Gregor Spitzmüller (links) unterstützt Felix Baumann bei seiner Arbeit als ehrenamtlicher Bewährungshelfer am Esslinger Amtsgericht Foto: Bulgrin - Bulgrin

Felix Baumann ist dankbar für sein Leben, das er als privilegiert empfindet. Deshalb will er der Gesellschaft etwas zurückgeben – als ehrenamtlicher Bewährungshelfer.

Esslingen Felix Baumann ist zufrieden mit seinem Leben. Er hat das Gefühl, Glück gehabt zu haben. Dieses Privileg will er nicht einfach nur hinnehmen. Er will etwas Gutes zurückgeben. Deshalb engagiert sich der 33-Jährige als ehrenamtlicher Bewährungshelfer. Er unterstützt Menschen, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind, dabei, ein geregeltes Leben ohne Straftaten zu führen. Das ist nicht immer einfach – aber es lohnt sich, findet Baumann.

Der 33-jährige Informatiker betreut Straftäter in ihrer Bewährungszeit. Das bedeutet unter anderem, dass er kontrollieren muss, ob sie die Auflagen einhalten, die ihnen das Gericht für die Bewährungszeit auferlegt hat. Das kann eine Geldbuße sein, die Arbeit in einer gemeinnützigen Einrichtung oder aber eine Suchtberatung oder Drogentherapie. Außerdem unterstützt Baumann seine Klienten, wie er sie nennt, bei Problemen und hilft ihnen, ihre Straftaten aufzuarbeiten.

Etwa einmal im Monat trifft sich Baumann mit seinen Klienten. Dann spricht er mit ihnen darüber, wie die Bewährungszeit läuft, ob sie die Auflagen einhalten – und wie sie ihre Situation verbessern können. „Oberstes Ziel ist es, den Menschen zu helfen, nicht wieder straffällig zu werden“, erklärt er. Dazu gehört auch, über Probleme zu sprechen. „Man muss auch auf kritische Punkte hinweisen, die den Klienten vielleicht nicht bewusst sind“, sagt Baumann. Es gehe darum, klar zu machen, wo die Gefahr lauern könnte, dass wieder etwas schief geht – aber auch darum, zu besprechen, was gut läuft.

Betreuung ist oft kompliziert

Nicht immer seien die Bewährlinge offen für kritische Gespräche: „Wenn ich merke, dass nichts kommt, lenke ich das Gespräch auf diese Sachverhalte“, sagt Felix Baumann. Aber er stoße auch immer wieder an Grenzen. Manche verdrängten ihre Taten, wollten sich nicht damit beschäftigen oder seien uneinsichtig. Und viele hätten ein ganz anderes Verständnis von Recht und Unrecht, von Termintreue und Zuverlässigkeit als er. Das mache die Sache oft kompliziert. Zumal die Betreuten verpflichtet sind, die Bewährungshilfe anzunehmen: „Das ist nicht freiwillig, das ist ein Zwangskontakt“, betont Gregor Spitzmüller, der Felix Baumann als hauptamtlicher Bewährungshelfer anleitet. Wenn die Bewährungshilfe nicht funktioniere, gebe es einen Termin beim Richter, im schlimmsten Fall werde die Bewährung widerrufen.

Das oberste Ziel der Bewährungshilfe ist, Menschen zu helfen, nicht wieder straffällig zu werden. Es gebe aber durchaus Fälle, in denen Klienten wieder eine Straftat begehen und dann ins Gefängnis müssen. Das sei dann enttäuschend und entmutigend, findet Baumann. Doch er weiß: „Nur weil ich das Beste gebe, heißt das nicht, dass das auch angenommen wird.“ Damit die ehrenamtlichen Bewährungshelfer lernen, mit frustrierenden oder schwierigen Situationen klarzukommen, gibt es regelmäßige Team-Abende. Dabei wird in der Gruppe besprochen, wie bei einem Problem vorgegangen werden kann. „Wir sind keine Einzelkämpfer, wir sind ein Team“, betont Spitzmüller.

Spitzmüller leitet die Team-Abende, er berät die Ehrenamtlichen und achtet darauf, dass jeder die Fälle betreut, die zu ihm passen. „Eine Altenpflegerin ist in der Regel sehr kommunikativ, ein Abteilungsleiter in einem großen Konzern aber vielleicht eher an struktureller Arbeit wie etwa Schuldenregulierung interessiert“, erklärt der hauptamtliche Bewährungshelfer. Klar sei aber, dass die Ehrenamtlichen nicht für Menschen verantwortlich seien, die schwere Straftaten wie Gewaltverbrechen oder Sexualdelikte begangen haben. Wenn es dennoch gar nicht klappt mit der Zusammenarbeit von Ehrenamtlichen und Bewährlingen, ist Spitzmüller als Unterstützer zur Stelle.

Wer sich als Ehrenamtlicher in dem Bereich engagieren will, muss eine Schulung durchlaufen. Dabei geht es um Fragen wie: Was muss man in den Gesprächen abfragen und was kann man bei den Kontakten frei gestalten? Wie spricht man bestimmte Themen an? Wie äußert man Kritik, und wie geht man mit Schwierigkeiten um? Das Leitbild bei der Arbeit ist laut Spitzmüller klar definiert: „Jeder hat eine zweite Chance verdient.“ Außerdem gelte: „Wir verurteilen die Tat, nicht den Täter.“ Wer sich nach der Schulung für die Arbeit als ehrenamtlicher Bewährungshelfer entscheidet und als geeignet gilt, wird vereidigt: „Er ist dann vollwertiges Mitglied einer Behörde“, sagt Spitzmüller.

In der Regel habe jeder Ehrenamtliche zwei bis fünf Fälle, die er betreue – je nachdem, was er sich zutraue. Felix Baumann ist im Schnitt zwei bis drei Abende im Monat für das Ehrenamt unterwegs, hinzu kommen einige Telefonate sowie ab und zu Termine bei Gerichtsverhandlungen, wo er als Bewährungshelfer Auskunft geben muss. Die Arbeit sei nicht immer einfach, findet der Informatiker: Man brauche eine hohe Frustrationstoleranz. Dennoch ist er froh, dabei zu sein: „Ich tue etwas Gutes, gebe der Allgemeinheit und den Klienten etwas zurück – und habe auch persönlich etwas davon. Denn ich erfahre meine Grenzen und erweitere meine Kompetenzen.“

Mitstreiter gesucht

Engagement: Wer sich für die Arbeit als ehrenamtlicher Bewährungshelfer am Amtsgericht Esslingen interessiert, kann sich bis Ende Oktober noch bei Gregor Spitzmüller melden, entweder per E-Mail an gregor.spitzmueller@bgbw.bwl.de oder telefonisch unter der Nummer 0711/ 62 76 91 05. Ab Anfang November ist dann sein Nachfolger Dominik Link zuständig und erreichbar per E-Mail an dominik.link@bgbw.bwl.de oder telefonisch unter 0711/ 62 76 91 17.

Serie: Das Amtsgericht ist eine Institution, die tief in Esslingen verankert ist. Dort werden Urteile über Straftaten gesprochen, die in der Stadt und Umgebung begangen wurden, es wird über Nachbarschaftsstreitigkeiten und Familienkonflikte verhandelt. In einer Serie stellen wir verschiedene Aspekte sowie Personen vor, die das Amtsgericht prägen, etwa die Arbeit von Schöffen, Richtern, Zeugenbegleitern oder Dolmetschern. Die Serie erscheint in loser Folge.