David Graeter ein Buch herausgegeben, das auf Geschichten der jungen Afghanen basiert.

„Nazare Chub“ lautet der Titel des schön gebundenen Buches, dessen Produktion der Sozialfonds und der Köngener Arbeitskreis Asyl ermöglicht haben. Das heißt übersetzt „eine gute Idee“. Das Bändchen mit David Graeters ausdrucksstarken Hochglanzbildern ist für zehn Euro im Buchhandel zu haben - unter anderem in der Köngener Bücherecke Rehkugler, im Wendlinger Buchladen im Langhaus und beim Esslinger „Provinzbuch“.

Auf ihr gemeinsames Projekt sind die jungen Afghanen sehr stolz. „Ich habe in der Gruppe mal erzählt, dass ich gerne lese“, erinnert Saber an die Anfänge des Projekts. Aber mit deutschen Büchern tut sich der Spediteur schwer - in Afghanistan sind Persisch und Paschto die offiziellen Regierungs- und Landessprachen. Die einfühlsame Pädagogin Mörchen brachte die jungen Männer dazu, von ihren Erlebnissen auf der Flucht zu erzählen. „Das ist schwer, ich habe Sehnsucht“, sagt Saber, der seine Frau vermisst. Ab und zu darf das Ehepaar telefonieren. Hamed sehnt sich nach seinen Eltern und den Geschwistern. Er ist Lehrer und hat Englisch studiert. Daher fällt es ihm leichter, nun Deutsch zu lernen. Die anderen tun sich schon mit den Schriftzeichen schwer.

Weil die Flüchtlinge Angst haben, auch hier verfolgt zu werden, wollten sie ihre Namen nicht veröffentlichen. „Damit es leichter fällt, haben wir den Erzähler Zachidad erfunden“, sagt Kirstin Mörchen. Der 26-Jährige trägt biografische Züge von einigen der jungen Männer im Autorenteam. Mörchen hat die Geschichten aufgeschrieben. „Eine klare, grammatikalisch einfache Sprache“ sollte es werden., sagt die Pädagogin. Denn sie hofft, dass auch andere Asylsuchende das Buch lesen und damit noch etwas mehr Sprachpraxis bekommen. „Uns ist es auch wichtig, dass die Menschen in Deutschland unsere Situation besser verstehen“, sagt Hamed. Er ist fassungslos über die Diskussion, dass Afghanistan als sicheres Herkunftsland eingestuft werden soll. Würde er zurückkehren, hätte er Angst vor der Verfolgung durch die Taliban. „Hier kann ich in Ruhe spazieren gehen. Das wäre zuhause kaum möglich.“

Für den Kunst- und Theaterfotografen David Graeter war das Buchprojekt eine Herausforderung. „Die jungen Männer wollen nicht erkannt werden“, erzählt er. Denn die Angst, verfolgt zu werden, sei groß. Behutsam hat der Fotokünstler die Afghanen aus der Reserve gelockt. Symbolische Bilder, die im Buch zu sehen sind, spiegeln die Angst davor, erkannt zu werden. Das hat den erfahrenen Fotografen betroffen gemacht. Diese Emotionen spüren die Betrachter in seinen Fotografien. Ein Mann sitzt in einem Rundbogenfenster auf der Burgruine Hohenneuffen. Auf dem Bild ist sein Rücken zu sehen. Der Blick schweift über die Alblandschaft ins Neckartal. Dieses Bild verrät Sehnsucht. Weil die Flüchtlinge ihre Gesichter verbergen möchten, hat Graeter ihre Augenpartien fotografiert und in ein gemeinsames Bild gebannt. Einsamkeit und Verzweiflung spricht aus vielen der besonderen Fotografien.

In einer Auflage von 2000 Stück haben Mörchen und Graeter das Buch drucken lassen - Hilfe bekamen sie vom Köngener Panico Alpinverlag, der sich auch im das hoch professionelle Layout kümmerte. Die beiden möchten mit den Lesern ins Gespräch kommen. Und auch den Flüchtlingen, die in Köngen eine neue Heimat gefunden haben, ist dieser Dialog wichtig. „Ich wünsche mir, dass die Menschen hier in Deutschland verstehen, warum wir unsere Heimat verlassen mussten“, sagt Saber. Die Arbeit an dem Buch war für den jungen Afghanen ein guter Anfang, über seine Ängste und Sorgen zu sprechen „und damit nicht mehr alleine zu bleiben“.

Das gebundene Buch „Nazare Chub - eine gute Idee“ kann für zehn Euro auch über das Internet bezogen werden: buchbestellung@asyl-in-koengen.de

Kein guter Tag

Heute geht es mir nicht gut.

Ein Nachbar hat uns erzählt, dass viele Afghanen in ihre Heimat zurück geschickt werden. Dass wir kein Recht auf Asyl haben.

Das verstehe ich nicht.

Mahmud sagt, dass das nicht stimmt. Er sagt, dass es nur lange dauert, unsere Asylanträge zu bearbeiten, aber dass wir eine Aufenthaltserlaubnis bekommen werden. Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Ich kann nicht klar denken. Wie kann jemand sagen, dass Afghanistan sicher ist? In Afghanistan ist seit vielen Jahrzehnten Krieg. Wenn ich in meiner Heimat nur ein kleines Problem gehabt hätte, dann wäre ich geblieben.

Leseprobe aus „Nazare Chub - eine gute Idee“ (Druckerei und Verlag Steinmeier, Deiningen, 10 Euro)