Lassen sich nicht von rechter Hetze einschüchtern: Almuth Zipf (von links), Peter Marx, Ulrike Krinn, Dietmar Frey, Brunhilde Burgmann und Sabine Nollek. Foto: von Leesen - von Leesen

Zu Weihnachten bittet eine Helferin um Geschenkspenden für Flüchtlinge. Von Rechten bekommt sie nun Hassmails und Drohanrufe.

EsslingenWenn das Telefon klingelt, mag Brunhilde Burgmann derzeit kaum rangehen. Denn gerade ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie vom Anrufer anonym beschimpft wird. „Schlampe“ und „Volksverräterin“ hört sie, manche legen auch gleich wieder auf. „Das zermürbt“, sagt Burgmann.

Burgmann ist in den Fokus rechter Kreise geraten, weil sie im Ökumenischen Freundeskreis Asyl in Esslingen aktiv ist. Der organisiert seit über 20 Jahren eine Nikolausfeier für Flüchtlinge und bittet dabei im Vorfeld um Spenden – und zwar um Neuware. Publiziert wird dies ausschließlich über Aushänge in den Berkheimer Kirchen und über eine Anzeige im Berkheimer Mitteilungsblatt, in der auch Name und Telefonnummer von Burgmann stehen. Diese Anzeige hat vor etwa einer Woche jemand fotografiert und auf der rechten Facebook-Seite „Unsere Heimat Deutschland“ gepostet. Bösartige Kommentare laufen sowohl hier auf als auch auf der Facebook-Seite der AfD Ettlingen, die die Meldung übernommen hat.

Die Folge für Burgmann: seit einer Woche anonyme Anrufe und bösartige Mails. Über den Facebook-Eintrag haben andere rechte Plattformen das Thema übernommen. Besonders übel geht es auf anonymousnews.ru zu – einer Seite, die Falschmeldungen, Rassismus und Verschwörungstheorien verbreitet, in Russland registriert ist und kein Impressum hat. Dort strotzt es vor Hetzbegriffen wie „linksgrüne Überfremdungsfanatiker“ und „illegale Invasoren“. Aggressiv äußern sich die Kommentatoren: „Habe gerade einen hübsch verpackten Karton mit ‚NEUER’ Scheiße an die zuständigen Damen geschickt“, schreibt ein gewisser Neko. „Sehr gerne würde ich eine Handgranate spenden. Wenn man den Stift zieht, bekommt man die Überraschung!!!“, kommt von „jogimann“. Über die Plattform wurde in der ARD und in der Süddeutschen bereits mehrmals berichtet. So gab es zunächst eine Seite, die von Facebook wegen Hetze gelöscht wurde, dann tauchte die Webseite auf. Wer sie betreibt, ist unbekannt.

Aus Österreich kommen die Publikation „Wochenblick“ und die Plattform „unzensuriert.at“. Auch sie regen sich über die Nikolausfeier auf und lassen per Twitter kommentieren. Auf Wikipedia werden beide Publikationen als „Desinformationsprojekte am rechten Rand“ bezeichnet und mussten wegen übler Nachrede bereits Geldstrafen zahlen.

Für Brunhilde Burgmann und ihre Mitstreiterinnen sind die Angriffe widerlich und überraschend. „Wir machen das jetzt seit über 20 Jahren, und noch nie gab es Reaktionen“, sagt Burgmann. Bei der Nikolausfeier gehe es in erster Linie darum, gemeinsam zu feiern. „Die festlich gedeckten Tische, der Nikolaus, Musik, Gespräche – das alles steht im Mittelpunkt.“ Besonders erschütternd findet Dietmar Frey vom Bürgerausschuss Berkheim, dass das Ganze von jemandem aus dem Ort losgetreten worden sein muss. „Das ist ein Foto von der Anzeige im Berkheimer Mitteilungsblatt. Da ist der Zugriff beschränkt.“ Zudem irritiere es, dass es keine direkte Auseinandersetzung gebe. „Da ist nichts fassbar. Diese Leute wollen nur Schmutz werfen“, so Burgmann.

Dabei gäbe es einiges zu entgegnen. „Wenn den Kirchen vorgeworfen wird, wir würden uns nicht um arme Deutsche kümmern – das stimmt nicht“, betont Pfarrerin Sabine Nollek. „Wir haben Hilfsangebote für alle, die in Not sind.“ Zum Beispiel die Aktion „Flammende Herzen“ von Diakonie und Caritas in Esslingen, bei der Geschenke an Kinder aus armen Familien verteilt werden. Für ihren katholischen Amtsbruder Peter Marx zeigt sich an den Kommentaren, welche gesellschaftliche Dimension das Thema Flüchtlinge angenommen hat. „Aber ich frage mich: Was denken diese Leute? Was haben die für ein Wertesystem? Das ist ja nur Wut und Hass.“ „Weil sie nicht Bescheid wissen“, sagt Burgmann. „Ich bin überzeugt, diese Leute wissen nichts über die Lebenswirklichkeit von Flüchtlingen.“ Und wenn eine anonyme Anruferin „mit norddeutschem Akzent“ ihr auf den Anrufbeantworter spricht, „ihr seid Volksverräter, ihr seid Nazis, ihr seid gegen Deutsche“, dann sehe man ja, welch niedriges Niveau da herrsche. Ulrike Krinn vom Unterstützerkreis Berkheim ärgert am meisten, „dass diese Leute auf ihrem Sofa hocken und anonym irgendwas in ihren PC hacken. Das ist ja bequem. Wir sind aktiv, wir tun was für andere!“ So organisiere der Unterstützerkreis Berkheim regelmäßig Sprachtreffs und helfe bei der Ausbildungs- und Berufsfindung. „Das sind Angebote für alle!“

Burgmann hat sich wegen der telefonischen Belästigung und der Emails an viele Esslinger gewandt, organisiert Unterstützung und Öffentlichkeit. „Wir haben überlegt: Soll man an die Öffentlichkeit gehen oder diesen Hetzern keinen Platz geben?“, erklärt Krinn. „Aber still halten, geht nicht. Ich bin überzeugt: Wir sind mehr. Also müssen wir auch mehr wahrgenommen werden.“ Burgmann hat auch Kontakt zur Polizei aufgenommen. „Die haben mir mitgeteilt, da könne man wenig tun.“ Allerdings habe die Polizei ihr zugesagt, sich verstärkt um die Sicherheit rund um die Nikolausfeier zu kümmern. Polizeisprecherin Andrea Kopp rät auf Anfrage der EZ, auf jeden Fall Facebook den Fall zu melden. Ob Mails und Anrufe strafrechtlich relevant seien, hänge vom Wortlaut ab. Kopp: „Konkrete Drohungen wie ‚Ich zünde dein Haus an’ sind strafrechtlich relevant. Allgemeine wie ‚Pass bloß auf’ dagegen nicht. Aber auch Beleidigungen, Volksverhetzung und üble Nachrede können verfolgt werden.“ Wichtig sei, die Mails zu sichern, sichtbare Telefonnummern und Gesprächsinhalte zu notieren sowie alles der Polizei vorzulegen.