Ella Reick (links) und Gisela Mauz entschlüsseln, wer auf historischen Fotos abgebildet ist. Foto: Rapp-Hirrlinger - Rapp-Hirrlinger

Die fünf Mitglieder der AG Foto in Denkendorf betreiben mitunter mühsame Detektivarbeit. Sie versuchen Menschen zu identifizieren, die auf historischen Familienfotos zu sehen, aber nirgends vermerkt sind. Sie hoffen, dass Bürger ihnen noch viele Fotos für eine Dokumentation zur Verfügung stellen.

DenkendorfErnst blickt die dörfliche Hochzeitsgesellschaft in die Kamera, selbst die Braut ist schwarz gekleidet. So war es zu Beginn des 20. Jahrhunderts Mode. Doch wer ist auf dem Foto zu sehen? Ella Reick betrachtet konzentriert jedes Gesicht, nennt Namen, verwirft sie wieder und ist auf einmal ganz sicher, jemand erkannt zu haben. Dann wendet sie sich dem nächsten Hochzeitsgast zu. Die 90-Jährige gehört zu den wichtigsten Helfern der AG Foto Denkendorf um Gisela und Reinhard Mauz. Die AG hat es sich zur Aufgabe gemacht, historische Fotografien aus Denkendorf zu sichern. Mehr als 300 Bilder von Jahrgängen zwischen 1867 und 1974 hat die Gruppe bereits erfasst, nun sind Familienfotos an der Reihe.

Hochzeitsgesellschaften, Brautpaare, Hochzeitsumzüge oder Eltern mit ihren Kindern sollen das dörfliche Leben dokumentieren. „Doch ohne zu wissen, wer sich auf den Fotos befindet, sind sie wertlos und ein einmaliger kultureller Schatz geht unwiederbringlich verloren“, erklärt Reinhard Mauz. „Wir sind schon sehr spät dran.“ Die Besitzer der Fotos hätten leider in den seltensten Fällen daran gedacht, zu vermerken, wer abgebildet ist. So kommen Ortskundige wie Ella Reick ins Spiel. Sie hat sich schon immer für die Heimatgeschichte interessiert und kennt viele der Abgebildeten persönlich. „Auf dieser Hochzeit war ich selbst eingeladen“, deutet sie auf ein Foto. Deshalb geht es schnell mit der Identifizierung. „Ihr Gedächtnis ist phänomenal“, schwärmt Gisela Mauz, die jeden Namen notiert.

Wenn es mal nicht klappt, sucht Mauz nach anderen Ortskundigen, die bei der Detektivarbeit weiterhelfen können. „Manchmal braucht es Umwege“, erzählt sie. Und zuweilen müsse man auch akzeptieren, dass man jemanden nicht benennen könne. Manche Person können sie nur mit Hilfe anderer Fotos identifizieren. Wie auf den Bildern von zwei Hochzeitspaaren, die Ellla Reick und Gisela Mauz unter die Lupe nehmen. Bald ist klar, dass es ein und derselbe Bräutigam aus der Familie Rommel ist – einmal mit seiner ersten und dann seiner zweiten Frau. Beim dritten Bild vermutet Reick, dass es sich um den Bruder handelt: „Der hat auch diese Rommel-Augen.“ Familienähnlichkeiten, Gesichtszüge, Frisuren oder der Körperbau helfen bei der Zuordnung: „Seine Frau war größer als er“, nennt Reick als Indiz, dass sie bei der Identifizierung eines Brautpaars auf der richtigen Spur sind.

Nicht selten liefert Ella Reick zu den identifizierten Personen auch amüsante Geschichten, erzählt von außerehelichen Liebschaften oder familiären Verwicklungen. Sie weiß von vielen, wo sie in die Lehre gingen, woher die Ehepartner stammten, was aus den Kindern wurde oder dass jemand in die USA auswanderte. Pfarrhaus-Rommel, Bad-Brucker, „Ipser“ – also Gipser – Brucker, Weiß-Maier, Öl-Anna oder Schreiner-Reutter – die Beinamen, die Ella Reick kennt, verraten einiges über Beruf oder Wohnort in einer Gemeinde, in der viele Familien denselben Nachnamen und über Generationen oft auch dieselben Vornamen trugen. „Das ist eine riesige Schwierigkeit für unsere Arbeit“, sagt Gisela Mauz. „Aber es macht auch riesigen Spaß.“ Da sind sich beide Frauen einig.

Reinhard Mauz vermutet, dass noch manche fotografische Kostbarkeit auf Dachböden oder in Schränken schlummert. Er appelliert an die Denkendorfer, alte Familienfotos zur Verfügung zu stellen – „am besten wäre es natürlich mit den Namen der Abgebildeten“. Falls nicht, sind eben wieder die findigen Detektivinnen gefragt.

In der AG Foto arbeiten das Ehepaar Mauz, Irene Abele, Markus Müller und Fritz Mauz fest mit. Mehr als 1000 Fotos haben sie bereits erfasst. Reinhard Mauz geht aber von möglicherweise 2500 Familienfotos aus, die für ihr Projekt in Frage kommen. Sobald die Abgebildeten geklärt sind, werden die Bilder digitalisiert und archiviert, um sie für die Nachwelt zu sichern. Entstehen soll eine Dokumentation, die über einen Katalog samt Index der Allgemeinheit zur Verfügung steht. Wer Fotos zur Verfügung stellt, bekommt sie wieder zurück. Gesucht werden Familienfotos bis in die 1970er-Jahre. Die fotografische Dokumentation ergänzt das Ortsfamilienbuch, für das Reinhard Mauz, Markus Müller und Fritz Mauz in jahrelanger Arbeit Daten zu 4560 Denkendorfer Familien zusammengetragen haben.

Kontakt: Gisela und Reinhard Mauz, Telefon 0711 34 41 77, oder im Internet: www.ofb-denkendorf.jimdo.com/ag-foto