Häusliche Gewalt nimmt laut dem BKA immer mehr zu. Beratung für die Opfer hat im Hilfskonzept des Landkreises einen hohen Stellenwert. Foto: pol/oh Quelle: Unbekannt

Von Elisabeth Maier

Ein dichtes Netz von Hilfs- und Beratungsangeboten bietet der Kreis Esslingen Frauen und Kindern in Gewaltsituationen. „Gemeinsam mit den Kommunen helfen wir Bürgerinnen, wenn sie in solche Notlagen geraten“, sagt Katharina Kiewel, die Sozialdezernentin des Landkreises. Häusliche Gewalt nimmt auch bundesweit immer mehr zu. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Fälle wieder um 4,4 Prozent gestiegen (siehe Infobox).

Über die gute Kooperation zwischen Landkreis und Kommunen bei den Themen Gewaltprävention sowie Gewalt gegen Frauen und Kinder ist Kiewel sehr froh. „Der Landkreis steht da mit den Städten und Gemeinden in regelmäßigem Kontakt.“ In der kreisweiten Arbeitsgemeinschaft „Beratung für Frauen in Gewalt- und Krisensituationen“ werden Aktivitäten geplant und Entwicklungen diskutiert. Dort sind neben den drei Vereinen „Frauen helfen Frauen“ im Landkreis Verantwortliche der Kommunen und die Beauftragten für Chancengleichheit des Landkreises vertreten.

Polizei verweist an Beraterinnen

Eng arbeiten Landkreis und Kommunen auch beim Thema „Hilfen bei häuslicher Gewalt“ zusammen. Wenn die Polizei bei einer Familie eingreift, verweisen die Beamten die betroffenen Frauen an die entsprechenden Beratungsstellen. „Dieses proaktive Verfahren hat sich bewährt“, sagt Kiewel. In diesen Fällen steht den Frauen eine solche Beratung sogar gesetzlich zu. Die Sozialdezernentin leitet einen kreisweiten Arbeitskreis zu diesem Thema. „Dort werden Strategien besprochen, wie wir den Frauen und Kindern am besten helfen können“, schildert sie das Konzept. Außerdem gibt es im Bereich der sechs Polizeireviere jeweils Runde Tische. Da tauschen sich Vertreter der Polizei, der Ordnungsämter, der Sozialen Dienste, der Frauenhilfsvereine, der Fachberatung Gewaltprävention und anderer Stellen aus. Dieser ständige Dialog liegt Katharina Kiewel sehr am Herzen.

In Esslingen, Kirchheim und Filderstadt gibt es jeweils einen Verein „Frauen helfen Frauen“. An der Finanzierung dieser Beratungsangebote beteiligt sich der Landkreis ebenso wie die Kommunen. Frauen, bei denen die Polizei wegen häuslicher Gewalt eingreifen musste, werden von den dort beschäftigten Fachkräften umfassend beraten. Für dieses gesetzlich vorgesehene Angebot zahlte der Landkreis 450 000 Euro im Jahr 2016. Insgesamt lagen die sogenannten Nettotransferleistungen des Sozialamts, die Menschen im Landkreis zu Gute kommen, bei 158 Millionen Euro

Kiewel legt aber großen Wert darauf, „dass Frauen auch Beratung brauchen, wenn die Polizei in Gewalt- oder Krisensituationen noch nicht eingegriffen hat“. Dieses Angebot finanziert der Landkreis gemeinsam mit den Kommunen. Seit 2016 zahlt der Landkreis den drei Vereinen freiwillig einen Zuschuss von 31 000 Euro. Den Vorstoß der Fraktionen von Freien Wählern und CDU im Gemeinderat Neuhausen, dass der Landkreis dieses Angebot komplett über die Umlagen finanzieren solle (wir berichteten), kann Kiewel daher nicht nachvollziehen. „Das ist ein wichtiger Beitrag zur Daseinsvorsorge für Bürgerinnen und ihre Kinder.“ Mit der finanziellen Beteiligung beziehen der Landkreis Esslingen wie die Kommunen aus ihrer Sicht gemeinsam Position gegen Gewalt. „Frauen in ihrer Not zu helfen, sehen wir in einer gemeinsamen Verantwortung von Landkreis, Städten und Gemeinden.“

Auch Täter suchen Hilfe

Dass der Bedarf für eine solche Beratung im Kreis Esslingen groß ist, steht für Regina Lutz, die Amtsleiterin des Kreissozialamtes, außer Frage. „Die Angebote der Beratungsstellen und der Frauenhäuser werden von Betroffenen aller Schichten der Bevölkerung in Anspruch genommen.“ Die Opfer seien auch unterschiedlicher kultureller Herkunft. 2016 haben die Vereine „Frauen helfen Frauen“ im Kreis insgesamt 102 Opfer beraten. Nach Lutz‘ Worten „suchen auch die Täter professionelle Hilfe“. 109 Männer nahmen das Angebot der Fachberatungsstelle Gewaltprävention in Esslingen in Anspruch. 257 Frauen in Gewalt- und Krisensituationen ohne polizeiliche Intervention haben das Angebot einer persönlichen Beratung genutzt. „Daneben fanden viele telefonische Beratungen statt“, berichtet Lutz.

Stark ausgelastet sind auch die Frauenhäuser im Landkreis Esslingen - in den drei Einrichtungen stehen 43 Plätze bereit. 90 Prozent davon waren 2016 im Schnitt belegt. „Die durchschnittliche Verweildauer hat sich erhöht“, sagt Lutz. 2016 habe man in den Häusern im Landkreis 67 Frauen mit 74 Kindern versorgt. Einig sind sich Lutz und Kiewel, dass ehrenamtliches Engagement bei der Arbeit mit Frauen in Gewaltsituationen eine wichtige Rolle spielt. Diese bürgerschaftlich Engagierten wolle man unterstützen. Großen Wert legt der Landkreis auch darauf, dass die Fachkräfte regelmäßig geschult werden und optimale Möglichkeiten zur Fortbildung erhalten. Die Fäden dafür laufen ebenfalls beim Kreis zusammen.

Mehr als 300 Einsätze wegen häuslicher Gewalt im Kreis Esslingen

Statistik des Bundeskriminalamts: Das Bundeskriminalamt (BKA) hat 2016 mehr Gewalttaten in Beziehungen registriert. In der Statistik sind bundesweit etwa 80 000 Körperverletzungen, 357 Tötungen und 7600 Stalkingfälle registriert.

Statistik der Polizei im Kreis Esslingen:2012 verzeichnete die Polizei im Kreis 502 Fälle, 2015 waren es 481 und 2016 dann 565. Trotz des Anstiegs sieht Andrea Kopp, Pressesprecherin der Polizeidirektion Reutlingen, keinen eindeutigen Trend nach oben: „Die Zahlen schwanken von Jahr zu Jahr.“ Für 2017 zeichne sich momentan wieder ein Rückgang ab - die genauen Zahlen sind aber noch nicht freigegeben.

Art der Delikte:Der Löwenanteil entfällt auf Körperverletzungsdelikte, aber auch auf weitere Tatbestände wie etwa Bedrohung, Nötigung, Freiheitsberaubung, Sachbeschädigung, Nachstellung und Sexualdelikte. Tötungsdelikte fallen ebenso darunter.

Polizeiliche Einsätze: 307 Mal war die Polizei im Landkreis Esslingen wegen häuslicher Gewalt im Einsatz. Die Zahl der Einsätze weicht von den Straftaten ab, denn bei einem Einsatz können zum Beispiel mehrere Straftatbestände festgestellt werden.