Tiefbauamts-Chef Uwe Heinemann schaut bei den Brückenlagern besonders genau hin, denn dort kann die Korrosion häufig am stärksten angreifen. Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Tag für Tag passieren Tausende Autofahrer die Augustinerstraße in Esslingen, und längst nicht allen dürfte bewusst sein, dass sie nicht auf einer ganz normalen Straße unterwegs sind, sondern auf einer Brücke. Das aufwendige Bauwerk ist Teil der Ringstraße und wurde 1970 errichtet. Zuletzt hat der Zahn der Zeit immer stärker an Beton und Armierungen der Augustinerbrücke genagt - eine Generalsanierung ließ sich nicht länger aufschieben. Rund zwölf Millionen Euro investiert die Stadt Esslingen in das Projekt, das bis Herbst 2019 dauern soll. So lange müssen sich Autofahrer zwischen Frauenkirche und Neuem Rathaus auf Verkehrsbehinderungen einstellen, doch zur grundlegenden Erneuerung der Augustinerbrücke gibt es keine Alternative. Und wer sich anschaut, wie aufwendig eine Brückensanierung ist, darf sich weder über Kosten noch Dauer wundern.

Für Tiefbauamts-Chef Uwe Heinemann und seine Mitarbeiter bedeutet die Sanierung der Augustinerbrücke eine Herausforderung. Regelmäßig werden die Esslinger Brücken untersucht - zeigen sich Schäden, die Stabilität und Sicherheit beeinträchtigen, muss die Stadt etwas tun. Bei einer Routinekontrolle wurden 2011 an der Augustinerbrücke so starke Beeinträchtigungen festgestellt, dass die Stadt eine Generalsanierung in Angriff nehmen musste. „Ein Projekt dieser Größe lebt nicht zuletzt von einer guten technischen und logistischen Planung“, weiß Bauleiter Heinrich Wetzel von der Firma Züblin. Was die Sache bei der Augustinerbrücke besonders schwierig macht: Weil es sich um eine Hauptverkehrsader handelt, müssen die Bauarbeiten rasch über die Bühne gehen, während der Verkehr so weit wie möglich weiter rollt. Deshalb wird das Brückenbauwerk in Etappen auf Vordermann gebracht - Baufeld und Verkehrsregelung verschieben sich immer wieder, was mehr Zeit kostet, als wenn die Brücke für die Dauer der Arbeiten komplett gesperrt werden könnte. Was die Sache noch komplizierter macht: Um den Weihnachtsmarkt nicht zu stören, muss das Projekt wochenlang ruhen.

Wer von der Berliner Straße in Richtung Neckar Forum an der Baustelle vorbeifährt, erkennt bereits, wie die Augustinerbrücke nach der Sanierung aussehen wird: Der neue Fahrbahnbelag ist dort aufgebracht, Gehwege und die Brüstung fürs Geländer wurden schon wieder neu aufgebaut. Viel spannender ist jedoch all das, was man nach Abschluss der Arbeiten gar nicht mehr sieht: Zunächst musste der Untergrund Stück für Stück überprüft werden. Manche Schäden, die Wasser, Streusalz und Alterung verursachten, sind mit bloßem Auge festzustellen. Versteckte Mängel kann man mit Hilfe von Probebohrungen entdecken - wird im Labor ein bestimmter Chloridgehalt entdeckt, ist eine genauere Überprüfung des jeweiligen Bereichs unerlässlich.

Mit Höchstdruck bis aufs Metall

Bei einer Brückensanierung darf nichts dem Zufall überlassen werden, schließlich soll das Bauwerk wieder mindestens drei Jahrzehnte halten. Deshalb begnügt man sich nicht mit kosmetischen Eingriffen - die Sache wird von Grund auf angepackt: Zunächst werden Gehwege, Geländerbrüstungen und Beläge entfernt, damit nur noch der Betonunterbau bleibt. Wo es nötig ist, werden die Armierungen freigelegt. Ein so genanntes Höchstdruckwasserstrahlgerät fegt den Beton weg, ohne das eingelegte Metall zu zerstören. Solche Geräte arbeiten mit einem Druck von mehr als 2000 bar - der normale Hochdruckreiniger, mit dem im Herbst zuhause die Terrasse gereinigt wird, begnügt sich mit etwa 110 bar.

Hohe Anforderungen an die Arbeiter

Solche Arbeiten sind kräftezehrend, laut und schmutzig - und sie fordern den Arbeitern alles ab. Entsprechend streng sind die Arbeitsschutzvorschriften, die für Rado Bosnjakovic und seine Kollegen gelten und die neben einer aufwendigen Schutzausrüstung auch die Dauer der Arbeitsintervalle regeln. Damit die Anwohner durch Lärm und Schmutz nicht mehr als unvermeidbar belastet werden, wird über den Bereich, in dem Rado Bosnjakovic und seine Kollegen gerade arbeiten, eine Strahlkabine gestellt, die mit dem Fortgang der Arbeiten weiterwandert.

Überall dort, wo die Armierung freigelegt ist und Schäden zu Tage treten, werden die Stahleinlagen ersetzt oder verstärkt. Erst wenn die Basis wieder stimmt, werden die Belagschichten nacheinander aufgebracht: Erst eine mehrlagige Epoxidharzschicht, dann die Abdichtung, gefolgt von einer Gussasphaltschicht und schließlich die eigentliche Deckschicht, also der Fahrbahnbelag. Erst dann kommen Gehwege, Verkehrsteiler und ähnliches. Besonders aufwendig sind stets die so genannten Brückenlager - jene Bereiche, in denen die Brückensegmente mit dem Baugrund oder miteinander verbunden sind. Im Fall der Augustinerbrücke sind es besonders viele Lager, weil das Bauwerk aus sechs Segmenten besteht. Sie sind unverzichtbar, damit die Brücke bei wechselnden Belastungen und Temperaturen nicht zu starr in ihren Verankerungen liegt. Umso wichtiger ist die Stabilität dieser Lager.

Aktuell laufen die Bauarbeiten im mittleren Bereich der Brücke. Dort drängen sich Baucontainer, Fahrzeuge, Gerätschaften, Material und Arbeiter, während rechts und links Fahrzeug an Fahrzeug vorbeifährt. „Leider hält sich nicht jeder an Tempo 30“, hat Wetzel beobachtet. „Manche fahren ziemlich schnell und ziemlich dicht vorbei. So zu arbeiten, ist nicht einfach.“ Doch Wetzel und seine Kollegen sind auf die Sanierung so genannter Ingenieurbauten spezialisiert, und sie wissen, dass es dabei meist eng zugeht: „Mit der Zeit bekommt man damit Erfahrung.“

Tiefbauamts-Chef Uwe Heinemann nutzt die Generalsanierung, um in Sachen Stabilität noch etwas mehr zu tun als bisher: So werden die Fundamentierung der Stützen und die Kippsicherung der Brücke weiter verbessert. „Als die Brücke 1970 gebaut wurde, war sie auf dem damals neuesten Stand der Technik“, erklärt Uwe Heinemann. „Seither sind die Fahrzeuge schwerer und die Verkehrsdichte ist größer geworden. Deshalb muss man heute mehr tun als früher.“