Misghina Russom (hinten links) trainiert die unbegleiteten Flüchtlinge im Rahmen des Integrationsprojekts des FC Esslingen, dessen Vorsitzender Wolfgang Drexler (4. von rechts) ist. Foto: Weber-Obrock Quelle: Unbekannt

Von Petra Weber-Obrock

Jeden Freitagnachmittag treffen sich jugendliche Flüchtlinge in der Sporthalle des Theodor Rothschild-Hauses an der Mülberger Straße zum Fußballtraining. Hingebungsvoll lassen sie vor Beginn der Trainingseinheit zig Schaumstoffbälle durch die Luft wirbeln und flanken sie mit Schwung in Richtung Tor. Das Kicken liegt ihnen offenbar im Blut und lässt sie trotz ihrer ungewissen Lebenssituation aufblühen.

Das Projekt „2:0 für ein Willkommen“, in dessen Rahmen das Fußballtraining stattfindet, wurde vom FC Esslingen initiiert und in Kooperation mit der Stiftung „Jugendhilfe aktiv“ auf die Beine gestellt. „Jugendhilfe aktiv“ betreut derzeit etwa 100 jugendliche Flüchtlinge im Kreis Esslingen, die unbegleitet nach Deutschland gekommen sind. Langfristig soll das Training ihnen die Ankunft in den Strukturen örtlicher Sportvereine erleichtern.

Für ihr Engagement in punkto Integration wurden die Initiatoren des Projekts nun von der DFB-Stiftung Egidius Braun mit einer Förderprämie von 500 Euro ausgezeichnet, die in den Kauf von hochwertigen roten Trikots für alle Spieler investiert wurde. Jüngst überzeugte sich Karl Stradinger, der Vorsitzende des Württembergischen Fußballverbands im Bezirk Neckar-Fils, davon, dass das Geld gut angekommen ist. Dazu traf er sich zum Austausch mit den Kooperationspartnern vom FC Esslingen und der Stiftung „Jugendhilfe aktiv“, die allesamt die Erfahrung gemacht haben, dass Fußball in der Lage ist, Grenzen zu überwinden.

„Vom Sportlichen her muss man den Jungs nicht mehr viel beibringen“, sagt Wolfgang Drexler, der Vorsitzende des FC Esslingen. Soziales Engagement, betont er, gehöre zu den Richtlinien des FC Esslingen, der sich als Talentschmiede und Zusammenschluss der Esslinger Fußballvereine versteht. So hätten sich zum Beispiel beim Inklusionsprojekt „Mission Integration“ die Spielerinnen und Spieler verschiedener Jugendmannschaften gezielt für Menschen mit Beeinträchtigungen eingesetzt.

Integration beginnt beim wöchentlichen Training im Rothschild-Haus vor allem über die Beziehungsebene. Dafür sorgt der junge Trainer Misghina Russom, genannt Micky. „Zu Beginn sind nur höchstens vier Jungs gekommen“, erinnert er sich an den Anfang des Projekts im Herbst 2016. „Heute sind es zehn bis zwölf, die freiwillig und aus Spaß am Training teilnehmen.“ Zwei von ihnen kämen extra aus Bernhausen. Kicken haben die meisten schon in ihren Heimatländern gelernt. Ganz nebenbei eignen sie sich durch die Regeln der konsequent ausgeführten Mannschaftssportart jetzt auch Werte wie Respekt und Teamwork an.

Micky kann bei dem Projekt auch die Erfahrungen einfließen lassen, die er selbst als Kind eritreischer Flüchtlinge in Deutschland gesammelt hat. Was die Jungen erleben müssen, ist durchaus happig. Etwa 100 unbegleitete Jugendliche leben derzeit im Rothschild-Haus und in verschiedenen Wohngruppen der Stiftung „Jugendhilfe aktiv“ im Landkreis Esslingen. Für viele beginnt mit dem 18. Geburtstag ein Klageverfahren, das auf in vielen Fällen auf ihre Ausweisung hinausläuft. „Sie werden zum Verhör geladen“, erklärt Bereichsleiter Michael Müller und betont, dass die Unterstützung der Jugendlichen nicht mit dem Einsetzen ihrer Volljährigkeit ende.

Der offizielle Eintritt in einen deutschen Verein ist ebenfalls mit Schwierigkeiten verbunden, weil den Jungs nicht ohne Nachfrage in ihrem Heimatland ein Spielerpass ausgestellt werden kann. Die Teilnahme an Freundschaftsspielen und Turnieren scheitert allerdings nicht am fehlenden Spielerpass. Zum Glück: Denn wie viel Spaß ihnen die Wettkämpfe machen, hat sich beim Amicitia-Cup in der Sporthalle in Sulzgries gezeigt, bei dem Freizeitmannschaften gegeneinander antraten. „Eine sehr gute Sache“, findet Wolfgang Drexler.