Im Speed-Dating zum Bürgermeistersessel. Harald Flößer und Greta Gramberg von der EZ (hinten) fühlen sechs Bewerbern und einer Bewerberin auf den Zahn. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Sechs Kandidaten und eine Kandidatin haben beim EZ-Forum in Aichwald vor 1.200 Zuhörern die Chance genutzt, für den Bürgermeisterstuhl in der Schurwaldgemeinde zu punkten.

AichwaldDas ist doch was: 269 von 446 Teilnehmern, die beim EZ-Forum zur Bürgermeisterwahl in Aichwald mit ihrem Smartphone abgestimmt haben, wussten am Ende des kurzweiligen Schlagabtauschs unter der Regie von EZ-Kreischef Harald Flößer und EZ-Redakteurin Greta Gramberg, wen sie am 17. März zum Nachfolger von Nicolas Fink wählen werden. 78 waren von keinem der sieben Bewerber, darunter eine Frau, überzeugt. Was die 1200 Gäste in der Schurwaldhalle und der benachbarten Sporthalle am meisten interessiert hat? Die Qualifikation der Bewerber, gefolgt von der Nahversorgung und der Zukunft der Schulstandorte. Die Fragen aus dem Publikum richteten sich vor allem an die Kandidaten, die schon kommunalpolitische Erfahrung mitbrachten: an Lorenz Kruß und Andreas Jarolim.

Lorenz Kruß, 53, seit sieben Jahren Bürgermeister in Aichtal, empfahl sich als Rathaus-Profi, der für sich „Transparenz“ und „nachhaltiges Handeln“ reklamiert. Er wolle die gute Arbeit seiner Vorgänger fortsetzen, Aichwald schuldenfrei halten, Breitband- und Mobilfunkanbindung verbessern, die Kinder-, Jugend- und Seniorenarbeit intensivieren sowie die Pflegeinfrastruktur verbessern. Kruß musste jedoch mehrfach die Frage beantworten, warum er von Aichtal nach Aichwald wechseln wolle. Ein Zuhörer wollte zudem wissen, ob er bei einem „lukrativeren Angebot dann auch Aichwald im Stich lassen würde“. Das wies Kruß strikt zurück, die Bezahlung sei hier wie dort gleich, er wolle Aichwalder werden und in Aichwald bleiben. „Ich habe in Aichtal eine sehr schöne Zeit erlebt. Aber wie in mancher Ehe kommen Sie irgendwann einmal an den Punkt, wo Sie merken: Es passt nicht mehr.“ Das Miteinander in Aichtal sei mittlerweile so stark belastet, dass selbst seine Familie darunter leide. Zur Nahversorgung in Aichwald meinte er, dass ein großer Vollsortimenter nicht zwangsläufig die kleineren Geschäfte gefährden müsse. Da gebe es bereits Modelle für ein Miteinander. In der Schulfrage sei es wünschenswert, alle drei Standorte der Grundschule zu erhalten. Auch die kleinen Ableger in Aichschieß und Aichelberg hätten Potenzial. Aber man müsse alle Varianten mit ins Kalkül ziehen und offen mit allen Beteiligten diskutieren.

Andreas Jarolim aus Esslingen, Konzessionsmanager bei der EnBW-Tochter NetzeBW und beratendes Mitglied des Esslinger Gemeinderatsausschusses für Bildung, Erziehung und Soziales, sprang erst einmal von seinem Sitz auf und vors Publikum. Er wolle „keine Barrieren“ zwischen sich und den Aichwaldern haben. Bei ihm war es das CDU-Parteibuch, das für Nachfragen sorgte. Der 34- Jährige bekannte sich zu seiner Mitgliedschaft, will in Aichwald aber als „Bürgermeister für alle“ antreten. In seiner Funktion bei NetzeBW habe er es oft mit kommunalen Belangen zu tun, er könne Ideen und Projekte vorantreiben und setze auf „gute und tüchtige Rathausmitarbeiter“. Zudem lebe ein Teil seiner Familie in Aichwald. Er will die Schulstandorte auf jeden Fall erhalten, notfalls müsse die Sanierung eben gestreckt werden. Windräder in der Nähe von Aichschieß machen für ihn „keinen Sinn“. Als beratendes Mitglied eines Gemeinderatsausschusses wisse er um die Entscheidungsprozesse in einer Kommune. Jarolim verwies wie Kruß auf bereits getätigte Untersuchungen in Sachen Vollsortimenter, in denen der Einzelhandel eingebunden gewesen sei. Sie seien zu dem Schluss gekommen, dass es Sinn mache, einen solchen zu holen. Man müsse aber auch Konzepte für die älteren Menschen entwickeln, die auf eine ortsnahe Versorgung angewiesen seien.

