Die Hanns-Martin-Schleyer-Brücke wird von 2021 an abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Mit einem „Runden Tisch Neckarbrücken“ wollen IHK und Esslinger Stadtverwaltungen zusammen mit der örtlichen Wirtschaft Ideen entwickeln, wie der Verkehr während der Brückenbauarbeiten in erträgliche Bahnen geleitet werden kann. Gleichwohl sind die Erwartungen der Unternehmer an Konzepte aus dem Rathaus groß.

EsslingenManche Dinge brauchen ihre Zeit. Der „Kopenhagen-Prozess“ zum Beispiel, wie ihn ein Besucher des ersten „Runden Tisches Neckarbrücken“ bezeichnete. Gut 30 Jahre hat es im Fall der dänischen Metropole gedauert, eine Mobilitätswende herbeizuführen, und den Verkehr in der Stadt jeweils zu einem Drittel auf Radfahrer, Fußgänger und Autos aufzuteilen. Was das mit Esslingen zu tun hat? Auch hier ist von neuen Formen der Mobilität die Rede, wie an besagtem „Runden Tisch“, zu dem die IHK-Bezirkskammer Esslingen-Nürtingen und die Stadtverwaltung eingeladen hatten. Gut 60 Unternehmerinnen und Unternehmer waren gekommen, um sich über den Stand der Dinge mit Blick auf die anstehenden Brückensanierungen und Neubauvorhaben informieren zu lassen. Aber vor allem wollten sie wissen, welche Pläne die Verwaltung in der Schublade hat, um die Erreichbarkeit der Stadt auch unter extremen Bedingungen zu garantieren.

„Stadt muss erreichbar bleiben“

Klar wurde in der Gesprächsrunde, die den Auftakt zum weiteren Gedankenaustausch in Workshops bilden soll, dass Kopenhagen als weltweites Paradebeispiel für eine gelungene Verkehrswende nicht dazu taugt, die Probleme in Esslingen zu lösen. 30 Jahre Zeit bleiben nicht, weil es schon im nächsten Jahr mit der Ertüchtigung der Vogelsangbrücke los gehen soll, die Geiselbachstraße für 15 Monate gesperrt wird, 2021 der Neubau der Hanns-Martin-Schleyer-Brücke folgt und danach die Hauptschlagader Adenauerbrücke einer neuen Konstruktion weichen muss. Mit all den absehbaren Folgen für den Verkehr, gegen die sich die Einschränkungen im Zusammenhang mit der Sanierung der Dieter-Roser-Brücke noch vergleichsweise harmlos ausnehmen dürften.

Die größte Sorge von Handel, Industrie und Dienstleistern ist, dass Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter und natürlich die Einwohner kaum noch eine Möglichkeit haben, die Innenstadt auf akzeptable Weise zu erreichen und sich die großen Neckarbrücken von Süden her als schwer zu überwindendes Bollwerk erweisen, wenn sie saniert oder erneuert werden. Darauf wies auch Esslingens IHK-Vizepräsident Alexander Kögel hin, der als Chef eines Modehauses auch die Situation des Einzelhandels und dessen Zukunft im Blick hat.

Wie auf die anstehenden Herausforderungen konkret reagiert werden kann, da erhoffen sich IHK und Stadtverwaltung auch Impulse und Ideen aus der Wirtschaft, wobei die Auftaktveranstaltung „Runder Tisch Neckarbrücken“ eher den Eindruck hinterließ, dass die Erwartungshaltung der Unternehmer gegenüber der Verwaltung groß ist, wenn es um schlüssige Konzepte geht. Was sich die Stadt denn einfallen lasse, um den Verkehr zu reduzieren, lautete eine Frage mit Verweis auf den Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs und auf bessere Fahrrad-Verbindungen. „Esslingen ist keine Insel“, bremste Baubürgermeister Wilfried Wallbrecht Erwartungen, was die Leistungsfähigkeit von Bussen und Bahnen angeht. Um nur 20 Prozent mehr Menschen in den Nahverkehr zu bringen, müsse man dessen Kapazität verdoppeln, um auch während der Verkehrsspitzen ein ausreichendes Angebot zu gewährleisten.

„Einen Testfall für den Radverkehr schaffen“, forderte ein Teilnehmer der Gesprächsrunde und dachte dabei vor allem an die „Todesstreifen“ an der Entengrabenstraße, wo für Radler ein schmaler Weg durch gestrichelte Linien markiert worden ist. Eine Fahrspur komplett für Radfahrer abtrennen und die verbliebene zweite Spur für den Fahrzeugverkehr reservieren. Diese Idee ist nach Einschätzung von Ordnungsamtschef Gerhard Gorzellik wegen des hohen Verkehrsaufkommens an dieser Stelle nicht zu verwirklichen.

Sonderspuren für Busse

Überlegungen, gesonderte Spuren für Busse und Fahrräder einzurichten, gibt es im Zusammenhang mit der im nächsten Jahr bevorstehenden Vollsperrung der Geiselbachstraße. Entlang der Umleitungsstrecke nach RSKN, etwa auf der Mülbergerstraße, könnten solche Sonderspuren entstehen. Der Preis dafür: Es entfallen Parkplätze am Straßenrand und damit sind Diskussionen mit den Anwohnern programmiert.

„Das Fahrrad löst nur einen Teil des Problems“, machte Christoph Nold, Leitender Geschäftsführer der IHK in Esslingen, deutlich. Für ihn und eine ganze Reihe anderer Gesprächsteilnehmer muss letztlich ein ganzer Katalog von Konzepten greifen, damit der Verkehr in Esslingen während der Brückenbauarbeiten nicht zum Erliegen kommt: die Anfangszeiten in Unternehmen und in den Schulen entzerren, ein großer Parkplatz vor der Stadt mit Shuttlebussen in die City, ein Baustellen-Rabatt in den Parkhäusern, die Freigabe aller Fußgängerzonen für Radfahrer oder ein niedrigerer Fahrpreis für die Busse als Anreiz zum Umsteigen. All dies könnten aus Sicht der Gesprächsrunde Bausteine sein, um die Situation zu entspannen. Hoffnung setzen Tiefbauamtschef Uwe Heinemann und Bürgermeister Wilfried Wallbrecht auf Gespräche mit der Stadt Stuttgart über eine mögliche Freigabe für den Busverkehr von Rüdern aus in Richtung Uhlbach und Neckartal. Erwartungen, diesen Weg auch für Autos freizumachen oder anderweitig durch die Weinberge zu fahren, trat Heinemann klar entgegen. Das werde nicht funktionieren.

Geht es nach den Erwartungen von IHK und Verwaltung, dann sollen die Themen in nächster Zeit in Workshops vertieft und weitere Ideen gesammelt werden. „Es gibt zu wenig konkrete Ansätze von der Stadt, sondern nur Denkansätze“, hatte ein Gesprächspartner kritisiert. Dabei drängt die Zeit – an einen „Kopenhagen-Prozess“ ist also nicht zu denken.