Quelle: Unbekannt

Wili Diez gründete 1995 das Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen. Eine Erfolgsgeschichte. Nun geht der passionierte Porsche-Fahrer in den Ruhestand.

GeislingenDie Tagesschau-Sprecherin kommt in der Sendung auf das Thema Volkswagen. Es geht um den geplanten Umbau des Wolfsburger Konzerns. Links im Bild – per Live-Schaltung eingeblendet – sitzt ein grauhaariger Mann mit Schnauzer vor einem Bücherregal. Die Moderatorin fragt den Automobilexperten Willi Diez nach seiner Einschätzung zur VW-Umstrukturierung. Experten für Automobilthemen gibt es hierzulande viele, aber nur wenige, die es geschafft haben, sich über die Jahre einen Ruf als kompetente Ansprechpartner aufzubauen. Zu diesen „Autopäpsten“ – das „Handelsblatt“ bezeichnete sie einst als „Seher in Autoland“ – gehören Ferdinand Dudenhöffer, Stefan Bratzel und – am längsten dabei – Willi Diez. Von 1991 an baute der Wirtschaftswissenschaftler Diez den Studiengang Automobilwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen auf. 1995 gründete er das Institut für Automobilwirtschaft in Geislingen (IFA). Unaufgeregt und sachlich beantwortet Diez die Fragen der Tagesschau-Moderatorin.

Es wird eines seiner letzten Fernseh-Interviews sein, denn am heutigen Dienstag übergibt er die Leitung des IFA-Instituts an seinen Nachfolger Stefan Reindl. Reindl ist ein Eigengewächs, arbeitete viele Jahre als Stellvertreter von Diez. „Meine Nachfolge ist geregelt und in guten Händen. Darüber bin ich froh. Für mich war immer klar, dass spätestens 2018 Schluss ist“, sagt Diez. Am 20. April wird er 65 Jahre alt. Montagabend fand die Abschiedsveranstaltung statt, die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) und Daimler-Chef Dieter Zetsche waren mit von der Partie.

„Nicht der Nabel der Welt“

Die Erfahrungen in der Industrie waren für Diez der Grundstein für seine Arbeit als Wissenschaftler. „Ich verdanke Daimler viel“, sagt Diez. Vor seiner Zeit in Geislingen war er Vorstandssekretär beim schwäbischen Autohersteller. Die Karriereaussichten bei so einem Posten sind gut. „Meine Kollegen waren Wilfried Porth und Andreas Renschler“, erzählt Diez. Beide sind später zu Vorstandsmitgliedern ernannt worden. Auch Diez hätte diesen Weg einschlagen können, doch Ende der 80er-Jahre klopfte die Hochschule an, mit einem besonderen Anliegen: „Haben Sie Lust, einen neuen Studiengang aufzubauen?“ Diez überlegte genau, die Neugier überwog: „Es reizte mich, etwas Neues aufzubauen, den eingeschlagenen Weg zu ändern. Diese Chance bekommt man nicht oft im Leben.“ Wissenschaftlich gearbeitet habe er sowieso immer gerne.

Nach der Berufung zum Professor begann Diez mit dem Aufbau des automobilwirtschaftlichen Studienganges. „Angefangen haben wir mit 15 Studierenden, heute sind es 400.“ Es war kein Selbstläufer. „Wäre der Standort Stuttgart oder München gewesen, hätte ich mir keine Sorgen gemacht. Aber Geislingen an der Steige ist nunmal nicht der Nabel der Welt.“ Doch die Sorge war unbegründet: „Die Studierenden, die sich bei uns immatrikuliert haben, wollten auch zu uns kommen.“ Das wenige Jahre später von Diez gegründete IFA-Institut entwickelte sich zu einem der führenden Kompetenzzentren im Bereich der Automobilwirtschaft und verschaffte der Hochschule viel Aufmerksamkeit. „Man muss in der Lehre immer einen Kontakt zur Praxis haben und einen Blick in die Zukunft erarbeiten“, sagt Diez. In Kooperation mit Partnern wie Dekra führt das Institut zahlreiche Studien durch. Einmal im Jahr findet an der Hochschule der „Tag der Automobilwirtschaft“ statt.

