Ohne ihre Großbrücken kommt Esslingen zum Erliegen. Deshalb wandern Millionen von Euro in deren Erhalt und später auch in Neubauten. Vieles ist noch längst nicht finanziert. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Von Christian Dörmann

Oberbürgermeister Jürgen Zieger spricht von den besten Haushalten seit Jahren. Und wenn er Haushalte sagt, dann meint er den Doppelhaushalt 2018/2019, der gestern in dieser Form erstmals in den Esslinger Gemeinderat eingebracht worden ist. Von nun an wird es also nur noch alle zwei Jahre Haushaltsberatungen geben. Eine Entscheidung, die vom Stadtparlament in breitem Einvernehmen getroffen worden ist, und die zu weniger Beratungsaufwand und mehr Planungssicherheit führen soll. Dass der erste D oppelhaushalt unter günstigen Bedingungen vorbereitet wird, ist der weiterhin sehr guten Konjunktur, den Erfolgen der strategischen Haushaltskonsolidierung mit 5,8 Millionen Euro erreichten Einsparungen und strengen Budgetvorgaben in den städtischen Ämtern zu verdanken. Hinzu kommt noch eine positive Überraschung.

Unverhoffter Geldsegen

Der Entwurf für den Doppelhaushalt war in der Finanzverwaltung schon durchgerechnet, als aus dem Landratsamt die Kunde kam, wonach der Hebesatz für die Kreisumlage um einen auf 31,5 Prozentpunkte gesenkt wird. Damit verbleiben in der Esslinger Stadtkasse für die kommenden beiden Jahre jeweils fünf Millionen Euro mehr als geplant. Dieses Geld, also zehn Millionen Euro, sollen nun als Infrastrukturrücklage für die künftige Stadbücherei zurückgelegt werden, sofern der Gemeinderat diesem Vorschlag der Verwaltung folgt.

Sprudelnde Einnahmen schaffen mehr Sicherheit. So erinnert Finanzbürgermeister Ingo Rust an die Krisenjahre 2008 und 2009, als von den erwarteten gut 71 Millionen Euro Gewerbesteuereinnahmen letztlich weniger als 17 Millionen übrig blieben. Damals konnte das Riesenloch nur durch hohe Kredite gestopft werden - so etwas soll möglichst nicht wieder passieren. „Wir könnten selbst eine so dramatische Krise wie 2008/2009 etwa ein Jahr lang ohne Schulden überbrücken“, sagt Rust und warnt aber gleichzeitig vor Begehrlichkeiten, - trotz der günstigen Kassenlage: „Haushalte werden in guten Zeiten ruiniert, nicht in schlechten.“

Gleichwohl braucht Esslingen viel Geld, um das zu finanzieren, was der Gemeinderat mit seinen Beschlüssen schon längst angestoßen hat. Als einen Schwerpunkt nennt OB Jürgen Zieger erhebliche Investitionen in die Infrastruktur der Stadt. So fließen in den kommenden beiden Jahren jeweils rund 13,5 Millionen Euro in die Sanierung und in den Erhalt der Esslinger Brücken. Allein zwölf Millionen Euro verschlingt die Instandhaltung städtischer Gebäude. Um drei Viertel steigen die Ausgaben für die Verkehrsplanung, vor allem für Radwege und Mobilitätskonzepte. Weitere Posten, die aus Sicht des Oberbürgermeisters dazu geeignet sind, die Zukunft der Stadt aktiv zu gestalten: Die Verwaltung gibt im Vergleich zu diesem Jahr gut ein Drittel mehr für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen aus. Die Ausgaben für die Schulsozialarbeit steigen um knapp ein Fünftel. Und unter anderem werden die Ausgaben für die Kulturpädagogik durch eine neue Stelle für den Kulturrucksack mehr als verdoppelt.

