Ihre Ringe tragen sie zum Zeichen ihrer Ehe an Ketten um den Hals: Thomas Lodermeyer und Uwe Mathes haben gestern geheiratet. Foto: Hauenschild Quelle: Unbekannt

„Insgesamt ist die Gesellschaft in den vergangenen 25 Jahren mitgewachsen, offener geworden.“

Von Greta Gramberg

Mit einer Annonce in der Zeitschrift Sperrmüll hat alles begonnen: „Raum GP und 50 km. Ich, 23/180/75, habe das Alleinsein satt. Suche einen zärtlichen, natürlichen Jungen bis 28, dem es ebenso ergeht und sich nach einer Freundschaft sehnt. Ich freue mich jetzt schon auf Deine Zuschrift.“ Uwe Mathes ließ den Text 1989 in der Rubrik „Er sucht ihn“ drucken und lernte so den gleichaltrigen Thomas Lodermeyer kennen. Seit gestern, 28 Jahre nach dem ersten Kontakt, können sich die beiden endlich Eheleute nennen. Im Alten Rathaus Plochingen sind die Männer getraut worden.

Seit Oktober können gleichgeschlechtliche Paare eine Ehe schließen. „Wir machen auf den Topf endgültig den Deckel drauf“, erklärt Uwe Mathes trocken. Denn rechtlich oder steuerlich gesehen bedeutet das keinen großen Unterschied für den 52-Jährigen und seinen Angetrauten. Seit 15 Jahren haben sie eine eingetragene Partnerschaft - der 9.9.2002 bleibt für sie das entscheidende Hochzeitsdatum. „Wenn er im Krankenhaus auf der Intensivstation gelegen wäre, hätte ich ihn nicht sehen können“, erklärt Mathes die Situation, in der schwule und lesbische Paare zuvor gesteckt hatten.

Dabei war die Zeremonie damals wenig feierlich: Sie mussten aufs Waffenamt des Landratsamts Göppingen, weil nur dort ein Beamter befugt war, eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu beurkunden - nach dem Motto: „Um Gottes Willen, kommt zur Hintertür!“, wie Thomas Lodermeyer im Rückblick scherzen kann. Auf dem Standesamt Plochingen seien sie dagegen mit offenen Armen empfangen worden. Gestern also die kleine Zeremonie mit den Trauzeugen - die Ringe von vor 15 Jahren haben sich die beiden an Ketten um den Hals gehängt, weil sie nicht mehr passen.

Seit der Annonce in der Zeitschrift Sperrmüll hat sich viel verändert. Zum einen die digitalen Möglichkeiten, sich kennenzulernen. Schwulentreffpunkte auf Parkplätzen, Briefkontakt nur postlagernd. Es war nicht ungefährlich, erinnert sich Mathes. Statt ein Stelldichein mit einem Unbekannten konnte auch eine Gruppe Schwulenfeindlicher auf dem abgelegenen Parkplatz warten.

Doch wer mit Thomas Lodermeyer und Uwe Mathes spricht, merkt, dass sie sich schon in diesen Zeiten nicht unterkriegen lassen haben. Als er seinem Vater irgendwann erzählt habe, dass er schwul sei, habe der ein paar Wochen nicht mit ihm gesprochen, erzählt Mathes. „Aber das war mir egal.“ Ehemann Thomas wusste früh, was er will, wurde aber von seinen Eltern in zwei Ehen mit Frauen gedrängt.

In dieser Zeit lernten sich Mathes und Lodermeyer kennen. Ab 1991 hatten sie eine heimliche Affäre, bis sich Lodermeyer und seine zweite Frau 1992 trennten und Mathes zu ihm nach Böhmenkirch zog. Als die Partnerschaft den Familien bekannt gegeben wurde, habe es erst Naserümpfen gegeben. „Aber es haben sich alle wieder eingekriegt“, so Lodermeyer. Die Männer versteckten ihre Beziehung nicht. 1994 gründeten sie eine Gruppe für Gleichgesinnte im Kreis Göppingen.

Im kleinen Böhmenkirch war nicht jeder mit der Partnerschaft einverstanden, die Pizzeria wollte etwa nicht als Schwulentreff gelten und bat sie, nicht mehr zu kommen. Ob sie das offene Leben als Schwule bereut haben, unglücklich waren? „Ne, zum Schutz hatten wir unsere Beziehung“, sagt Lodermeyer. Aber es zog sie weg aus dem ländlichen Raum. Nach einem Zwischenstop in Eislingen zogen die Männer 2005 nach Plochingen, wo sie sich heimisch fühlten und später eine Eigentumswohnung kauften. Hier kennt man das Paar. Im Supermarkt frage man ihn nach dem Befinden seines Mannes, so Lodermeyer.

„Wir sind sehr routiniert und wie ein altes Ehepaar“, sagt Mathes, der an seinem Thomas die Fürsorglichkeit schätzt. Lodermeyer findet seinen Uwe „einfach nur lieb“. „Wir können miteinander reden.“ Das ist auch ihr Rezept für 25 glückliche gemeinsame Jahre: Offenheit. Warum noch die Ehe, wenn sich dadurch kaum etwas ändert? Es sei für diese Gleichstellung gekämpft worden, nun müsse man die Möglichkeit auch nutzen, argumentieren die beiden. Außerdem klinge Ehe schöner als eingetragene Partnerschaft. „Es ist kein klinisches Wort.“