Barbara Szarek ist derzeit für die Leitung des Hofs zuständig. Foto: Roberto Bulgrin - Roberto Bulgrin

Als Barbara Szarek zur Erdbeerernte nach Deutschland kam, hätte sie nicht gedacht, dass sie den Hof einmal leiten würde. Doch der Schlaganfall ihres Chefs änderte alles.

Aichwald Die Erdbeerzeit ist in vollem Gange. Auch auf den Feldern des Lobenroter Hofes in Aichwald leuchten die roten Früchte auf den Feldern. Doch nicht alles sieht im Geschäft der Obstbauern momentan so rosig aus wie die Erdbeeren. Die Pflanzen brauchen viel Pflege und bestimmte Wetterbedingungen, damit die reifen Erdbeeren auch gut schmecken.

Weder zu heißes noch zu nasses Wetter ist dafür eine gute Voraussetzung. „Vor ein paar Wochen hatten wir Hagel, dadurch hatten wir auf einem Acker 80 Prozent Schaden, auf einem anderen 45 Prozent“, sagt Barbara Szarek. Die gebürtige Polin führt seit März den Hof von Winfried Groner. Auch das nasskalte Wetter im Mai hat den Früchten zu Schaffen gemacht. „Das sorgt jetzt dafür, dass die Erdbeeren teilweise etwas wässrig und nicht ganz so süß schmecken“, so Szarek. Zudem müssten die Erntehelfer mehr faulige oder durch die Feuchtigkeit aufgeplatzte Erdbeeren aussortieren, was Zeit koste. Ist das Wetter dagegen zu heiß, wie im vergangenen Sommer, sind die Erdbeeren durch die anhaltende Dürre klein und hart. Pro Hektar habe es nicht so viele Kilogramm Erdbeeren gegeben wie sonst.

Plötzlich Obstbäuerin

Diese Höhen und Tiefen gehören alle zum Alltag auf einem Erdbeerhof. Nicht alltäglich ist die Situation in Aichwald. Obstbauer Groner erlitt Ende März einen Schlaganfall. Es folgten mehrere Wochen im Krankenhaus und anschließend eine Reha. Unterdessen drohte der Lobenroter Hof, kurz vor Beginn der Erdbeerernte ohne Leitung dazustehen. Szarek musste einspringen. Die 43-Jährige ist vor 16 Jahren zum ersten Mal nach Deutschland gekommen – als Erntehelferin in der Erdbeersaison. Mit den Jahren hat sie immer mehr Aufgaben und auch Verantwortung übernommen, betreute und kontrollierte zuletzt unter anderem die Arbeit der Saisonarbeiter. „Ich weiß inzwischen auch, wie das Schnapsbrennen funktioniert und bei der Buchhaltung habe ich bei meinem Chef auch schon zugeschaut“, sagt sie.

Sämtliche Aufgaben ihres Chefs zu übernehmen, das war für sie dennoch ein Schock. „Ich habe im ersten Moment gedacht: Ich fahre nach Hause, ich gebe auf“, beschreibt die 43-Jährige ihre Gedanken, nachdem sie von der Krankheit ihres Chefs hörte. „Es war so kurz vor der Saison und eigentlich hätte alles perfekt laufen müssen.“

Innerhalb kürzester Zeit jedoch sei sie von Hilfsangeboten förmlich überschwemmt worden. Eine Bekannte half mit der Buchhaltung und Briefen von Behörden, einer kümmerte sich um das Getreide und den Raps, den Groner anbaut und wieder ein anderer kümmerte sich um die Schnapsbrennerei. „Ich hatte eine ganze Wand voll mit Telefonnummern und musste quasi nur noch entscheiden, welchen Freiwilligen ich wo einteile“, sagt sie. „Es war echt der Wahnsinn.“ Inzwischen sind mehr als zwei Monate vergangen und Groner befindet sich auf dem Weg der Besserung. „Ich bin sehr dankbar, dass die Hilfsangebote nicht nur ein Strohfeuer waren, das schnell ausgebrannt ist“, betont sie. Auch für ihren Chef sei es wichtig, dass die Ernte ohne ihn weitergeht. „Es hilft ihm auch, dass er weiß, hier läuft alles“, sagt Szarek.

Auch ihre beiden Töchter greifen Szarek unter die Arme. „Meine jüngere Tochter ist extra aus Polen gekommen, um bei der Vorbereitung der Ernte zu helfen“, berichtet sie. Die ältere Tochter ist gerade mit dem Abitur fertig und hilft jetzt unter anderem beim Verkauf. „Der Hofladen hat in der Saison im Juni und Juli jeden Tag von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Das schafft man alleine gar nicht“, sagt Szarek.