Der in Nürtingen geborene Diez machte sich bereits in den 90er-Jahren einen Namen als Wissenschaftler und gab als Autoexperte Interviews. „Am Anfang habe ich vor allem zu wirtschaftlichen Themen Stellung bezogen, um in keinen Interessenskonflikt zu kommen“, sagt Diez. In den frühen Jahren an der Hochschule war die Verbindung zu Daimler nämlich noch sehr eng: Von 1991 bis 1997 war Diez persönlicher Berater des Vorstandsvorsitzenden Helmut Werner. Nachdem er seine Beratertätigkeit bei Daimler beendet hatte, nahm Diez zunehmend auch zu strategischen Unternehmensfragen Stellung.

„Schwere Phase mit Daimler“

Das trübte das Verhältnis zum Autohersteller allerdings empfindlich. Ausschlaggebend dafür war ein Interview mit der Sportzeitschrift „Auto Motor Sport“ . Diez äußerte sich Ende der 90er-Jahre kritisch zur geplanten Chrysler-Übernahme unter dem Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp. Bei Daimler war man darüber „not amused“. „Eine sehr schwierige Phase“, sagt Diez. „Ich habe mich oft gefragt, ob es richtig war, meine Kritik öffentlich zu machen. Aber manchmal braucht es einen Weckruf von außen.“ Das Ende der Übernahme-Geschichte ist bekannt: 40 Milliarden Euro kostete Daimler die „Ehe des Grauens“, wie die Süddeutsche Zeitung die gescheiterte Fusion einst bezeichnete. Dass er mit seiner Einschätzung richtig lag: geschenkt. „Davon konnte ich mir im Nachhinein dann auch nichts mehr kaufen“, sagt Diez heute schmunzelnd.

Die Bezeichnung „Autopapst“ mag er aber eigentlich nicht so gern. Es klinge so „unfehlbar“, dabei seien Wissenschaftler genau das Gegenteil. „Es gibt doch immer eine gewisse Irrtumswahrscheinlichkeit“, sagt Diez. Auch ein Manager mache Mist. „Am schlimmsten finde ich Manager, bei denen es immer weiter bergab geht, die aber nach wie vor behaupten, alles richtig gemacht zu haben.“ Auch er habe sich das ein oder andere Mal bei einer Prognose geirrt: „Beispielsweise bei Tesla“, erzählt er. „Ich hätte niemals gedacht, dass ein Unternehmen, das so viele Verluste macht, an der Börse erfolgreich sein kann. Ich bin davon ausgegangen, dass Elon Musk den Löffel hinschmeißt.“

Und was kommt nun bei Willi Diez? „Ich habe keine Ämter mehr an der Hochschule, aber noch ein paar Beirats- und Verwaltungsmandate.“ Die Auftritte als „Autopapst“ will der Porsche-Fahrer reduzieren. „Allein aus Respekt meinem Nachfolger gegenüber.“ Der Professor im Ruhestand möchte einige ehemalige Studenten besuchen, die als Führungskräfte um den Erdball verstreut arbeiten. Sonst gilt: „die Entdeckung der Langsamkeit.“ Mehr Zeit fürs Skifahren, für die Ehefrau und die Oper. „Ich liebe Wagner-Opern, bin aber fast immer währenddessen eingeschlafen, da oft ein anstrengender Arbeitstag hinter mir lag.“ Seine Frau habe sich deshalb in der Vergangenheit geweigert, weiterhin Opern mit ihm zu besuchen. „Das soll sich nun wieder ändern.“

Zur Person

Willi Diez ist 1953 geboren, studierte Wirtschaftswissenschaften an den Universitäten Freiburg und Tübingen.

Von 1979 bis 1991 war er in verschiedenen Funktionen bei der Daimler AG tätig. Von 1991 bis 1997 war er persönlicher Berater des Vorstandsvorsitzenden der Mercedes-Benz AG, Helmut Werner.

Mit der Berufung zum Professor begann Willi Diez im Jahr 1991 mit dem Aufbau eines automobilwirtschaftlichen Studienganges an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) Nürtingen-Geislingen. Seit 1995 war er zudem Direktor des von ihm gegründeten Instituts für Automobilwirtschaft (IFA).

Diez war Leiter des Porsche Automotive Campus (PAC) an der Hochschule .