Führungserfahrung habe er seit 30 Jahren, sagt Michael Reinhardt (53), der bei der Zollverwaltung in Stuttgart tätig ist. Das ist für ihn Hauptvoraussetzung für das Bürgermeisteramt. Dass ihm Erfahrung in der Kommunalpolitik fehlt, sieht er nicht als Defizit. Denn ein Bürgermeister müssen die Gabe zum offenen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern haben, und die bringe er mit. Was die Schulen in Aichwald angeht, spricht sich Reinhardt grundsätzlich für den Erhalt der Schulstandorte aus. Das hat für ihn auch eine gesellschaftliche Dimension. Um das Thema abschließend zu beurteilen, seien aber Detailkenntnisse wichtig. „Ich würde die Bildungsfrage von der Kostenfrage entkoppeln. Denn Bildung ist das einzige Gut, das unsere Zukunft sichern kann.“ Was passieren kann, wenn an der Bildung gespart werde, sehe man an aktuellen Konflikten in der Gesellschaft. Einkaufsmöglichkeiten gerade für ältere Menschen zu erhalten, ist Reinhardt ebenfalls wichtig. Denn Einkaufen habe auch eine soziale Funktion. Wichtig ist Reinhardt, der in Aichelberg lebt, die Entwicklung der Läden in das strategische Einzelhandelskonzept einzubinden.

Die Zukunft für seine Kinder mitgestalten will der 41-jährige Michael Wild, der als Entwicklungsingenieur arbeitet. Führungserfahrung bringe er aus dem Beruf mit. Karriere sei für ihn nicht mehr der Schwerpunkt. Nun will er die Chance nutzen, als Bürgermeister das Leben in der Gemeinde mitzugestalten. Die Schulstandorte in Aichwald möchte Wild erhalten. Den Radweg zwischen den Ortsteilen sieht der Aichelberger als nicht sicher an. „Da fahren Autos mit 100 oder 120 vorbei.“ Ihm missfällt es, dass Kinder nach der zweiten Klasse die Schule wechseln müssen. Beim Metzger und Bäcker in Aichwald kauft Wild ein, ebenso bei den Landwirten – aber die Großeinkäufe erledigt er in Esslingen. Ob „ein Aldi oder Lidl am Ortseingang wünschenswert wäre“, das bezweifelt er. Da wäre ein Bürgerentscheid für ihn „eine tolle Sache“.

Ilona Maier, 42, Hausfrau aus Höchenschwand im Schwarzwald, hat sich für den Bürgermeisterjob in Aichwald beworben, weil sie in der EZ gelesen habe, dass es dafür keinen Kandidaten gebe. „Dann kam der Herr Jarolim. Da hatte ich Angst vor der CDU und dachte, ich kann gegen ihn nicht mehr an. Dann waren wir zu neunt. Dann waren wir zu siebt. Jetzt bin ich hier und jetzt will ich es werden.“ Ihre Qualifikationen? „Ich bin schon einmal durch Aichwald gegangen. Ich kenne Aichwald.“ Sie wolle landesweit die Frauenquote in der Bürgermeisterriege erhöhen. „Von den Obdachlosen bis zu den oberen Zehntausend kenne ich alle Schichten“, und ihre Freunde hätten ihr bestätigt, dass sie jedes Problem sofort löse. Bei der Renovierung der Schulstandorte würde sie auch selbst den Pinsel in die Hand nehmen. Für die Nahversorgung könnte sie sich einen Aldi oder einen Lidl vorstellen „mit Wohnungen obendrauf“.

Der 41-jährige Thomas Reiser aus Esslingen, Ingenieur für Elektronik und Informatik, der seit elf Jahren eine kleines Familienunternehmen betreibt, würde sich „gerne als Bürgermeister einbringen“ und im Team arbeiten. Als Stärke sieht er dabei seine Fähigkeit, sich schnell in Projekte einarbeiten zu können. Geht ein Bürgermeisterjob auch ohne kommunapolitische Erfahrung? „Ja, klar“, so die kurzangebundene Antwort. Die Nahversorgung in Aichwald empfindet er als „grundsätzlich gut“,vielleicht könnte man ja noch einen neuen Lebensmittelmarkt mit einem Seniorenheim kombinieren. Bei den Schulen müsse man abwägen, was für den Erhalt aller Standorte und was für das Gegenteil spreche. „Das ist auch eine Geldfrage.“ Man müsse klären, was den Bürgern vor Ort wichtig sei. Er wolle sich da jetzt nicht einschränken lassen.

Als Quereinsteiger sieht sich der 45-jährige Marc Oliver Schweizer bestens qualifiziert für das Amt des Bürgermeisters in seiner Heimatgemeinde Aichwald. Der Prokurist und Teilhaber eines Reifenhandels in Oberesslingen ist überzeugt, dass er für diese Aufgabe gut gerüstet ist. „Eine erfolgreiche, moderne Verwaltung wird heute immer mehr wie ein modernes Unternehmen geführt.“ Eine Weiterbildung an der Akademie in Kehl sei bereits in die Wege geleitet, sagt der gelernte Augenoptiker. Was die Zukunft der Schulen angeht, will der Familienvater, der in Aichschieß wohnt, offen bleiben. „Aichwald hat zu wenig Kinder. Ich würde mir ab und zu einen längeren Stromausfall wünschen, dass sich das ändert.“ Was die Einkaufssituation angeht, sieht Schweizer den Ort gut aufgestellt. Er will das Angebot unterstützen. Mit seiner Aussage „Fahr’ nicht fort, kauf’ am Ort“ erntete er Applaus.