Aus der derzeitigen Werkrealschule in der Pliensauvorstadt soll eine völlig neue Schule werden. Eine bundesweit besetzte Expertenrunde hat ein Konzept für eine Gemeinschaftsschule mit einer gymnasialen Oberstufe ausgetüftelt. Das gefällt der SPD sehr, der CDU aber überhaupt nicht. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Von Claudia Bitzer

Esslingen - Von Innovation, Glanz und Strahlkraft weit über die Stadtteilgrenzen hinaus war die Rede. All das sollte die neue weiterführende Schule entfalten, die in ein paar Jahren die Adalbert-Stifter-Schule, eine auslaufende Werkrealschule in der Pliensauvorstadt, ersetzen soll. Deshalb hatte der gemeinderätliche Schulausschuss vor etwa einem Jahr eine fünfköpfige Expertengruppe aus der Schulentwicklung, der Schulpraxis und der pädagogischen Forschung mit der Konzeptarbeit betraut. Ihr Entwurf steht seit einem halben Jahr – doch der Glanz der neuen Schule ist in den Niederungen der Parteipolitik offenbar schon steckengeblieben, bevor das Konzept auch nur das Licht der Öffentlichkeit erblickt hat.

Gemeinschafts- oder Realschule?

Denn Thomas Bendlin (ehemaliger Schulleiter und Schulexperte aus Bremen), Helga Boldt (Neue Schule Wolfsburg), Katrin Höhmann (PH Ludwigsburg), Otto Seydel (Institut für Schulentwicklung in Überlingen) und Ulrich Deinet (FH Düsseldorf) schlagen offenbar eine neue Gemeinschaftsschule vor, die als erste und einzige Gemeinschaftsschule der Stadt Esslingen auch eine gymnasiale Oberstufe haben soll. Dort sollen dann die Jugendlichen aus allen Esslinger Gemeinschaftsschulen ihr Abitur machen können.

Über dieses Konzept sollte im vergangenen Sommer zunächst einmal der Arbeitskreis Schulentwicklung befinden. In dem geschützten, von Denkverboten und ideologischen Grabenkämpfen eigentlich befreiten AK wollten sich Vertreter aus den Fraktionen, der Eltern und Lehrer sowie des Rathauses von den Experten berichten lassen, wie der vor wenigen Jahren schon einmal baulich hochgepäppelte Schulstandort in der Pliensauvorstadt in Zukunft Kinder und Jugendliche auch außerhalb des Stadtteils anlocken könnte.

Salopp formuliert muss diese Sitzung im stillen Kämmerlein jedenfalls gründlich in die Hose gegangen sein. Die SPD hat sich über den Expertenvorschlag einer Gemeinschaftsschule die Hände gerieben, die CDU auf eine Realschule gepocht. Das ist es jedenfalls, was irgendwann dann doch noch den eigentlich zum strikten Schweigen verdonnerten Arbeitskreis verlassen hat und was Esslingens Schulbürgermeister Markus Raab derzeit weder bestätigen noch dementieren will. Der sagt nur: „An der Schulart alleine ist es nicht gescheitert. Die Sache ist auch inhaltlich komplex.“ Dass der Expertenvorschlag eine klare innere Logik und Plausibilität aufweise, ist das einzige, was er sich noch entlocken lässt: „Aber das erwarte ich auch von einem solchen Konzept.“ Der Arbeitskreis habe sich im Sommer jedenfalls nicht dazu in der Lage gesehen, den Entwurf der Expertenrunde mit breiter Mehrheit abzulehnen oder anzunehmen. Tatsache sei jedoch, dass die Stadt auch künftig die Räume der bisherigen Werkrealschule in der Pliensauvorstadt braucht, um die noch fehlenden drei Züge für ihre weiterführenden Schulen zusammenzubekommen. Zumal gerade in diesem Stadtteil und im benachbarten Weil in den kommenden Jahren kräftig gebaut werden solle, was auch Überlegungen für die Grundschule am Ort notwendig mache.

