Der Bus zum Flughafen ist für Pendler und Urlauber attraktiv. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Mobilitätsserie: Denkendorf hat gute Busverbindungen: zur Stadtbahn in Nellingen, nach Esslingen und zum Flughafen. Doch Staus und Baustellen stören den Takt.

DenkendorfMobilität hat in Denkendorf zwei verschiedene Seiten. Die Nachteile: Die A 8 hört man im Ort Tag und Nacht, auch die Landesstraße 1204 ist stark befahren, Düsenjets stoppen jedes Gespräch auf der Terrasse und in einigen Jahren wird auch noch der ICE vorbeirauschen. Die Vorteile: Denkendorf ist gut mit der Welt verbunden. In acht Minuten ist man mit dem Pkw auf der Autobahn, in elf Minuten mit dem Filderexpress (Linie 119) an der U-Bahn-Station in Nellingen und in 18 Minuten mit dem Express-Bus am Flughafen. Dort wird man in einigen Jahren in den ICE einsteigen können. Zukunftsmusik ist noch der eigene Schienenanschluss, zum Beispiel durch die S-Bahnverlängerung über Neuhausen hinaus.

Grundsätzlich sei Denkendorf beim Personennahverkehr „gut aufgestellt“, findet der neue Bürgermeister Ralf Barth. Aber den heiklen Punkt hat er schon mitbekommen: die Zuverlässigkeit der Busse. „Das Thema, das uns am meisten beschäftigt.“ EZ-Leserin Edith Nebel hat sich schon vor Wochen gemeldet, damit das Problem auf jeden Fall in der Mobilitäts-Serie angesprochen wird: „Der 119er macht’s jeden Morgen spannend, ob ich meinen Stadtbahnanschluss noch erwische“, schreibt sie. In Nellingen hat sie nur drei Minuten Umsteigezeit, um die U 8 zu erwischen. Sogar auf dem offiziellen Fahrplan der SVE wird der Fahrgast gewarnt: „häufige Verspätungen durch Umleitungsverkehr“.

Die Stadtbahn wartet nie; ein Bus könnte kurz warten, wenn die U 8 aus Stuttgart in absehbarer Zeit ankommt. Leider sei das fahrerabhängig, hat Bürgermeister Barth von seinen Bürgern erfahren. Und einen Fall, bei dem eine Rollstuhlfahrerin nicht mitgenommen wurde, hat man ihm auch schon berichtet.

Ein zweiter Kritikpunkt am Busverkehr nach Nellingen: Die Busse für die Schüler sind gelegentlich überfüllt. Schwer in den Griff zu kriegen, weiß Barth. Bei gutem Wetter steigen viele Schüler aufs Rad um, das sie flexibler macht. Doch bei schlechtem Wetter kurzfristig die Kapazität zu erhöhen, schaffe kein Unternehmen, meint Barth. Man werde aber mit der Firma über eine Kapazitätsausweitung im Winter sprechen.

Seit Dezember 2016 hält der schnelle Relexbus ab morgens um 5.15 Uhr stündlich in Denkendorf. Für 2,90 Euro bringt einen der X10 in 18 Minuten zum Flughafen – wenn die L 1204 nicht gerade als verstopfte Schleichstrecke dient. Ein „Erfolgsmodell“, sagt der Bürgermeister. Der Bus, der in Kirchheim startet, werde von Urlaubern und Pendlern gleichermaßen genutzt. Zwar liege die Haltestelle am Ortsrand, aber spätestens an der Randstraße in Neuhausen erkenne der Fahrgast den Vorteil, wenn der Bus keinen Schlenker in den Ortskern mache, sondern direkt zum Flughafen fahre.

Innerorts läuft ein weiteres Erfolgsmodell: der Bürgerbus, der seit 2011 montags bis freitags seine Runden dreht und die Fahrgäste zum Einkaufsmarkt, zum Friedhof oder zum Freibad bringt. Mehr als 30 000 Fahrgäste wurden bislang gezählt. Die älteren Leute seien für das Angebot sehr dankbar, berichtet Barth, denn es erhalte die Selbstständigkeit noch einige Jahre. Die Fahrzeit zum Freibad, etwa vom Wohngebiet Lange Äcker, ist mit 45 Minuten für jüngere Leute oder Eltern mit Kindern nicht gerade attraktiv. Aber schon die Teilstrecke bis zu Weingartstraße – 13 Minuten – bringt eine erhebliche Erleichterung.

Den Aufruf der Landesregierung, „Mobilität neu zu denken“, hat der junge Bürgermeister durchaus gehört. Am Hebel, um die Infrastruktur zu verändern, sitzt er nicht, aber er träumt von Verbesserungen. In Zeiten, in denen auf den westlichen Fildern über eine Seilbahn nachgedacht werde, dürfe eine Gemeinde mit 11 000 Einwohnern darauf aufmerksam machen, dass sie am Schienenanschluss interessiert sei. Das Projekt müsse auf regionaler Ebene forciert werden. Zeitlich näher liegt der ICE-Halt am Flughafen. Darauf wartet man in Denkendorf. Dann müsse man die Busverbindungen neu ausrichten, meint Barth. Theoretisch benötigt man dann mit X10 und ICE eine Viertelstunde weniger als mit der Linie 119 und der U 8, um an den Stuttgarter Hauptbahnhof zu gelangen.

Mit dem Thema Lärm haben sich die Bürger und ihre Vertreter viele Jahre auseinandergesetzt. Beim Lärmschutz an der A 8 und an der ICE-Strecke wurde einiges erreicht. Innerorts ist der Spielraum begrenzt. Tempo 30 gilt nur auf der Deizisauer Straße (L 1204), wo es vom Regierungspräsidium angeordnet wurde und möglicherweise nur bis zur Sanierung mit einem lärmmindernden Asphalt gilt. In der ebenfalls stark befahrenen Durchfahrt auf Furt-, Friedrich- und Esslinger Straße fehlt es an den rechtlichen Voraussetzungen für eine Temporeduzierung.

Radfahrer haben es nicht einfach in Denkendorf. Überall geht es steil bergauf. Dazu kommt, dass die wichtigste Verbindung von Unter- und Oberdorf – die Friedrichstraße – zu schmal für Schutzstreifen ist. Der Streifen soll dem Radfahrer ein Sicherheitsgefühl geben, erklärt Barth, aber angesichts der Straßenbreite könne man dort keine Sicherheit gewährleisten. Radschnellverkehr? Die geplante Neckartal-Route von Plochingen nach Stuttgart könnte für die Denkendorfer interessant werden. Dann müsse man eventuell die Körschtalstrecke verbessern, meint Barth.

Auf eines können sich Radfahrer schon freuen: Diesen Sommer wird das Körschtal-Viadukt für Radler passierbar gemacht. Das erleichtert die Fahrt in Richtung westliche Filder (Flughafen/Messe). Denkendorfs Hanglage macht den Umstieg aufs Pedelec attraktiv. Für die Motor-Radler steht neben dem Rathaus eine Ladestation bereit. Die Karte zum Öffnen der Steckdose erhält man im Rathaus oder im Café.

Für Autofahrer hat Denkendorf bislang keine Ladestation. Bürgermeister Barth ist an diesem Punkt zurückhaltend und fragt: „Inwiefern ist das überhaupt eine öffentliche Aufgabe?“ Sinnvoll sei eine Ladestation auch nur dort, wo man das Auto längere Zeit stehen lasse, etwa am Rand einer Fußgängerzone. Am Rathaus stehe niemand lange, meint Barth.