Für die Hanns-Martin-Schleyer-Brücke in Mettingen gibt es keinen Aufschub. Sie muss schon in den nächsten fünf bis sechs Jahren abgerissen und neu gebaut werden. Foto: Bulgrin Foto: dpa

Von Christian Dörmann

Die Erneuerung der drei großen Esslinger Neckarbrücken mit all ihren Folgen für das Verkehrsgeschehen hängt wie ein Damoklesschwert über der Stadt. Während seit Sommer des vergangenen Jahres feststeht, dass die Hanns-Martin-Schleyer-, Vogelsang- sowie Adenauerbrücke abgerissen und neu gebaut werden müssen, herrscht nun auch über den Zeitplan mehr Klarheit. Wie vom Gemeinderat gestern einstimmig beschlossen, wird der Ablauf gestreckt, indem bis zum Jahr 2019 weitere 23 bis 25 Millionen Euro in die drei Bauwerke investiert werden. Auf diese Weise könnte man die Vogelsang- und Adenauerbrücke bis zu 20 Jahre lang weiter verkehrssicher nutzen, wenn keine weiteren Schäden auftreten. So lange kann man mit der Hanns-Martin-Schleyer-Brücke in Mettingen nicht warten: Sie muss in den nächsten fünf bis sechs Jahren erneuert werden.

Mehr Luft für die Planung

Ein Gutachten der Brückenspezialisten vom Stuttgarter Ingenieurbüro Leonhardt, Andrä und Partner macht deutlich: Damit die drei Brücken bis zu ihrem Abbruch überhaupt noch verkehrssicher betrieben werden können, muss kräftig investiert sowie umfangreich repariert werden - und die Konstruktionen müssen verstärkt werden. Unter solchen Voraussetzungen wird es möglich, zumindest die Lebensdauer der Adenauer- und Vogelsangbrücke deutlich zu verlängern, bevor auch sie durch Neubauten ersetzt werden. Nach den Berechnungen des Ingenieurbüros verschafft diese Variante den Planern nicht nur mehr Luft, sie sei auch erheblich wirtschaftlicher als der Weg, die Neubauten möglichst schnell anzugehen.

Gleichwohl werden Bürgerschaft und Pendler schon in nächster Zeit die Folgen der gestrigen Entscheidung zu spüren bekommen, denn die ersten Arbeiten stehen an: Dazu gehört eventuell schon von der nächsten Woche an die Einengung der Rampen auf der Vogelsang- und Adenauerbrücke, weil es wegen statischer Mängel nötig ist, die Belastung auf die Mitte der Rampen zu verlagern. Und von der zweiten Jahreshälfte an müssen an der Hanns-Martin-Schleyer-Brücke in Mettingen die beiden Übergangskonstruktionen und die Beläge ausgebessert werden. Weiter geht es im nächsten und übernächsten Jahr mit Reparaturarbeiten an der Adenauer- und Vogelsangbrücke, die danach deutlich länger halten könnten als bisher angenommen.

Übrigens: Die Ertüchtigung der drei großen Neckarbrücken ist nicht nur eine Folge von Schäden, sie geschieht auch im Vorgriff auf deren Abriss und Neubau. Fällt eine Brücke aus, müssen die verbliebenen Bauwerke im wahrsten Sinne des Wortes die Last tragen. Das hat die Sanierung der Dieter-Roser-Brücke gezeigt, vor allem die Adenauerbrücke wurde in dieser Zeit erheblich mehr belastet.

Dass jetzt noch viel Geld investiert wird, obwohl die alten Brücken ohnehin erneuert werden müssen, hängt laut Verwaltung mit sehr komplexen und aufwendigen Planungs- und Genehmigungsverfahren im Voraus sowie mit dem Umstand zusammen, wonach die Brücken nur nacheinander ersetzt werden können. Vor einem Neubau müssen mit vielen Versorgungsunternehmen (Leitungsträgern), welche die Bauwerke ebenfalls nutzen, Übergangslösungen gefunden werden. Mit dem Land Baden-Württemberg (Brücken und Anschlussbereiche an die B 10), der Deutschen Bahn und der Wasserschifffahrtsverwaltung müssten ebenfalls tragfähige Lösungen erarbeitet werden.

Staus und Umwege kommen schnell

Auch wenn es jetzt noch eine Schonfrist bis zu den ganz großen Baustellen gibt, werden die Reparaturarbeiten bis 2019 den Verkehr zum Teil erheblich beeinträchtigen. Die Stadtverwaltung setzt deshalb unter dem Motto „Esslingen baut vor“ auf eine breite öffentliche Information und bietet dazu ab Ende März auf einer eigenen Baustellen-Webseite regelmäßig aktuelle Hinweise über den Stand der Dinge an. Gleichzeitig will sie die Auswirkungen der Bauarbeiten durch eine optimierte Verkehrssteuerung soweit wie möglich in Grenzen halten. Trotzdem seien Staus und Umwege unvermeidlich. Die Stadt appelliert an alle Verkehrsteilnehmer, ihrerseits einen Beitrag zu leisten, um die Situation zu entzerren, etwa durch einen verstärkten Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr.

das sagen die stadträte zum neuen zeitplan

Heidi Bär (SPD):Die Stadrätin spricht von einer riesigen Herausforderung auch in finanzieller Hinsicht und macht deutlich, dass die Brücken nur nacheinander erneuert werden können. Bis 2044 bedürfe es eines langen Atems. Lob gab es für das Kommunikationskonzept der Verwaltung.

Ernst Mauz (CDU): Man stehe finanziell und logistisch vor einer Mammutaufgabe, so der Stadtrat. Es sei schwer zu vermitteln, dass nun erst groß investiert werde, bevor die Brücken abgerissen würden. „Aber am Ende erreichen wir so die preiswerteste Lösung.“

Eberhard Scharpf (Freie Wähler): „Wir schieben die Sache etwas vor uns her“, sagte Scharpf und machte deutlich: „Wir verschieben den größeren Teil der Investitionen in die nächste Generation.“ Die Baustellen müssen sorgfältig geplant werden, um die Beeinträchtigungen so gering wie möglich zu halten.

Helmut Müller-Werner (Grüne): Das Miteinander in der Stadt werde in den kommenden Jahren strapaziert werden, meinte der Stadtrat. Er sieht die großen Herausforderungen aber auch als Chance für die Entwicklung eines schlüssigen Mobilitätskonzeptes.

Tobias Hardt (Linke):Ein Mobilitätskonzept wird von Hardt begrüßt und er hofft, dass es auf diesem Weg gelingen kann, ein umfassendes Fahrradkonzept zu entwickeln. Dieses Thema läge im Moment völlig brach.

Ulrich Fehrlen (FDP): Durch die zeitliche Streckung bleibt aus Fehrlens Sicht ein Restrisiko für den Fall, dass an den Brücken noch unvorhersehbare weitere Schäden auftreten.

Dilek Toy (FÜR): Die Stadträtin plädiert dafür, die gewonnene Zeit „für den Kampf um Zuschüsse von Bund und Land“ zu nutzen.