Online - das sind viele Jugendliche viel zu lange, meint Zukunftsforscher Horst Opaschowski. Symbol Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Claudia Bitzer

Mit viel Wohlgefallen hat man in der Klinik für Kinder und Jugendliche des Esslinger Krankenhauses den Artikel über Zukunftsforscher Horst Opaschowski gelesen. Der hatte in der EZ vom 18. November die Jugendlichen zur „digitalen Diät“ aufgefordert. Sie sollten sich öfter aus dem Erreichbarkeits- und Beschleunigungswahn ausklinken und statt Facebook, Instagram und Co. lieber echte Freundschaften pflegen.

Die klaren Empfehlungen zum Umgang mit digitalen Medien und Mobiltelefonen „sind auch aus Sicht der Kinder- und Jugendärzte zu unterstützen“, heißt es in einer Mitteilung aus dem Esslinger Klinikum. Statt zur Phiole mit der Moralinsäure greifen Professor Christian von Schnakenburg und Klinikumssprecherin Anja Dietze aber lieber zum Humor: „Ein Jugendlicher scheint die ,Diät’ wenige Tage später sehr wörtlich genommen zu haben“, schreiben die beiden. „Er hat beim Zerlegen seines Smartphones die SIM-Karte verschluckt.“

Glasklar auf dem Röntgenbild

Um die Privatsphäre des 15-Jährigen zu schützen, gaben sie leider nichts darüber preis, wie der Unglücksrabe das geschafft hat. Hatte er den Chip im Eifer des Gefechts zwischen die Lippen geklemmt und ist er ihm dort abgerutscht? Oder hatte er versucht, mit den Zähnen sein Smartphone aufzubekommen und wurde dabei von der entfesselten SIM-Karte überrascht? Auch die Frage, ob ihn ein stechender Schmerz im Brustkorb, die nackte Angst vor dem Fremdkörper im Bauch oder doch eher die Sorge um die Daten auf dem Chip ins Klinikum getrieben hat, muss leider offen bleiben.

Was sich auf dem Röntgenbild zeigte, war jedenfalls der glasklare Beleg dafür, dass der junge Mann tatsächlich offline war. Auch vom medizinischen Standpunkt war Chefarzt von Schnakenburg sehr beruhigt über das, was er da sah. „Die Speiseröhre wurde erfolgreich überwunden, sodass mit der Ausscheidung auf natürlichem Wege zu rechnen ist“, lautete seine Diagnose. Lediglich beim Verschlucken von Knopfbatterien oder Magneten müsse an eine rasche ärztliche Entfernung gedacht werden. Im Klartext: Die SIM-Karte wanderte über den Magen einmal durchs Gedärm. Ob der digitale Mini-Helfer den Verdauungsprozess dabei be- oder eher entschleunigt hat, steht nicht im Patientenordner. Fraglich ist allerdings, ob der 15-Jährige in der knappen Zeit der Nichterreichbarkeit auch seine Echt-Freundschaften reaktivieren konnte. Vielleicht ist er aber auch immer noch offline. Denn während die verschluckte SIM-Karte für ihren Nutzer offenbar keine gesundheitsschädlichen Konsequenzen hatte, ist fraglich, wie sie selbst den Marsch durch das Innerste ihres Users überstanden hat. „Ob der Jugendliche unter seiner alten Telefonnummer mittlerweile wieder erreichbar ist, ist nicht bekannt“, schreiben Dietze und von Schnakenburg jedenfalls im letzten Satz ihres Bulletins.