Orgelbauer Christian Kamm erklärt den Besuchern den Klangkörper einer Celesta. Foto: Bail - Bail

Die Celesta ist die Himmlische, aber außer Experten kennt das Instrument kaum jemand. Produziert wird die „Prinzessin der Instrumente“ von der Firma Schiedmayer in Wendlingen.

WendlingenHarry Potter, den Magier, kennt jeder, Celesta, die Himmlische, nur wenige. Dabei spielt das magische Instrument eine große Rolle in dieser Filmmusik. Der Soundtrack wurde mit einer Celesta aus Wendlingen eingespielt. Dort wird die „Prinzessin der Instrumente“ hergestellt. Ganz ohne Zauberei, aber mit viel Wissen und handwerklichem Geschick, wie die SWR-Produktion über „Die Celesta-Manufaktur Schiedmayer“ in 30 Minuten zeigt. Premiere hatte Gerd Ries‘ Film in den Räumen der Traditionsfirma vor einem handverlesenen Publikum.

Den klanglichen Unterschied zwischen Flügel und Celesta machte der einstige „Traumschiff“-Showpianist Waldemar Graf an beiden Instrumenten bei einem kleinen Konzert live deutlich. Keine strenge Kammermusik, sondern locker-flockige Melodien-Loops, inspiriert von der nebenstehenden Phonola aus dem Jahr 1916, einem selbstspielenden, walzenbetriebenen Klavier. Auf die Ouvertüre folgte die Premiere: Auch für Elianne Schiedmayer, die die Firma seit dem Tod ihres Mannes Georg, 1985, leitet und Geschäftsführer Knut Schiedmayer war der Film eine Überraschung, die, den erfreuten Gesichtern nach zu urteilen, offensichtlich gut ankam.

Gerd Ries rollte die fast 300-jährige Firmengeschichte der Klavierbauerdynastie auf und unternahm mit der Kamera einen Abstecher in die Werkstatt, in der neun Mitarbeiter mit viel Feingefühl für Kunden in aller Welt 30 Instrumente pro Jahr herstellen. Ohne deren glockenheller, perlender Klang wäre der „Tanz der Zuckerfee“ in Tschaikowskys Ballett „Der Nussknacker“ undenkbar . Mindestens acht Wochen dauert es, bis Klangkörper und Gehäuse zusammengefügt werden können. „Hochzeit“ nennen das die Experten. Zwei Wochen bleibt jedes Instrument danach noch im Haus, wird gestimmt. Erst, wenn Elianne Schiedmayer eigenhändig die Endabnahme vorgenommen hat, geht das Instrument, das so wertvoll wie ein Mittelklassewagen ist, im speziellen Flight Case in alle Herren Länder. Ein wichtiger Markt ist Asien. Das zehntausendste Instrument wurde nach Ostindien geliefert, das zwanzigtausendste nach Tübingen.

Alle namhaften Orchester haben eine Celesta, manche sogar bis zu vier, sagt die Firmenchefin. Der große Vorteil: das Instrument verstimmt sich nicht wie ein Klavier, da die Stahlplatten, durch die der „himmlische“ Klang per Schlag mit dem Filzhammer erzeugt wird, fester sind als Saiten. Der Pariser Harmoniumbauer Victor Mustel erfand 1886 das Tasteninstrument und ließ es sich patentieren. Schiedmayer ist weltweit die einzige Firma, die die Celesta nach seinen Vorgaben fertigt. Versucht haben es einige wenige. Gelungen ist es keinem, sagt die Chefin.

Den Grundstein der Klavierbauerdynastie, die 20 bedeutende Instrumentenbauer hervorgebracht hat, legte Balthasar Schiedmayer, der 1735 sein erstes Clavichord in Erlangen baute. Nachfahren gründeten 1809 in einem Stuttgarter Hinterhaus eine Klaviermanufaktur. 1821 zog sie in die Neckarstraße, heute Konrad-Adenauer-Straße. 1944 wurde sie durch Bomben zerstört. Zwei Jahre später erfolgte der provisorische Wiederaufbau. Die geplante Stuttgarter Kulturmeile mit Musikhochschule und Haus der Geschichte machte die Erweiterungspläne zunichte. Die Firma musste das Gelände 1969 verlassen, die Produktion wurde nach Altbach verlegt. 1980 stellte Georg Schiedmayer die komplette Klavierproduktion ein und konzentrierte sich auf die Herstellung von Celesten und Tastenglockenspielen. 1985 zog das Unternehmen nach Plochingen, im Jahr 2000 nach Wendlingen.

Dort findet seither die faszinierende Arbeit mit Klängen statt. Tausende von Einzelteile fertigen die beiden Orgelbauern Christian Kamm und Joachim Weigle sowie Instrumentenbauer Markus Schmid und weitere Kollegen in der Werkstatt in sorgfältiger Handarbeit. Das erfuhren die Premierenbesucher bei einem geführten Rundgang. Sie waren überzeugt, dass, wenn die Orgel als Königin der Instrumente gilt, die Celesta in jedem Fall die kleine Prinzessin ist.

Der Film „Prinzessin der Instrumente“ ist heute von 18.15 bis 18.45 Uhr im SWR-Fernsehen zu sehen.