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Im Alten Rathaus sind zwei Wissenschaftler von der Uni Leipzig geehrt worden. Sie erforschen eine seltene Nervenkrankheit – mit vielversprechenden Ergebnissen.

EsslingenFür jüngste Erfolge in der Erforschung einer seltenen Erkrankung des peripheren Nervensystems erhalten Robert Fledrich und Ruth Martha Stassart von der Universität Leipzig den Dr.-Holger-Müller- Preis 2018. In einer feierlichen Zeremonie ist im Alten Rathaus in Esslingen der mit 5000 Euro dotierte Preis verliehen worden. Die Schirmherrschaft hat Angela Zieger inne, Kuratorin der Zukunfts-Stiftung Heinz Weiler und Gattin von Esslingens Oberbürgermeister.

Die Forscher Robert Fledrich vom Institut für Anatomie der Universität Leipzig und Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin und Ruth Martha Stassart, Oberärztin der Abteilung Neuropathologie der Universität Leipzig und vom Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin, haben eine mögliche Behandlung der Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung, kurz CMT1A, entdeckt. Die Krankheit galt bislang als unheilbar. Etwa 30 000 Patienten leiden in Deutschland an der Charcot-Marie-Tooth-Erkrankung. Sie ist die häufigste vererbliche Erkrankung des peripheren Nervensystems, gilt aber mit einer Häufigkeit von 1:5000 als seltene Erkrankung.

Gendefekt verantwortlich

Aufgrund eines Gendefektes, einer Verdopplung des Gens für das sogenannte periphere Myelinprotein „PMP22“, entwickeln die betroffenen Patienten eine langsam fortschreitende Nervenschädigung, die zu Gehschwierigkeiten bis hin zur Rollstuhlgebundenheit, Taubheit, Kribbeln und Schmerzen führt. Die ersten Symptome können bereits im Kindesalter auftreten. Obwohl dieser Gendefekt bereits seit 25 Jahren bekannt ist, sind die Mechanismen der Nervenerkrankung nach wie vor wenig verstanden und therapeutische Optionen bisher nicht möglich.

In ihrer aktuellen Forschungsarbeit fanden die Leipziger Wissenschaftler Fledrich und Stassart mit Hilfe von genetisch veränderten Nagetiermodellen heraus, dass die Gliazellen des peripheren Nervensystems, oder auch Schwannzellen genannt, in der CMT1A Erkrankung während der Entwicklung einen Defekt des Fettstoffwechsels aufweisen. Schwannzellen ummanteln normalerweise die Nervenfasern mit einer fettreichen Isolationsschicht, dem Myelin, was die schnelle Weiterleitung elektrischer Impulse sicherstellt. In der CMT1A Erkrankung ist die Myelinproduktion gestört, was zu einer Beeinträchtigung der Nervenfunktion führt.

In Experimenten mit an CMT1A erkrankten Ratten konnten Fledrich und Stassart nachweisen, dass sich die Myelinproduktion der Schwannzellen verbessert, wenn man Lecithin verabreicht. Lecithin ist ein Nahrungsergänzungsmittel und wird aus Soja oder Eigelb gewonnen. Die Wissenschaftler arbeiten nun daran, die neu gewonnenen Erkenntnisse aus dem CMT1A Tiermodell für Patienten nutzbar zu machen. Die Ergebnisse der Studie sind sehr vielversprechend und lassen sich möglicherweise auch auf andere ähnliche Erkrankungen übertragen.

Robert Fledrich und Ruth Martha Stassart werden für die Veröffentlichung ihrer Forschungsergebnisse im führenden Fachjournal Nature Communications mit dem Dr.-Holger-Müller-Preis 2018 ausgezeichnet. Der Dr.-Holger-Müller-Preis für eine Publikation auf dem Gebiet der seltenen Erkrankungen wird bereits zum achten Mal verliehen.

In Kooperation mit der Dr.-Holger-Müller-Stiftung lobt die Care-for-Rare Foundation seit 2011 jährlich den mit 5000 Euro dotierten Wissenschaftspreis aus, der einzelne Wissenschaftler oder eine Gruppe, die im jeweiligen Vorjahr einen wegweisenden wissenschaftlichen Beitrag zu seltenen Erkrankungen veröffentlicht haben, auszeichnet. So sollen Wissenschaftler ermutigt werden, sich der dringend nötigen Erforschung seltener Krankheiten zu widmen.red