Vor zwei Jahren trafen sich die Landräte Foto: oh - oh

Seit 40 Jahren pflegen Verwaltung und Kreistag von Esslingen und München den Erfahrungsaustausch, vor fast 30 Jahren kam Leipzig dazu. Jetzt ist Gipfeltreffen in Esslingen.

EsslingenSeit 40 Jahren pflegen die Landkreise Esslingen und München den Austausch auf Verwaltungsebene, vor fast 30 Jahren kam der Kreis Borna dazu, der nun zum Landkreis Leipzig zählt. Dieses Wochenende sind Delegationen von Verwaltung und Kreistag aus München und Leipzig zum Dreiergipfel in Esslingen. Heute abend geht es in der Kelter in Mettingen erst mal gemütlich zu. Am Samstag besichtigen die Gäste das Multilabor an der Friedrich-Ebert-Schule in Esslingen-Zell und die Lernstraße Industrie 4.0 in Kirchheim. Weitere Themen am Samstag und Sonntag sind E-Mobilität, Radschnellweg, Verwaltungsneubau und Altershilfe-Landschaft.

Die Landkreise München und Esslingen, die seit 40 Jahren den Austausch pflegen, liegen beide in einem Ballungsraum. Klar ist, dass beide unter dem Verkehr leiden und neue Wege suchen müssen. Wer ist da schon weiter?
Eininger: Kommunalpolitik ist keine Olympiade, wo es um höher, schneller oder weiter geht. Kommunalpolitik orientiert sich an den örtlichen Gegebenheiten, die sehr unterschiedlich sein können. Nehmen wir nur die topografischen Unterschiede zwischen München und Esslingen, die uns im Landkreis Esslingen beispielsweise beim Schienenverkehr vor ganz andere Herausforderungen stellen, als unsere Münchner Kollegen. Mit den Fragen der nachhaltigen Mobilität beschäftigen sich nicht nur Esslingen und München, sondern auch Leipzig. Das geschieht auf teilweise unterschiedliche Art und Weise, aber in der Zielrichtung sind wir uns – soweit ich es vor den Gesprächen beurteilen kann – einig. Über Details werden wir sprechen und sicherlich neue Anregungen erhalten.

Worin unterscheiden sich die beiden Landkreise München und Esslingen?
Eininger: Der Landkreis Esslingen liegt mit über 830 Einwohner pro Quadratkilometer deutschlandweit mit an der Spitze und ist wesentlich dichter besiedelt als der Landkreis München mit rund 522 Einwohner pro Quadratkilometer. Dagegen liegt der Kreis München laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus 2017 unangefochten an erster Stelle Deutschlands, was die Steuereinnahmekraft je Einwohner betrifft. Esslingen liegt mit nicht mal der Hälfte der Münchner Einnahmekraft auf Rang 46. Außerdem ist die Region Stuttgart wesentlich polyzentrischer strukturiert als die Region München.

Was verbindet den Landkreis Esslingen mit dem Landkreis Leipzig?
Eininger: Alle drei Landkreise verbindet, dass sie wie ein Kragen um eine jeweilige Metropole liegen und daher eine ähnliche Stadt-/Umlandthematik haben. Mit dem Landkreis Leipzig verbindet uns zudem, dass wir nach dem Fall der Mauer den Aufbau der Landkreisverwaltung von Teilen des heutigen Landkreises Leipzig mit Verwaltungs-Know-how unterstützt haben. Unser Austausch ist sozusagen ein Kind der Wende.

In der Öffentlichkeit gewinnt man seit einiger Zeit den Eindruck, als würden sich die östlichen Bundesländer wieder vom Westen entfernen. Wird dieses Thema beim Austausch eine Rolle spielen?
Eininger: Wir konzentrieren uns beim diesjährigen Treffen ganz stark auf Zukunftsthemen, wie zum Beispiel Digitalisierungsstrategie in den beruflichen Schulen, alternative Mobilitätskonzepte und Fragen des demografischen Wandels. Aufgaben, die uns inhaltlich einen.

Über Erfahrungen zu reden ist nett. Aber haben Sie schon Ideen, die Sie aus München oder Leipzig mitgebracht haben, hier im Kreis Esslingen umgesetzt?
Eininger: Über Erfahrungen zu reden ist nicht nur nett. Es ist wichtig, wenn man von anderen erfährt, die ähnliche strukturiert sind, wie sie Themen angehen und welche Erfahrungen sie gemacht haben. Das erweitert nicht nur den Horizont, sondern ist hilfreich bei der eigenen Entscheidungsfindung. Schauen wir doch mal, was auf der Agenda bei den letzten drei Gesprächsrunden stand: umweltfreundliche Mobilität, Klimaschutzkonzepte, Asyl- und Integrationsfragen und Radschnellverbindungen. Alles Themen, die uns in den letzten Jahren und auch derzeit noch intensiv beschäftigen. Bei der Tarifzonenreform hat München von uns gelernt. Bei unseren Mobilitätskonzeptionen gehen wir fast den gleichen Weg. Unsere Naherholungsvereine Schwäbische Alb und Neckartal haben vor mehr als 30 Jahren ihr Vorbild in München gefunden und arbeiten seither erfolgreich. Die Reihe der Beispiele ließe sich fortsetzen. Und noch eins: Leipzig und München haben ihre Krankenhäuser privatisiert. Wir sind den gegenteiligen Weg mit Erfolg gegangen. Manchmal ist es auch wichtig zu erfahren, wie man es nicht machen will. Also ein wertvoller Austausch – wie bereits diese wenigen Beispiele zeigen.

Die Fragen stellte Roland Kurz

Landkreis München: knapp 350 000 Einwohner. Die 29 Städte und Gemeinden des Landkreises umschließen München vom Norden bis in den Südwesten der Stadt. Arbeitslosenquote: 2,2 Prozent (12/2018).

Landkreis Leipzig: 257 000 Einwohner. 19 Städte und 11 Gemeinden. Sitz der Kreisverwaltung in Borna. Die Arbeitslosenquote sank im August auf den neuen Tiefstand von 4,8 Prozent.