Frauen in der Politik brauchen ein Netzwerk, ist Martina Fehrlen überzeugt. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Die Frauen im Esslinger CDU-Kreisverband erhofften sich von einer Reform des Landtagswahlrechts mehr Mandatsträgerinnen. Das Nein der CDU-Landtagsfraktion schade letztlich auch der Partei, kritisieren sie.

Esslingen Es ist nicht so, dass es keine kompetenten Frauen in der CDU gibt“, sagt Martina Fehrlen, die gerade wiedergewählte Vorsitzende der Frauen Union im Kreis Esslingen. Dennoch ist das weibliche Geschlecht in der Landtagsfraktion unterproportional vertreten. Das muss sich ändern, finden die CDU-Frauen im Landkreis, wo alle überregionalen Mandate der Partei mit Männern besetzt sind. Auch sie fühlen sich von der Absage der Landtagsfraktion an die Wahlrechtsreform vor den Kopf gestoßen. Also hat die Kreis-Frauen Union einstimmig beschlossen, einen Brief an die Parlamentsvertreter ihrer Partei zu schreiben.

Zum einen kritisieren die Kreispolitikerinnen die Art, wie der Konflikt entfacht wurde: öffentlich, ohne vorherige interne Verhandlungen. Da die Wahlrechtsreform Teil des Koalitionsvertrags ist, hatten die Frauen mit der Umsetzung ihrer jahrzehntealten Forderung gerechnet. Das plötzliche Nein der Fraktion habe sie „sehr überrascht“. Das habe einer möglichen Reform schon jetzt geschadet, fürchtet Ilona Koch, CDU-Stadt- und Kreisrätin sowie stellvertretende Kreisvorsitzende aus Leinfelden-Echterdingen. Auch die Partei nimmt ihr zufolge Schaden.

„Ob eine Wahlrechtsreform das Allheilmittel ist, sei dahingestellt“, sagt Fehrlen. Doch es habe in den letzten 20 Jahren niemand einen besseren Vorschlag gemacht. Das Argument der Gegner der Reform, die Vergabe der Zweitmandate über eine Landesliste sei weniger bürgernah als das jetzige System, will sie nicht gelten lassen. Es gebe ja noch immer die direkt gewählten Kandidaten. Doch Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, junge Leute und die städtische Bevölkerung seien in der CDU-Fraktion unterrepräsentiert. „Es tut einer Volkspartei nicht gut, wenn sie nur von einem kleinen Teil der Gesellschaft vertreten wird“, so Fehrlen.

Wie von der Frauenquote in Aufsichtsräten erhoffen sich die Unions-Politikerinnen von weiblichen Mandatsträgern auf überregionaler Ebene eine Strahlkraft, um mehr Nachfolgerinnen für die Politik zu gewinnen. „Quoten scheinen wohl leider noch nötig zu sein, obwohl wir eine Frau als Kanzlerin haben“, sagt Koch. Doch warum sind Frauen offenbar so wenig erfolgreich dabei, sich gegen männliche Mitbewerber durchzusetzen? Für zentral hält Fehrlen die Netzwerke, die bei der parteiinternen Kandidatennominierung in den Wahlkreisen entscheidend sind. Frauen seien dabei im Nachteil, weil sie sich in entscheidenden Phasen stärker mit der Familie beschäftigten und vielleicht insgesamt ihren politischen Weg nicht so strategisch planten. Das Wissen darüber führe oft dazu, dass sie in Kampfabstimmungen mit männlichen Gegnern erst gar nicht antreten. „Frauen müssen stärker zusammenhalten, sie können auch miteinander Netzwerke bilden“, schlägt Fehrlen vor.

Aus eigener Erfahrung weiß Ilona Koch, dass weibliche Vorbilder wichtig sind, um mehr Frauen in die Politik zu bringen. Die CDU-Fraktion des Gemeinderats Leinfelden-Echterdingen etwa zählt mehr Frauen als Männer.

Weder sie noch Fehrlen werfen aber ihrer Partei generelle Frauenfeindlichkeit vor – und sie wissen, dass sie die Männer für ihre Sache brauchen. Fehrlen kann die Entscheidung der Fraktionsmitglieder nachvollziehen, die es dank des jetzigen Systems in den Landtag geschafft haben. Wären mehr Frauen Teil der Fraktion, wäre die Diskussion aber anders verlaufen, ist sich Ilona Koch sicher. „Frauen sind häufig besser in der Lage, sich zurückzunehmen und vom Ende her zu denken. Und ich habe den Eindruck, wir sind diplomatischer.“