Die Erdbeerzeit geht auf dem Lobenroter Hof noch zwischen vier und fünf Wochen. „Je nach Wetterlage“, erklärt Szarek. Danach geht die Ernte direkt weiter. Dann kommen die Himbeeren, die schwarzen und roten Johannisbeeren sowie die Stachelbeeren. Auch Heidelbeeren soll es auf dem Hof in Zukunft geben. „Mein Chef und ich haben das Ziel, dass wir noch mehr Beeren zum Selbstpflücken anbauen“, sagt sie. Für viele Kunden sei das eine entspannende Erfahrung. „Die Leute kommen dann zum Beispiel am Wochenende mit ihren Kindern und setzen sich nach dem Pflücken noch unter einen Baum. Außerdem gibt es Kunden, die nach der Arbeit mit ihren Kollegen zum Johannisbeerpflücken kommen, um runterzukommen.“

Dieses Jahr wieder Erdbeerfest

Die Leidenschaft für Früchte – und besonders für Erdbeeren – hat Szarek von ihrem Chef übernommen. „Wenn mir vor 16 Jahren jemand gesagt hätte, dass mir das Produkt und die Kunden mehr bedeuten werden als das Geld, den hätte ich verrückt genannt“, sagt sie. Besonders die Stammkunden seien ihr ans Herz gewachsen. „Es ist toll, Jahr um Jahr zu sehen, wer zu uns kommt. Man sieht die Kinder aufwachsen. Es ist fast wie Familie“, schwärmt sie. Szarek ist im Hinblick auf ihre Situation inzwischen auch gelassener. „Die Stammkunden und die zahlreichen Helfer geben mir Kraft“, sagt sie. In der Anfangszeit habe sie besonders die persönliche Unterstützung geschätzt. „Zwei Bekannte haben mir oft Mittagessen gekocht oder sind einfach bei mir gewesen“, erinnert sie sich. „So musste ich in dieser schweren Zeit nicht alleine sein.“ Als dann die Saisonarbeiter eintrafen, sei es für sie einfacher geworden.

Szarek staunt auch zwei Monate nach Groners Krankheit noch, wie viel Hilfe sie erfahren hat. „Ich habe festgestellt, wie wunderbar die Leute in Aichwald zu mir gehalten haben“, freut sich die Übergangs-Hofleiterin. „Da merkt man, dass all die guten Taten, die mein Chef über die Jahre vollbracht hat, wieder wie ein Bumerang zu uns zurückgekommen sind.“

Trotz aller Schwierigkeiten soll es auch in diesem Jahr wieder das „Breschtlingsfescht“ auf dem Lobenroter Hof geben. Am Sonntag, 14. Juli gibt es ab 10 Uhr Kaffee, Eis und Kuchen. Kinder können an dem Tag spielend etwas über Erdbeeren lernen und am Ende eine Erdbeerpflanze mit nach Hause nehmen.

Die Erdbeersaison ist bisher durchwachsen

Die Erdbeerbauern im Kreis Esslingen haben in dieser Saison besonders mit dem Wetter zu kämpfen. Es ist entweder zu nass oder zu heiß. Dabei hatte es für die Obstbauern im April gut angefangen. „Wir waren so früh dran wie selten zuvor“, sagte Markus Eberhardt vom Berghof Deizisau auf Anfrage. Auch in den geschützten Wandertunneln von Guido Henzler vom Rammerthof in Nürtingen-Raidwangen hat bereits Ende April die Erdbeerenernte begonnen.

„Wir sind durchschnittlich bis gut gestartet und auch die Preise waren in Ordnung – bis zum 25. Mai“, berichtete Henzler. Da nämlich habe es schwere Regenfälle gegeben. „Danach hatten wir große Probleme mit Fäulnis und Verderb.“ Obwohl seine frühen Erdbeeren in Gewächshäusern wachsen, hatte Eberhardt das gleiche Problem. „Durch den ganzen Regen hat sich die Luftfeuchtigkeit in den Folienhäusern verändert, was sich auf die Qualität ausgewirkt hat“, so Eberhardt.

Anfang Juni, als die Freilandernte begann, seien dann die Preise eingebrochen. „Das lag zum einen daran, dass plötzlich viel mehr Ware auf dem Markt war und dann war durch die ganzen Niederschläge auch qualitativ schlechte Ware im Angebot“, erklärte Henzler.

Ein Problem ist für die Obstbauern nicht nur der viele Regen, sondern auch die Unbeständigkeit des Wetters insgesamt. „Wir haben jetzt wirklich erst einmal genug Niederschlag gehabt, aber 30 Grad und Sonnenbrand für die Früchte brauchen wir auch nicht“, so Henzler. „Wenn wir einfach mal ein paar Wochen hätten, in denen das Wetter gleichbleibend gut ist, würde das uns viel Arbeit ersparen.“

Die Erdbeerernte geht auf verschiedenen Höfen unterschiedlich lange. Während zum Beispiel in Deizisau Ende Juli abgeerntet sind, gibt es auf dem Rammerthof noch bis Ende Oktober frische Erdbeeren. „Verschiedene Sorten blühen und tragen zu unterschiedlichen Zeiten“, so Henzler.