Im Jubiläumsjahr haben sich viele Interessierte die Synagoge angeschaut. Foto: Archivfotos: Roberto Bulgrin - Archivfotos: Roberto Bulgrin

Im Jahr des 200-jährigen Bestehens der Synagoge im Heppächer standen 2019 insgesamt 31 Veranstaltungen auf dem Programm – ein voller Erfolg, so die Bilanz der Veranstalter.

EsslingenEs war ein anspruchsvolles Programm, das die jüdische Gemeinde und der Unterstützerkreis jüdische Kultur Esslingen für das 200-jährige Jubiläum der Synagoge im vergangenen Jahr aufgelegt hatten. Und so beschlichen manche Mitglieder des Vorbereitungskreises Bedenken, ob die Fülle von Veranstaltungen von der Bevölkerung überhaupt angenommen wird. „Ich habe schon ein bisschen gezweifelt“, gesteht Susanne Jakubowski, Mitglied des Vorstands der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs (IRGW). Zuversichtlich war hingegen die Esslingerin Elena Braginska, die Mitglied der neunköpfigen Repräsentanz in der IRGW ist. „Nach den Erfahrungen mit der Thora-Spendenaktion in Esslingen habe ich nie gezweifelt, dass viele Besucher kommen werden“, sagt sie. Zu den Optimisten zählte von Beginn an auch der Sprecher des Esslinger Unterstützerkreises, Wolfgang Drexler. Blicken die drei auf das vergangene Jubiläumsjahr zurück, heißt es unisono: „Die Reihe war ein voller Erfolg und das Jubiläum war von Anfang bis Ende gelungen.““

Im Jahr des 200-jährigen Bestehens der Synagoge im Heppächer standen insgesamt 31 Veranstaltungen auf dem Programm, die von verschiedenen Esslinger Vereinen und Organisationen gestemmt wurden. Aktiv wurden jedoch nicht nur die Mitglieder des Unterstützerkreises, der sich vor einigen Jahre aus Anlass der Spendenaktion für eine neue Thora-Rolle gegründet hatte. „Es sind auch neue Organisationen dazu gekommen“, sagt Wolfgang Drexler. Er hat sich gefreut, dass sich auch die Esslinger Fatih-Moschee mit einem Vortrag in der Synagoge ins Jubiläumsjahr eingeklinkt hat.

Gäste aus dem Oman

Die Themen der Veranstaltungen reichten von Konzerten und Theater über Filme sowie einem Symposion über den früheren Esslinger Kantor Mayer Levi bis hin zu Führungen durch die Esslinger Synagoge. Stand das Haus in der Vergangenheit Gruppen oder Schulklassen zur Besichtigung offen, konnten sich im Jubiläumsjahr erstmals auch Einzelpersonen zu einer Führung anmelden. Von der Resonanz war Iris Schweikert, die bei der IRGW als Sozialpädagogin arbeitet, überwältigt. „Schon beim ersten Termin gab es so viele Anmeldungen, dass wir sofort weitere Termine anberaumt haben“, berichtet sie. Vom Alter her waren die Gäste bunt gemischt. „Es waren auch viele Eltern mit ihren erwachsenen Kindern da.“

Auch am Tag des offenen Denkmals hatten die Mitglieder der rund 350 Mitglieder zählenden jüdischen Gemeinde alle Hände voll zu tun, um den Andrang zu bewältigen. Statt der ursprünglich geplanten drei Führungen, „haben wir die Geschichte des Hauses und der jüdischen Gemeinde in Esslingen am Ende fünf Mal erzählt“, berichtet Elena Braginska. Das Gebetshaus und Gemeindezentrum zu öffnen, „ist ein sehr gutes Instrument, um den Menschen das Judentum ein bisschen näherzubringen“, sagt Vorstandsmitglied Susanne Jakubowski. Dass sich im Jubiläumsjahr auch eine Studentengruppe aus dem Oman die Synagoge im Heppächer angeschaut hat, „hat mich sehr gefreut“.

„Jeden Tag fünf Angriffe“

Die jüdische Gemeinde „in unsere Mitte zu nehmen, zu zeigen, dass sie zu uns gehört und wir uns schützend vor sie stellen“, ist für Wolfgang Drexler Antrieb, sich zu engagieren. Die Zahl antisemitischer Straftaten zeige, dass dies dringend erforderlich ist. „Im Jahr 2018 hat das BKA in Deutschland 1799 Straftaten mit antisemitischem Hintergrund registriert. Das heißt, dass es jeden Tag fünf Angriffe auf Juden oder jüdische Einrichtungen gegeben hat“, macht der frühere Vizepräsident des Landtags und ehemalige Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses deutlich. Die Zahlen für das vergangene Jahr liegen zwar noch nicht vor. „Das BKA sagt aber, dass es noch mehr sind.“ Dass die Bundesregierung angesichts des wachsenden Antisemitismus 600 neue Stellen bei der Polizei und beim BKA schaffen will, „ist wichtig“. Noch wichtiger sei es aber, „dass die Gesellschaft aufwacht und sich solidarisch zeigt“, unterstreicht Wolfgang Drexler. „Denn wenn wir nicht wachsam sind, dann nutzen auch die neuen Stellen bei der Polizei nichts.“ Deshalb ist für ihn klar, dass der Unterstützerkreis gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde über das Jubiläumsjahr hinaus aktiv bleiben wird.