Mit gleichgeschlechtlichen Paaren tut sich eine konservative Minderheit in der evangelischen Landeskirche nach wie vor schwer. Sie sollen nur im nicht-öffentlichen Rahmen seelsorgerlich begleitet werden. Foto:dpa Quelle: Unbekannt

Von Melanie Braun und Roland Kurz

Die Segnung homosexueller Paare ist nach der Ablehnung der Landessynode noch nicht erledigt. An der Basis hoffen viele Mitglieder, dass die Zeit für eine neue Regelung spielt. In den Kirchengemeinen wird häufig bedauert, dass in der württembergischen Synode eigentlich eine Mehrheit die öffentliche Segnung gleichgeschlechtlicher Paare möglich gemacht hätte, aber die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit knapp verfehlt wurde.

Bernd Weißenborn, Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Esslingen, ist in der Frage der Segnung homosexueller Paare gespalten. Auf der einen Seite hätte er sich gewünscht, dass die württembergische Landeskirche sich in dieser Hinsicht öffnet. Denn beim Umgang mit Menschen, die in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften leben, habe die evangelische Kirche leider immer noch Nachholbedarf. „Mich macht es regelrecht zornig, wenn Kirchengemeinden oder Gemeinschaften homosexuelle Menschen nicht anstellen“, betont er. „Das ist unbarmherzig.“ Auf der anderen Seite sei klar, dass es in der Landeskirche keine Mehrheit für eine völlige Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Ehe von Mann und Frau gebe. Auch für ihn selbst sei das Thema schwierig: „Ich persönlich lehne es im Moment ab, eine öffentliche Segnung eines homosexuellen Paares vorzunehmen.“ Denn er sehe die Ehe von Mann und Frau als einzigartige Schöpfungsgabe, weil nur sie die Weitergabe von Leben beinhalten könne. Aber er trage es mit, wenn andere Pfarrer homosexuelle Paare öffentlich segnen wollten.

Bis jetzt habe er noch keine größeren Auswirkungen der Entscheidung der Landessynode in seinem Bezirk bemerkt, sagt Weißenborn. Weder habe es mehr Kirchenaustritte gegeben als sonst, noch ungewöhnlich heftige Auseinandersetzungen. Wichtig ist für den Dekan nun aber, sich mit den Gemeindemitgliedern über das Thema auszutauschen, um ein Gespür für die Stimmung vor Ort zu bekommen.

Auch Siegfried Bessey, Vorsitzender des evangelischen Gesamtkirchengemeinderats in Esslingen, kann von keinen Diskussionen berichten: „Auf mich ist zu dem Thema noch niemand zugekommen“, sagt er. Auch von Kirchenaustritten aufgrund der Entscheidung der Landessynode wisse er nichts. Er selbst sei der Meinung, dass ein Segen eines der wichtigsten Dinge im christlichen Leben sei. „Daher würde ich das niemandem vorenthalten.“ Er habe aber die Hoffnung, dass sich die Synode mittelfristig in Richtung Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Beziehungen öffnen werde. „Auf Dauer lässt sich die jetzige Position ja nicht durchhalten“, glaubt Bessey. Denn seiner Meinung nach entspreche diese nicht mehr der Lebenswirklichkeit der Menschen.

Kurt Bleiholder, Vorsitzender des Kirchengemeinderats der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche in Ostfildern, wäre „glücklich gewesen, wenn die Landessynode anders entschieden hätte“. Er sehe, dass diese homosexuell orientierten Menschen großes Interesse haben, den Segen Gottes zu bekommen. Seine persönliche Meinung sei, wenn Gott diesen Menschen die Freiheit gebe, so zu sein, dann stehe es ihm nicht zu, dies zu verurteilen. Bleiholder teilt aber die Position von Landesbischof Frank Otfried July, dass jeder Pfarrer die Freiheit haben müsse, diese Amtshandlung vorzunehmen oder nicht. Obwohl Julys Kompromissvorschlag abgelehnt wurde, dass jede Kirchengemeinde selbst entscheiden könne, ob sie die Segnung gestatte, will Bleiholder das Thema im neuen Jahr auf die Tagesordnung im Kirchengemeinderat Parksiedlung/Scharnhauser Park setzen.

Das Thema bewege die Gemeinde St. Bernhard/Hohenkreuz schon eine Weile, berichtet Kirchengemeinderätin Claudia Kaiser. Es habe einen Aufschrei gegeben, als Prälatin Gabriele Arnold so scharf angegangen worden sei, weil sie die Schirmherrschaft über ein Fest am Christopher-Street-Day übernommen hatte. Kaiser: „Da sind viele Mails an den Landesbischof geschickt worden.“ Vor der letzten Synodal-Sitzung hielt die ortskirchliche Verwaltung einen Klausurabend zum Thema Homosexualität und Kirche ab. „Wir wollten wissen, wie die andern denken, wie es der Theologe sieht, was in der Bibel dazu steht“, erzählt Claudia Kaiser. Nach dem Beschluss der Synode sei dann die Enttäuschung groß gewesen. Schließlich habe nur wenig zur nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit gefehlt, die Mehrheit wäre ja für den Kompromissvorschlag des Bischofs gewesen.

Die Kirchengemeinderätin kann nur schwer nachvollziehen, warum die Landeskirche Württemberg rückschrittlicher als die anderen Landeskirchen ist. Warum soll man denn nicht jemand segnen, der sich Gottes Segen wünsche, fragt sie. Was der Segen dann wert sei, entscheide sowieso nicht der Mensch. Der aktuelle Beschluss sei jedoch kein Grund, verbittert zu werden. „Das Thema ist noch nicht vorbei, es bedarf eben noch mehr Aufklärung“, setzt Claudia Kaiser auf die Zeit.

Aus seiner Kirchengemeinde hat Gottfried Hengel, Pfarrer der Plochinger Stadtkirche, nur vereinzelt Reaktionen erhalten. Vor dem Beschluss der Synode habe ein Gemeindemitglied angekündigt, er trete aus, „wenn das so kommt“. Jetzt habe er einen Anruf bekommen, bei dem jemand den Austritt angekündigt habe, weil die Synode die Segnung abgelehnt habe. Der Plochinger Pfarrer hält es da wie Bischof July: Man könne doch nicht sagen, „das ist nicht mehr meine Kirche“, es sei immer die Kirche von Jesus Christus. Hengel hätte den Kompromissvorschlag, der zusammen mit den pietistischen Kräften vorbereitet worden sei, gut geheißen. Der Gewissensschutz von jenen, die ein anderes Bibelverständnis haben, wäre gewährleistet gewesen. Fürs Erste sei eine gute Lösung in weite Ferne gerückt, bedauert Hengel, hat aber die Hoffnung auf einen Wandel nicht aufgegeben. Die Frauenordination habe einst auch viele Jahre gebraucht. Hengel: „Gottes Mühlen mahlen langsam.“