Das Gemeindehaus am Blarerplatz. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Eigentlich schien alles klar zu sein: Verwaltung und Gemeinderat wollten endlich aufs Tempo drücken und die Entscheidung über den zukünftigen Standort der Esslinger Stadtbücherei noch im ersten Quartal 2017 unter Dach und Fach bringen. Zwei Alternativen sollten bis dahin geprüft werden: eine Erweiterung und Modernisierung des bisherigen Domizils im Bebenhäuser Pfleghof und ein Neubau zwischen Kies- und Küferstraße. Weitere Standortvorschläge waren damit aus dem Rennen. Nun kommt eine neue Variante ins Spiel: das Gemeindehaus am Blarerplatz mitsamt der Franziskanerkirche. Ob dieser Gedanke realistisch ist, steht in den Sternen. Stadtverwaltung und evangelische Kirche wollen ihr jedoch eine Chance geben, was bemerkenswert genug ist. Eines ist damit klar: Die grundsätzliche Standortentscheidung wird nun sicher nicht im ersten Quartal fallen - die Zukunft der Bücherei bleibt damit weiterhin in der Schwebe.

OB und Dekan zeigen sich offen

Dass das Gemeindehaus am Blarerplatz in den Fokus rückt, klingt plausibel: Die evangelische Kirchengemeinde muss sich aus finanziellen Gründen von einigen ihrer Immobilien trennen, erste schmerzliche Entscheidungen sind bereits gefallen. Und erst kürzlich war in einer öffentlichen Veranstaltung deutlich geworden, dass die Innenstadt vom Sparkurs nicht verschont wird und dass damit auch das Gemeindehaus ins Spiel kommt. Bei einem Treffen von OB Jürgen Zieger mit dem evangelischen Dekan Bernd Weißenborn kam dieses Thema nun auch aufs Tapet. Weil beide dem Gedanken, dort eine neue Stadtbücherei zu schaffen, offenbar etwas abgewinnen können, verständigten sie sich, „in intensiven und konstruktiven Gesprächen zwischen den Gremien der evangelischen Gesamtkirchengemeinde und der Stadtverwaltung alle Einzelaspekte zu einer eventuellen Unterbringung der Stadtbücherei im Gemeindehaus am Blarerplatz zu untersuchen“.

Zur offiziellen Sprachregelung, die Dekan und OB vereinbart haben, gehört, dass man „eine ergebnisoffene Untersuchung“ anstrebt. Dass vor einer Entscheidung noch einiger Klärungsbedarf besteht, ist allen Beteiligten wohl bewusst: In den kirchlichen Gremien steht nun die nach Einschätzung von Insidern spannende Diskussion darüber an, ob man sich überhaupt vom Gemeindehaus und der Franziskanerkirche trennen möchte. Eigentlich hatte man sich erst kürzlich darauf verständigt, einer Arbeitsgruppe für die Entscheidungsfindung ein Jahr Zeit zu lassen. Nun muss alles wesentlich schneller gehen, weil die Stadt bei der Bücherei endlich aufs Tempo drückt. Zu welchem Schluss die Kirche kommen wird, kann Dekan Bernd Weißenborn noch nicht vorhersagen.

Die kommunalen Bauexperten müssen derweil klären, ob sich das Raumprogramm einer modernen Bücherei am Blarerplatz realisieren ließe. Aktuell hat die Hauptstelle in der Heugasse 1850 Quadratmeter Publikumsfläche. Im Landesvergleich ist das nicht viel: Esslingen hat je 1000 Einwohner 22,6 Quadratmeter zur Verfügung - landesweit haben Bibliotheken in Städten vergleichbarer Größe durchschnittlich 33,6 Quadratmeter je 1000 Einwohner. Damit rangiert Esslingen unter den Kommunen vergleichbarer Größe landesweit auf dem drittletzten Platz.

Deshalb liegen seit Jahren Pläne in der Schublade, das Nachbarhaus Heugasse 11, das der Stadt bereits gehört, für die Bücherei zu sanieren, was 800 bis 900 Quadratmeter zusätzlicher Nutzfläche bringen würde. Üppig ausgestattet wäre die Bücherei-Hauptstelle damit allerdings noch immer nicht: Tatsächlich rechnen Kenner des Bibliothekswesens bei einer Stadt mit 90 000 Einwohnern mit einem Flächenbedarf von 4000 bis 5000 Quadratmetern. Deshalb hat eine Machbarkeitsstudie im April 2013 Möglichkeiten aufgezeigt, durch Umbauten zusätzliche Flächen am bisherigen Bücherei-Standort zu schaffen. Bislang bietet das Gemeindehaus am Blarerplatz 2500 Quadratmeter Nutzfläche - hinzu könnte die Franziskanerkirche kommen, die als Veranstaltungssaal denkbar ist.

Überraschte Ratsmitglieder

Rathaussprecher Roland Karpentier wagt keine Prognose, welche Ergebnisse die Untersuchung der neuen Standort-Alternative am Blarerplatz bringen könnte. Die Verwaltung wolle dem Kulturausschuss „so schnell wie möglich“ berichten. Eine Entscheidung im ersten Quartal sei damit vom Tisch, auch der zuletzt ins Auge gefasste Termin im Mai wird wohl kaum zu halten sein. Immerhin hofft Karpentier auf einen Beschluss noch vor der Sommerpause. Für viele Ratsmitglieder kam die neue Entwicklung überraschend. Gegen eine Überprüfung der jüngsten Variante hätten Edward-Errol Jaffke (CDU), Daniela Hemminger-Narr (Freie Wähler) und Marco Bertazzoni (Grüne) genau wie Andreas Koch (SPD) nichts einzuwenden. Der Sozialdemokrat macht aber auch deutlich: „Eine weitere Verzögerung darf es deshalb nicht geben.“

Das sagt der Förderverein der Stadtbücherei zum Blarerplatz

„Wir sind prinzipiell offen für alle Vorschläge, die einer Verbesserung der momentanen Situation der Stadtbücherei dienen können“, erklärt Susanne Lüdtke, die Vize-Vorsitzende des Fördervereins der Esslinger Stadtbücherei. „Dies bezieht sich sowohl auf die schon lange benötigte größere Fläche als auch auf die verbesserte Infrastruktur wie technische Ausstattung und behindertengerechte Zugänglichkeit. Entscheidend ist für den Förderverein die zeitnahe Realisierung der geforderten Verbesserungen. Eine neuerliche Standortdiskussion darf keinesfalls dazu führen, dass die notwendigen Maßnahmen, die der zeitgemäßen Ausrichtung der Bücherei dienen und ihre Attraktivität für die Bevölkerung sicher stellen, weiterhin auf die lange Bank geschoben werden.“ Nun sei umgehend zu prüfen, ob der Innenraum des Gemeindehauses unter Denkmalschutz steht, ob dort mit Blick auf Denkmalschutz und Statik Zwischendecken eingezogen werden könnten und dürften und ob die dann vorhandenen Flächen für den Bedarf der Stadtbücherei überhaupt ausreichen. Sollte es sich zeigen, dass eine zukunftsfähige Bibliothek dort nicht unterzubringen ist, könnte sich der Förderverein vorstellen, das Gemeindehaus während des Umbaus im Bebenhäuser Pfleghof als Interims-Bibliothek zu nutzen.