Beschlusslage ist auch, dass die Stadt am Standort der Stifter-Schule einen Neustart mit einer Gemeinschafts- oder Realschule hinlegen möchte, wenn die letzten noch verbliebenen Werkrealschüler Ende Juli 2019 ihren Hauptschulabschluss dort gemacht haben werden. Und dort auch noch einmal baulich investieren will. Doch bereits bei der Vergabe des Konzeptauftrags an die Expertenrunde im vergangenen Februar hatte die CDU Bauchschmerzen, weil drei der fünf von der Verwaltung vorgeschlagenen Fachleute oberhalb der Mainlinie zu Hause seien.
Was nun, Herr Raab? „Die Mitglieder des Arbeitskreises sind zu weit voneinander entfernt. Sie müssten sich wieder auf gemeinsame Leitplanken verständigen“, sagt der Schulbürgermeister. Eine für Februar im Raum stehende weitere AK-Sitzung hat er abgesagt. Wenn sich der Arbeitskreis nicht doch noch auf eine weniger disparate Haltung einigen kann, werde der gemeinderätliche Schulausschuss eben ohne AK-Empfehlung eine Entscheidung treffen – und zwar noch vor der Sommerpause.

Derweil sei die Verwaltung dabei, mit dem Land die Voraussetzungen für eine Schulneugründung zu klären. Zudem müssten im Rahmen der regionalen Schulentwicklung die Nachbarn gehört werden. Bei der Entscheidungsfindung plädiert Raab jedenfalls dafür, von den Eltern und Kindern her zu denken: „Wir müssen uns fragen, was sie brauchen und welche Möglichkeiten uns das Land lässt, unsere Bildungsangebote zu erweitern.“

Anfang und Ende der Adalbert-Stifter-Schule

Von der Grund- zur Werkrealschule: Die Adalbert-Stifter-Schule in der Pliensauvorstadt ist 1959 zunächst als weitere Grundschule für die Vorstadt sowie Mettingen gebaut und 1978 zur reinen Hauptschule umfunktioniert worden. Als die Stadt Esslingen vor etwa zehn Jahren ihre Hauptschulstandorte halbierte, hat sie im Westen den Vorzug vor der Mettinger Hauptschule erhalten und ist zur Werkrealschule neuerer Prägung ausgebaut worden.

Kampf ums Überleben: Dennoch litt auch sie unter dem Ausbluten der Schulart. Im Zuge der Schulentwicklungsplanung gab es Gedankenspiele, sie mit der Zollberg-Realschule zu einer Gemeinschaftsschule zusammenzulegen, was jedoch schnell wieder vom Tisch war. In der Folge sorgte die Schule für Aufsehen, weil die Lehrer selbst die weiße Fahne hissten und keine Möglichkeit sahen, die für eine Gemeinschaftsschule notwendige leistungsmäßig durchmischte Schülerschaft alleine aus ihrem Einzugsgebiet bekommen zu können – was die Schule nachher wieder revidierte. Nach dem Gemeinderatsbeschluss, alle Esslinger Werkrealschulen auslaufen zu lassen, beherbergt sie derzeit über ihre eigenen Schüler hinaus noch Werkrealschüler aus der ehemaligen Katharinenschule. Spätestens Ende Juli 2019 wird das Gebäude frei.

Neuanfang: Der Gemeinderat hatte vor eineinhalb Jahren beschlossen, alle Zeiger in der Vorstadt auf Null zu stellen und am Standort der Stifter-Schule eine ganz neue dreizügige Gemeinschafts- oder Realschule zu gründen, die mit einem innovativen und attraktiven Konzept auch für Schüler aus ganz Esslingen interessant werden soll. Deshalb hat die Stadtverwaltung Bildungsexperten aus dem ganzen Bundesgebiet angefragt. Der gemeinderätliche Schulausschuss hat die Runde dann im Februar 2017 auf den Weg gebracht. Bislang ist ihr Entwurf nur einmal – und das nichtöffentlich – im Arbeitskreis Schulentwicklung beraten worden.