Aufruf zur Bescheidenheit

„Aus heutiger Sicht ist unser Haushalt krisensicher“, meint Finanzbürgermeister Rust, hält aber Bescheidenheit bei allen wichtigen Entscheidungen und auf lange Sicht gesehen für geboten. Niemand könne vorhersagen, wie sich die Steuereinnahmen der Stadt in fünf oder zehn Jahren entwickeln würden. Vorhersehbar sind dagegen schwere Brocken, die auf Esslingen zukommen. „Diese sind zwar allesamt wichtig und notwendig, aber mitnichten finanziert“, warnt Rust und nennt als Beispiele die Stadtbücherei - egal ob Sanierung am derzeitigen Standort oder Neubau - sowie die sanierungsbedürftige Schelztorsporthalle oder die städtischen Bäder. Und: „Wenn wir heute entscheiden, eine Brücke für Millionen Euro zu sanieren, sind die Folgekosten auf Jahrzehnte hinaus festgeschrieben.“

Die zweite Lesung des Esslinger Doppelhaushalts mit der allgemeinen Aussprache im Gemeinderat findet am 13. November statt. Am 18. Dezember soll das Planwerk vom Stadtparlament beschlossen werden.

eckdaten und investitionen

Ergebnisse: Der Entwurf für den Doppelhaushalt 2018/2019 geht für 2018 von einem ordentlichen Ergebnis von 5,46 und für 2019 von 4,69 Millionen Euro aus. In der mittelfristigen Planung von 2020 bis 2022 liegen die Prognosen bei 6,1, 6,6 beziehungsweise 5,1 Millionen Euro. Für die kommenden beiden Jahre sind jeweils Kreditermächtigungen von 4,5 Millionen Euro möglich. Kredite sollen aber nur dann aufgenommen werden, „wenn dies wirtschaftlich sinnvoll ist“. Netto ist eine Kredittilgung vorgesehen. 2018 und 2019 sollen insgesamt rund zehn Millionen Euro an Schulden zurückgezahlt werden. Dadurch soll der Schuldenstand bis Ende 2022 auf unter 50 Millionen Euro sinken. Derzeit hat die Stadt im Kernhaushalt (ohne Beteiligungsunternehmen) 76,3 Millionen Euro Schulden.

Gewerbesteuer: Die Kämmerei geht auch weiterhin von einem guten Konjunkturverlauf und damit von Gewerbesteuereinnahmen auf hohem Niveau aus. Das absolute Hoch war im vergangenen Jahr mit fast 89 Millionen Euro, in diesem Jahr wird mit 80 Millionen Euro gerechnet. Die prognostizierte Entwicklung in den folgenden Jahren: 76,3 Millionen Euro (2018), 78 Millionen Euro (jeweils 2019 und 2020), 79,5 Millionen Euro (2021) und 81,3 Millionen Euro (2022).

Investitionen: Im Entwurf für den Doppelhaushalt sind weitere 5,5 Millionen Euro für die Sanierung der Augustinerbrücke, 4,5 Millionen Euro für die Vogelsangbrücke, 1,6 Millionen Euro für die Pliensaubrücke und jeweils eine halbe Million Euro für die Adenauer- und Hanns-Martin-Schleyer-Brücke vorgesehen. Weitere Millionenbeträge kommen in den nächsten Jahren dazu, um die Brücken zu erhalten und letztlich drei davon neu zu bauen. Insgesamt will die Stadt in den kommenden Jahren fast 30 Millionen Euro in Verkehrsflächen investieren: 3,6 Millionen Euro in neue Straßenbeläge, 2,3 Millionen Euro in die Geiselbachstraße, 800 000 Euro in den Sportpark Weil und 400 000 Euro in den barrierefreien Ausbau von Bushaltestellen. Weitere Beispiele für Investitionen sind der Abriss und Neubau der Kita Görderlerweg (3,7 Millionen Euro), das Verbindungsbauwerk an der Kita Entengrabenstraße für eine dreiviertel Millionen Euro, der Ausbau der Seewiesenschule zur Ganztagesschule (gut 3,3 Millionen Euro) oder der Neubau der Grundschule Zell mit rund neun Millionen Euro.