Der Ausbau des Rad- und Fußgängerverkehrs könnte die Stadt attraktiver machen, sagt Jürgen Menzel. Foto: Stotz - Stotz

Der Ortsverband der Grünen hat bei einer Podiumsdiskussion im Alten Rathaus über die Mobilität in Esslingen gesprochen. Martin Haag, Baubürgermeister Freiburgs, brachte neue Ideen ein.

EsslingenDer Esslinger Ortsverband der Grünen hat am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion im Alten Rathaus den Konflikt zwischen uneingeschränkter Mobilität und der dadurch bedrohten Lebensqualität in den Kommunen thematisiert. Dabei hat Martin Haag, Baubürgermeister der Stadt Freiburg, das dortige Konzept und seine Folgen vorgestellt. Haag ermunterte, attraktive Strukturen für einen stadtverträglichen Verkehrsmix zu schaffen.

„Stark vom Auto geprägt“

„Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass eine attraktive und lebenswerte Stadt damit verbunden wird, dass zwar möglichst wenig Autoverkehr herrscht, aber gleichzeitig möglichst alle Optionen für Mobilität zur Verfügung stehen“, eröffnete die Grünen-Landtagsabgeordnete Andrea Lindlohr die Diskussion im sehr gut besuchten Bürgersaal des Alten Rathauses. André Reichel, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Regionalparlament, und der Esslinger Stadtrat Jürgen Menzel stellten dabei ihre Überlegungen zu den Möglichkeiten einer zukunftsfähigen Mobilität in Esslingen und der Region vor. Martin Haag, Baubürgermeister der Stadt Freiburg, zeigte die dortigen politischen und stadtplanerischen Konzepte und die Entwicklungen auf, die daraus folgten.

Rückbau breiter Straßen

„Freiburg ist nicht das verkehrspolitische Wunderland, aber wir haben uns vor 30 Jahren das Ziel gesetzt, eine lebenswerte, attraktive und auch verkehrssichere Stadt zu gestalten und damit auch gesagt, dass Verkehrspolitik eben Stadtplanung bedeutet“, sagte Haag. Durch konsequenten Rückbau breiter Straßen, die Einrichtung von Busspuren, Fuß- und Radwegen und einen massiven Ausbau des Straßenbahn- und Bus-Angebots sei es gelungen, den Anteil des Autos an den Verkehrsmittel in der Stadt auf nur noch 21 Prozent zu senken.

„Das Ganze ist ohne Gängelei der Autofahrer gelaufen. Die Menschen haben schlicht gesehen, die Stadt funktioniert gut mit dem ÖPNV, dem Rad und zu Fuß, und ihre Lebensqualität hat dabei zugenommen“, erzählte Haag. Dies habe eine dynamische Entwicklung bewirkt. „Wir haben eine bemerkenswerte Positivspirale in Gang gesetzt, die Nachfrage nach Mobilitätsangeboten ohne Auto wird immer stärker. Die Menschen treiben die Kommunalpolitik regelrecht an“, sagt Haag.

Umsteuern ist schwierig

André Reichel sah im Freiburger Beispiel „viele attraktive Ideen“, verwies aber auch darauf, dass in der Region Stuttgart vor Jahrzehnten „andere Strukturentscheidungen“ getroffen worden waren. „Jetzt umbauen und umsteuern ist sehr schwierig und sehr teuer“, sagte er.

Zwar sei in den Ausbau des S-Bahnnetzes bereits viel Geld in die Hand genommen worden, „aber wir sind immer noch extrem vom Auto geprägt“, sagte er. So betrage der Anteil des Autos an den genutzten Verkehrsmitteln in der Region 58 Prozent. Dennoch habe die ÖPNV-Nutzung stark zugenommen. „Das Auto hat nicht mehr den Status wie früher – nicht, weil alle Ökos geworden sind, sondern einfach weil es im Ballungsraum unpraktisch ist.“

Und der Ausbau des ÖPNV gehe weiter voran, der S-Bahn-Takt werde durchgehend auf 15 Minuten verdichtet, die Planungen für Schienenverbindungen zwischen den Fildern und dem Neckartal seien fortgeschritten. „Aber Verkehrspolitik ist ein dickes Brett, wir müssen in langen Zeiträumen denken“, betonte Reichel.

"Attraktive Umsteigemöglichkeiten"

Jürgen Menzel griff dies auf und verwies auf „drängende Baustellen“ wie eine sichere und schnelle Radwegverbindung in der Tallängsachse. Esslingen müsse ein Verkehrskonzept erstellen, zumal in den kommenden Jahren durch die Sanierung der Neckarbrücken ein Verkehrschaos drohe. „Wir haben noch ein wenig Zeit, und die sollten wir nutzen, andere Strukturen zu schaffen und anzubieten. Die Stadt kann gewinnen, wenn wir dem Auto seinen Platz geben, gleichzeitig aber ÖPNV, Rad- und Fußgängerverkehr massiv ausbauen und attraktive Umsteigemöglichkeiten zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln bieten“, sagte Jürgen Menzel.

Martin Haag ermunterte, in dieser Richtung weiter zu arbeiten. Auch in Freiburg habe das Auto seinen Stellenwert, aber wenn der Platz neu verteilt und neue Verkehrsprojekte entwickelt würden, ginge dies zu Lasten des Pkw. „Wir müssen als Kommunen den Anfang machen und attraktive Strukturen anbieten. Wenn es die gibt, dann nutzen sie die Menschen auch. Das lehrt die Erfahrung.“