Gary Smulyan Foto: Rudolph Lu - Rudolph Lu

Die Geschichte des Esslinger Jazzkellers reicht bis in die 50er-Jahre zurück. Dass die Legende noch immer sehr lebendig ist, zeigt das Konzertprogramm für die kommende Herbstsaison.

EsslingenDas wird ein heißer Herbst fürs Esslinger Jazz-Publikum: Beim Dulkhäusle wird bis zum 7. September jeden Donnerstag gejazzt – wann immer es das Wetter erlaubt, unter freiem Himmel. Und wenn die Zeit der Open-Air-Konzerte zu Ende geht, ist noch lange nicht Schluss: Das Mare Nostrum Trio eröffnet am 19. September das Jazzfestival, das bis zum 3. Oktober internationale Stars nach Esslingen holt. Der Jazzkeller in der Webergasse 22 startet am 20. September mit Gary Smulyan und dem Ralph Moore Quintet in die Herbstsaison. Und am 22. September folgt die Dieselstraße mit dem Daniel Garcia Trio.

Das Programm für Dulkhäusle und Jazzfestival steht schon eine ganze Weile. Nun verrät die Veranstaltergemeinschaft Jazzkeller, was sie ihrem Publikum zu bieten hat. Zum Auftakt gibt es am Freitag, 20. September, eine Premiere: Mit Gary Smulyan ist erstmals ein Baritonsaxofonist zu Gast, der zusammen mit dem Tenorsaxofonisten Ralph Moore, Olivier Hutman (Piano), Stephan Kurmann (Bass) und dem Schlagzeuger Bernd Reiter zu hören sein wird. Jüngst schwärmte ein Rezensent über Smulyan und Moore: „Was die beiden Vollblut-Saxofonisten aus Standards des Great American Songbook machen, kann man phänomenal nennen. Die Arrangements sind kunstvoll, die Unisono-Passagen der beiden Saxofone hochspannend, die Vermischung der ungewöhnlichen Klangfarben schafft einen ganz eigenen Reiz, kraftvoll und mit Raffinement.“

Die Jazzcrew ES ist am Freitag, 11. Oktober, im Jazzkeller zu hören. Dozentinnen und Dozenten der städtischen Musikschule spielen Jazzstandards und Originaltitel in unterschiedlichsten Formationen. Jochen Feucht (Saxofon), Ralf Reichert (Trompete), Uli Röser (Posaune), Vesna Münkle (Gesang), Günter Weiss (Gitarre), Karoline Höfler (Kontrabass), Thomas Rotter (E-Bass), Felix Schrack (Schlagzeug) sowie Jochen Volle und Gregor Kissling (Klavier) versprechen abwechslungsreiche Arrangements, in denen auch mehrstimmige Bläserriffs und Jazzgesang auf eine pulsierende Rhythmusgruppe treffen. Der Eintritt zu diesem Konzert ist ausnahmsweise frei.

Der Gitarrist Peter Bernstein wird am Samstag, 12. Oktober, mit seinem Quartett erwartet. Bernstein, der sich an der Seite von Jazz-Größen wie Sonny Rollins, Bobby Hutcherson, Brad Mehldau, Joshua Redman oder Gregory Hutchinson einen Namen gemacht hat, ist nicht zum ersten Mal im Gewölbe unter der Webergasse 22 zu hören. Sein aktuelles Ensemble wird komplettiert durch den Pianisten Sullivan Fortner, Doug Weiss am Bass sowie Leon Parker am Schlagzeug.

Das Johannes Mössinger Quartett ist am Freitag, 15. November, zu Gast. Mössinger (Piano) bringt mit Adam Nussbaum einen der interessantesten Jazz-Drummer der Gegenwart mit, dem Andy Hunter (Posaune) und Martin Gjakonovsky am Bass in nichts nachstehen. Dass Mössinger vor fünf Jahren den damals renovierten Jazzkeller musikalisch einweihen durfte, spricht für die Wertschätzung, die er dort genießt.

Yes! nennen Aaron Goldberg (Piano), Omer Avital (Bass) und Ali Jackson jr. (Schlagzeug) ihr Trio, mit dem sie am 6. Dezember gastieren. „Wir trafen uns, um zu lernen, zusammen zu spielen und um uns gegenseitig zu ermutigen und zu inspirieren“, erzählen die drei Musiker. „Wir wollen den Sound der Wurzeln des Jazz mit der Gegenwart verbinden, denn daraus schöpft sich die Zukunft des Jazz.“

Das Weihnachtskonzert ist für Jazzkeller-Fans ein Pflichttermin – nicht nur der Weihnachtsgutsle wegen, die an diesem Abend gereicht werden. Das Jürgen Bothner Trio mit dem Pianisten Frank Eberle hat sich für den 20. Dezember angesagt. Und die Veranstalter erwarten von diesem Ensemble „genau die richtige Mischung, um entspannt in die Weihnachtsferien zu gleiten“.

Die Jazzkeller-Konzerte beginnen um 20.30 Uhr, Einlass ist ab 19.30 Uhr. Im Vorverkauf gibt es Tickets im EZ-Haus am Marktplatz (Telefon 07 11/93 10-230) und bei Provinzbuch in der Küferstraße.

Der Jazzkeller im Zeitraffer

Die Anfänge: Mitte der 50er-Jahre waren ein paar junge jazzbegeisterte Musiker auf der Suche nach einem Übungsraum beim Bäckermeister Gustav Hutter in der Webergasse 22 gelandet. Hutter kannte die USA, hatte von dort die Jazz-Begeisterung mitgebracht und stellte das Gewölbe unter seinem historischen Gebäude als Übungsraum zur Verfügung. 1957 wurde der Jazzclub Esslingen gegründet, der Ende der 50er-Jahre die ersten öffentlichen Konzerte im Keller veranstaltete.

Die Blütezeit: In den 60er-Jahren wurde der Jazzkeller zu einer der ersten Adressen für anspruchsvollen Jazz in Deutschland. Wer damals in der Szene Rang und Namen hatte, war irgendwann in der Webergasse 22 zu Gast. Große Namen wie Benny Bailey, Arthur Blythe, Carla Bley, Don Cherry oder Ben Webster waren dort zu hören, deutsche Vorzeige-Jazzer wie Albert Mangelsdorff, Wolfgang Dauner oder der Esslinger Lokalmatador Eberhard Weber feierten dort ihre ersten Erfolge.

Das Ende: Anfang der 70er-Jahre musste der Jazzkeller nach jahrelangen Querelen mit Behörden und Nachbarn schließen. Lange Zeit blieben die Lichter aus, und nur wenige hatten darauf gewettet, dass sich die Türen wieder öffnen würden.

Das Comeback: Für die Kulturnacht 1994 öffneten die einstigen Macher zusammen mit Gustav Hutters Sohn Eugen einen Abend lang nochmals den Jazzkeller für ein Konzert mit Altmeister Emil Mangelsdorff. Was zunächst nur als ein einmaliges Ereignis gedacht war, wurde zu einer Initialzündung. Mit einem Konzert von Wolfgang Dauner und Albert Mangelsdorff wurde im folgenden Jahr die Wiedereröffnung gefeiert. Seither gibt es wieder regelmäßig Konzerte in der Webergasse 22. Die neu gegründete Veranstaltergemeinschaft Jazzkeller organisiert dort zehn Konzerte im Jahr, während des Jazzfestivals im Herbst finden dort zu später Stunde Jam-Sessions statt. gw