Unter den Augen von Seniorenspielclub-Leiterin Barbara Brandhuber (Dritte von rechts) erdolcht Othello die schlafende Desdemona. Foto: Weiß Quelle: Unbekannt

Von Gaby Weiß

Vor 25 Jahren, genau am 20. Oktober 1992, wurde an der Württembergischen Landesbühne der Seniorenspielclub gegründet. Theaterpädagogin Odile Simon rief damals die Truppe ins Leben, um ältere Menschen „zum Theaterspielen zu verführen“. Mit viel Engagement und Begeisterung hat die Gruppe in dieser Spielzeit mit „Othello oder Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ wieder eine Eigenproduktion auf die Beine gestellt, die am heutigen Freitag, 23. Juni, im Podium 1 des Schauspielhauses Premiere feiert.

Die 84-jährige Helga Schlumberger, seit 20 Jahren mit dabei und damit die derzeit (Dienst-)Älteste in der Theatergruppe, hat im Seniorenspielclub schon einiges erlebt: Einmal die Woche treffen sie sich zum Improvisieren und Proben, pro Spielzeit wird ein Stück zur Aufführungsreife gebracht. Die Inszenierungen sind mal ernst, mal lustig, mal steht die Figurenentwicklung im Vordergrund, mal ein inhaltliches Thema, mal geht es um Aktuelles, mal um Historisches. Das knappe Dutzend Mitstreiter entwickelt die Stücke selbst, oder es werden literarische Vorlagen wie etwa Aristophanes‘ „Lysistrate“ oder Strindbergs „Traumspiel“ adaptiert und auf die Gruppe zugeschnitten. Darüber hinaus ist der Spielclub auch bei den Senioren-Weihnachtsfeiern der Stadt gefragt, ab und an für ein Gastspiel unterwegs und immer wieder zu Besuch in Seniorenheimen, wo sehr zur Freude der Bewohner „kleine 20-Minuten-Stückchen“ gespielt werden, wie Helga Schlumberger erzählt.

Nachdem 2007 die Gruppe durch einen Todesfall, Erkrankungen und viele Probenausfälle kurz vor dem Aus stand, wurden mit vereinten Kräften und reger Öffentlichkeitsarbeit neue Theaterinteressierte gefunden, der Neustart gelang. Mittlerweile liegt die künstlerische Leitung der Gruppe bereits in der vierten Spielzeit in den Händen der Theaterpädagogin Barbara Brandhuber: „Am Anfang der Saison haben die Senioren mit hohem Engagement Diskussionen über die momentanen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen geführt. Diese unbändige Energie wollte ich auf der Bühne haben“, erklärt die Theaterfrau, die das aktuelle Stück aus diesen aufgezeichneten Gesprächen und daran anschließenden Improvisationen zusammengestellt hat.

Brandhuber, die gerne mit Theaterlaien agiert, freut sich über die Arbeit mit ihrem Senioren-Ensemble: „Natürlich kann man mit älteren Menschen auf der Bühne nicht so viel mit Bewegung machen wie mit Kindern und Jugendlichen. Aber mit Erwachsenen kann man sich toll auseinandersetzen. Sie haben viele ganz unterschiedliche Lebenserfahrungen und interessante Biografien, das ist reizvoll. Sie sind mir ans Herz gewachsen. Wir kommen gut miteinander klar.“ Auch Helga Schlumberger möchte den Spielclub nicht missen: „Ich hab‘ ganz viel gelernt, darstellerisch und sprachlich. Wir hatten ja über die Jahre viele unterschiedliche Regisseure, die mit uns gearbeitet haben. Davon habe ich sehr profitiert.“ Die Herausforderung reizt sie alle stets aufs Neue: „Bei den ‚Balladen im Keller‘ in der letzten Spielzeit haben wir Blut und Wasser geschwitzt, um diese klassischen Texte gut rüberzubringen“, erzählt Dorit Schmitz-Stürzl. Auch Waltraud Lemke liebt die sprachlichen Herausforderungen im Spielclub: „Mich fasziniert am Theater ganz besonders die Arbeit mit der Sprache und der Literatur.“ Ursel Kuhnert freut sich, dass der Einzelne in der Gruppe wertgeschätzt wird: „Ich bin eher zurückhaltend, mich kostet das Auftreten jedes Mal Überwindung. Und ich kann Texte nicht so gut behalten. Da ist es schön, dass ich jetzt auf eigenen Wunsch eine kleinere Rolle bekommen habe.“

Die kontinuierliche gemeinsame Theater- und Bühnenarbeit schweißt zusammen, wenngleich man sich auch nicht immer einig ist: Da geht es um die Stückauswahl, die Rollenverteilung, die Nervosität vor der anstehenden Premiere und die künstlerische Qualität im allgemeinen. Aber alle genießen es, dass sie in großer Freiheit aufspielen und sich ausprobieren können, und dass alle mit viel Spaß bei der Sache sind: „Es geht bei uns meistens ziemlich lustig zu, über Fehler können wir auch lachen. Aber wir diskutieren und streiten auch mal, das macht es für mich immer wieder spannend“, meint Hans Peter Vanek. Neueinsteiger sind im Seniorenspielclub jederzeit willkommen, die Gruppe freut sich über ältere Menschen, die ihre Begeisterung fürs Theater in die Praxis umsetzen wollen.

Die Spielclubs präsentieren ihre neuen Stücke

Der Seniorenspielclub unter der Leitung von Barbara Brandhuber präsentiert „Othello oder Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ über eine Shakespeare-Theatergruppe, die gerne und ausgiebig diskutiert und ihr neues Stück sucht. Die Vorstellungen finden am Freitag, 23. Juni, um 20 Uhr und am Sonntag, 25. Juni, um 18 Uhr im Podium 1 statt.

Der Erwachsenenspielclub zeigt an zwei Terminen das Stück „EinLeben“, nämlich am Samstag, 24. Juni, um 20 Uhr und am Sonntag, 2. Juli, um 18 Uhr im Studio am Blarerplatz. Unter der künstlerischen Leitung von Deborah De Vitis und Sabine Christiane Dotzer macht sich die Truppe mit ihrem selbst entwickelten Stück Gedanken zum Thema „Scheitern“.

Die 12- bis 15-jährigen Mitglieder des Teenspielclubs steigen am Sonntag, 9. Juli, um 18 Uhr im Podium 2 in den „Traumbus Hoffnung“. Die Spieler haben versucht, in Traumtagebüchern ihre Träume einzufangen und unter der künstlerischen Leitung von Daniel Elias Böhm für die Bühne zu gestalten.

Die 16- bis 20-jährigen Teilnehmer des Jugendspielclubs führen am Freitag, 14. Juli, um 19.30 Uhr ihr Stück „Generation Mute“ im Schauspielhaus der WLB auf. Unter der künstlerischen Leitung von Rita Rudenstein präsentieren sie eine Produktion von jungen Menschen über ihre Generation, die Bescheid weiß, aber schweigt, weil ihr alles egal ist.

Zum Abschluss die Jüngsten: Die neun- bis elfjährigen Akteure im Kinderspielclub erzählen unter der künstlerischen Leitung von Markus Michalik am Sonntag, 16. Juli, um 16 Uhr im Podium 1 die Geschichte von „King Gurkinger“, der bei der chaotischen Familie Hogelmann um Asyl bittet.