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Rund 25 Ehrenamtliche gehen regelmäßig mit Hunden des Esslinger Tierheims spazieren. Nicht jeder darf mit jedem Vierbeiner losziehen, die Gassigeher müssen einen Führerschein machen.

Esslingen„Snoopy“ springt freudig am Gitter hoch, denn es geht jetzt endlich raus. Der etwa zwei Jahre alte Chihuahua-Mischling war vor kurzem auf dem Bürgerfest auf der Maille ausgesetzt worden und wartet nun im Tierheim auf ein neues Zuhause. Bis dahin nimmt Jutta Heine den kleinen Kerl montags, dienstags und donnerstags an die Leine, damit er ein kleines bisschen Freiheit schnuppern kann. Seit fünf Jahren geht die Ehrenamtliche mit den Hunden des Tierheims, die oftmals ein schweres Schicksal hinter sich haben, auf der Neckarinsel Gassi, um etwas Abwechslung zu bieten. „Seit meiner Kindheit fühle ich mich zu Hunden hingezogen“, erzählt die 58-Jährige. Und sie habe anscheinend auch einen Draht zu den Vierbeinern. Doch ein Draht alleine genügt nicht.

Nicht jeden Hund ausführen

Die rund 25 Ehrenamtlichen, von der Schülerin bis zur Rentnerin, die regelmäßig die Hunde des Tierheims ausführen, haben alle einen „Gassigeher-Führerschein“. Manche fahren übrigens mit den Hunden an Bord des Autos bis ins Körschtal. In fünf Kursstunden bekomme man alles Wissenswertes über die Hunde, ihre Mimik und Körpersprache anhand von Filmen erklärt, berichtet Heine: Wenn zum Beispiel der Hund die Ohren anlegt oder am ganzen Körper steif werde, werde es kritisch. Den Vierbeiner immer im Auge behalten, lautet daher die Devise und es folgt auch ein praktischer Teil, in dem die Teilnehmer beim Gassi gehen beobachtet werden. Doch nicht jeder Führerscheininhaber kann jeden Hund ausführen. „Die Vierbeiner werden aufgrund des Verhaltens oder der Vorgeschichte in drei Kategorien eingeteilt“, sagt der Leiter des Tierheims Horst Theilinger: „Grün“ bedeute friedlich, meistens klein und leicht zu handhaben, „gelb“ sind die etwas größeren und kräftigeren. Hunde, die bereits wegen erheblicher Probleme abgegeben wurden, nicht jeden an sich heranlassen und keinen anderen Hund tolerieren gehören zu der „roten“ Gruppe. Dazu zählt Gismo, der bereits seit über drei Jahren im Tierheim untergebracht ist. Der elf Jahre alte Labrador-Bernhardiner-Mischling ist sehr introvertiert, hat gesundheitliche Probleme und knurrt auch einmal, wenn er partout nicht Gassi gehen will. „Manche Hunde sind nicht zu vermitteln und sind hier schon über die Regenbogenbrücke gegangen und auf unserem Friedhof beerdigt worden“, weiß Heine, die in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit bereits unzählige Vierbeiner begleitet hat.

Kontakte knüpfen beim Gassi gehen

„Loslassen“ heißt es auch bei so manchen kleinen Kerl, den man beim Spazieren gehen ins Herz geschlossen hat: „Als ich eines Morgens ins Tierheim kam, war Harry, für den sich bisher keiner interessiert hatte, weg“. Tja der kleine Pekinese hatte überraschend doch ein neues Zuhause gefunden. Aus gesundheitlichen Gründen und weil der Ehemann dagegen ist, hält die 58-Jährige keinen eigenen Hund, hütet aber auch immer wieder über ihre Tätigkeit für das Tierheim hinaus den Sheltie einer Freundin. Und „Merlin“ habe auch so seine Eigenheiten. Die Vierbeiner würden ihr jedoch so viel zurückgeben. Außerdem bleibe man selbst in Bewegung und komme beim Gassi gehen schnell in Kontakt mit anderen Menschen. „Als ich mit „July“ unterwegs war, hat mich jeder auf den süßen Mischling angesprochen“. Wer alleine lebe, solle sich daher überlegen, einen Hund anzuschaffen. Doch Vorsicht: Für ein Tier übernehme man Verantwortung und müsse auch genügend Zeit haben. „So einige angebliche Fundhunde waren gar keine, sondern wurden von ihren Besitzern abgegeben“, ist sich der Tierheimleiter ziemlich sicher. Die Leute wollten die Gebühr, wenn es sich um ein eigens Tier handelt, von etwa 150 Euro sparen. „Kann man glauben, dass ein Mann ganz zufällig einen Korb voller Welpen gefunden hat?“ fügt Heine sarkastisch an. Interessenten für die zu vermittelnde Hunde werden daher besonders in Augenschein genommen und müssen zunächst einmal die Gassigeher begleiten. Bevor die endgültige Entscheidung fällt, besuchen diese auch das neue Zuhause.

Zurzeit ist übrigens der Betrieb des Tierheims durch den millionenschweren Neubau eingeschränkt. Daher werden laut dem Leiter Kurse für den Gassigeher-Führerschein erst wieder nach der Eröffnung angeboten. Auf dem Tisch von Theilinger sind nämlich inzwischen einige Anfragen gelandet.

www.tierschutzverein-esslingen.de