Obwohl der Asylstreit alles überschattet, darf man andere Themen nicht außer Acht lassen, findet Nils Schmid. Foto: Holzwarth - Holzwarth

Während sich die Union streitet, zieht der SPD-Bundestagsabgeordnete Nils Schmid eine positive GroKo-Zwischenbilanz.

NürtingenDie Große Koalition ist seit 100 Tagen an der Regierung. Nils Schmid, SPD-Bundestagsabgeordneter aus dem Wahlkreis Nürtingen, zieht eine erste Zwischenbilanz: Trotz schlechter Umfragewerte ist er zufrieden mit dem bisher Erreichten.

Auf den Gläsern im Wahlkreisbüro von Nils Schmid ist immer noch das Konterfei seines Vorgängers Rainer Arnold abgebildet. „Wie es sich für einen echten Schwaben gehört benutzen wir die Gläser natürlich weiter“, scherzt Schmid, der 2017 über die Landesliste in den Bundestag einzog. Neu ist allerdings der Standort seines Wahlkreisbüros, gleich am Nürtinger Bahnhof. Hierhin lud Schmid zur Pressekonferenz, um einen Überblick über die ersten 100 Tage in der Großen Koalition zu geben.

„Bizarre“ Situation

Auch wenn sich die Schlagzeilen in Deutschland seit Tagen vor allem um den Asylstreit zwischen CDU und CSU drehen, dürfe man die anderen Themen nicht außer Acht lassen. „Bizarr“ sei es, wie die Legislaturperiode angefangen habe, ebenso bizarr wie sie nun fortgeführt werde, sagt Schmid im Hinblick auf die langen Koalitionsverhandlungen und die aktuelle Debatte.

Die schlechten Umfrage-Ergebnisse der GroKo – laut einer Forsa-Umfrage kämen die beteiligten Parteien derzeit zusammen nur auf rund 46 Prozent der Wählerstimmen – seien den Konflikten zwischen CDU und CSU geschuldet: „Wenn die Union sich nicht streiten würde, könnten wir den Bürgern auch vermitteln, dass sie gut bei den Volksparteien SPD und Union aufgehoben sind. So aber ist das nicht sehr vertrauenswürdig.“ Ein Phänomen, das die SPD gut kennt: „Streit in der Partei hat sofort Auswirkungen auf die Umfragen. Der SPD hängt das noch nach“, erklärt Schmid.

Gezielte Nicht-Einmischung

Dass die SPD sich im Asylstreit auffällig still verhält, sei so gewollt: „Das wäre jetzt nicht hilfreich, wenn wir uns als SPD in einen unionsinternen Streit einmischen.“ Was man verhindern will: „Dass in der Sache der Zusammenhalt Europas gefährdet wird. Wir brauchen eine europäische Lösung“, betont Schmid. Er wirft vor allem den CSU-Männern Markus Söder und Alexander Dobrindt AfD-Rhetorik vor: „Man muss die Sachthemen angehen, aber dabei auf die Tonalität achten.“

Trotz Krisenstimmung blickt Schmid positiv auf die vergangenen 100 Tage zurück: „Es ist klar, dass die SPD immer noch unter den Nachwehen des schlechten Wahlergebnisses leidet. Man kann nach so einer Wahl nicht wie der Phönix aus der Asche steigen. Aber wir haben jetzt eine gute Basis für die Arbeit in den nächsten dreieinhalb Jahren.“

Besonders in der EU-Politik habe man wichtige Akzente setzen können: „In allen wichtigen Themen ist jetzt Bewegung drin. Sei es beim gemeinsamen Budget für die Eurozone, in der Flüchtlingspolitik oder in der Außen- und Sicherheitspolitik“, sagt Schmid, der auch außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion ist. Das Thema Europa sei das politische Erbe der SPD, das aus dem Martin-Schulz-Wahlkampf hervorgegangen sei: „Bei Europa sollten wir sehr klar Profil zeigen. Das erwarten die Leute“, findet Schmid. Stolz ist er auch auf die erfolgreiche Kandidatur Deutschlands für einen Sitz im UN-Sicherheitsrat: „Es ist ein schöner Erfolg. Die Stärkung der UN ist für die SPD ein wichtiges Anliegen.“ Bei den innenpolitischen Themen habe man „einen riesigen Investitionshaushalt auf den Weg gebracht“, mit dem man die Digitalisierung in den Schulen und den Breitbandausbau in Deutschland vorantreiben werde. Auch habe man die ersten Gesetze zum Familiennachzug von Asylbewerbern verabschiedet. „Weitere Vorhaben haben wir auf den Weg gebracht, wie die Absenkung der Krankenversicherungsbeiträge und den Gesetzentwurf für die Brückenteilzeit.“ Klar sei, dass man wichtige Vorhaben nicht zu lange aufschieben darf. „Aber man kann so einen Koalitionsvertrag nicht in einem Rutsch im ersten Jahr durchsetzen.“

In der Zeit, in der Schmid nicht in Berlin ist, ist der 45-Jährige in seinem Wahlkreis unterwegs. „Die Leute hier treibt vor allem das Flüchtlingsthema um, da darf man sich nichts vormachen“, sagt er. „Die Menschen wollen wissen, wie wir den Zuzug steuern können. Aber auch die Frage wird gestellt, was mit langjährig Geduldeten passiert.“

„Bedürfnis nach Geborgenheit“

Ein anderes Thema, das den Menschen Sorge bereitet, sei die Wohnungssituation: „Die Wohnungen sind zu teuer, oder die Leute kriegen erst gar keine. Das ist hier bei uns ein Wahnsinnsdruck.“ Besonders eines ist Schmid aufgefallen: „Es gibt ein großes Bedürfnis nach Geborgenheit bei den Menschen. Man möchte innere und soziale Sicherheit haben in einer Zeit, in der sehr vieles in Bewegung ist.“